Die Schweiz steht unter Schock. Exporte in die Vereinigten Staaten sollen künftig mit 39 Prozent belegt werden. Dies kündigte Donald Trump in der Nacht zum Freitag an. Mit diesem Zollsatz stünde die exportstarke Schweiz unter allen Wirtschaftsnationen am schlechtesten da. Gegenüber den Konkurrenten im Ausland würden die Schweizer Unternehmen an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Die EU hatte sich auf allgemeine Zölle von 15 Prozent geeinigt, Großbritannien auf zehn Prozent. Auch wichtige Handelspartner wie Japan und Südkorea stehen in Exportgeschäften mit den USA nun besser da als die Schweiz. Gemäß der vom Weißen Haus veröffentlichen Zolltarifliste mit 70 Ländern kommen nur drei Länder noch schlechter weg als die Eidgenossenschaft: Laos, Myanmar und Syrien.
Lange Zeit hatte die Regierung in Bern sogar gehofft, zu einem besseren Deal mit den Amerikanern zu kommen als die EU. Nach einem Telefonat mit Trump im April sagte die Schweizer Bundespräsidentin und Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP), dass sie irgendwie den Zugang zum amerikanischen Präsidenten gefunden habe. Während andere westliche Regierungsvertreter den US-Vizepräsidenten J.D. Vance für seine abschätzige Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz kritisiert hatten, fand Keller-Sutter dafür lobende Worte.
Absichtserklärung gebrochen
Der auf Anbiederung statt auf Konfrontation ausgelegte Kurs der Regierung schien zunächst auch aufzugehen: Mit den amerikanischen Unterhändlern, darunter der Finanzminister Scott Bessent, einigte man sich auf eine Absichtserklärung, die Zölle von zehn Prozent vorsah. Doch Trump interessierte das offenkundig nicht. Kurz vor Ablauf der Verhandlungsfrist am 1. August, dem Nationalfeiertag der Schweiz, telefonierte Keller-Sutter noch einmal mit Trump, wie sie auf der Plattform X bekanntgab. Aber man habe keine Einigung gefunden. Für den US-Präsidenten stehe das amerikanische Handelsdefizit gegenüber der Schweiz nach wie vor im Vordergrund, schrieb Keller-Sutter.
Dieses Defizit hatte Trump Anfang April dazu veranlasst, der Schweiz einen Zollsatz von 31 Prozent anzudrohen. Warum es nun sogar 39 Prozent sein sollen, ist schleierhaft. Bern gibt die Hoffnung auf bessere Konditionen aber noch nicht auf: Man sei weiterhin in Kontakt mit den verantwortlichen Stellen in den USA und strebe eine Verhandlungslösung an, teilte die Regierung mit.
Schweizer Uhrenhersteller leiden besonders
Der Zürcher „Tagesanzeiger“ wertete Trumps Zollhammer als „schwere Niederlage“ für Keller-Sutter und die gesamte Regierung. Für die „Neue Zürcher Zeitung“ ist es eine „Hiobsbotschaft“ für die Schweiz. Die Wirtschaft reagierte bestürzt. Dass die Schweiz einen der höchsten Zollsätze der Welt erhalten soll, sei weder gerechtfertigt noch nachvollziehbar, kritisierte der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Die Schweiz erhebe selbst keine Industriezölle und sei der sechstwichtigste ausländische Investor in den USA. Die neuen Zölle würden die Schweizer Wirtschaft massiv belasten. Diese habe damit einen akuten Wettbewerbsnachteil gegenüber den Ländern der EU und dem Vereinigten Königreich. Auch das Investitionsklima leide.
Besonders stark betroffen von den hohen Zöllen wären die Schweizer Uhrenhersteller und Maschinenbauer. Auch manche Nahrungsmittelhersteller dürften leiden. Nestlé zum Beispiel produziert sämtliche Nespresso-Kapseln in der Schweiz. Diese müssten nun deutlich teurer verkauft werden, um die Gewinnmarge nicht allzu sehr zu lädieren. Unter den Maschinenbauern kämen allenfalls jene Anbieter mit den Zöllen klar, deren Spezialprodukte ein Alleinstellungsmerkmal haben. Das ermöglicht theoretisch auch deftige Preiserhöhungen. Unter den Uhrenherstellern dürften lediglich Premium-Anbieter wie Rolex und Patek Philippe dazu in der Lage sein, deutlich höhere Preise im Markt durchzusetzen. Bei den Marken im mittleren und unteren Preissegment ist hingegen das Zähneklappern groß.
Einen Lichtblick gibt es für die Pharmaindustrie, die für das Gros der Schweizer Exporte nach Amerika verantwortlich ist: Medikamente sind von dem Zollsatz von 39 Prozent offenbar nicht betroffen. Trump plant, Pharmaimporte mit einem separaten globalen Einfuhrzoll zu belegen, um die Hersteller dazu zu bewegen, ihre Produktion nach Amerika zu verlagern.
Aus der Schweizer Politik kam scharfe Kritik an der Berner Verhandlungstaktik: Die Anbiederungsstrategie der Regierung sei „kolossal gescheitert“, erklärte Fabian Molina, Außenpolitiker der Sozialdemokratischen Partei. „Donald Trump erpresst die Welt mit seinem Zollkrieg wie ein Mafia-Boss. Dieser erpresserischen Politik muss die Staatengemeinschaft geeint, mit Stärke und auf Basis des internationalen Handelsrechts begegnen.“ Der FDP-Präsident Thierry Burkart bezeichnete Trumps Entscheidung als „Katastrophe“ und als Angriff auf den Wohlstand der Schweiz. „Die USA sabotieren mit diesem Vorgehen sowohl die seit Jahrzehnten sehr guten und verlässlichen Beziehungen zu unserem Land als auch den freien Handel insgesamt.“ Bern müsse die Gespräche mit den Amerikanern nun fortsetzen, sich zugleich aber auf ein Worst-Case-Szenario vorbereiten und ein Fitnessprogramm für die Wirtschaft lancieren.