Nein. Im Prinzip ist das eine Fortführung dessen, was wir seit Monaten machen. Wir skalieren, wir internationalisieren, und wir holen Leute rein, die uns aufs nächste Level bringen können. Wir holen deshalb Leute dazu, weil sie Dinge besser können als ich. Reto beispielsweise kann Skalierung von großen Organisationen aus seiner Erfahrung besser. Und ich kann mich fokussieren auf die Sachen, die ich besser kann als er: Technologie, Innovation, KI-Strategie.
Es ist schon etwas anderes, ob man Leute weiter unten in der Hierarchie einstellt oder einen gleichrangigen Ko-Chef.
Es gibt genug ähnliche Beispiele, wo das super funktioniert. Das Modell der Zusammenarbeit ist hier mehrdimensional. Ich habe neben der operativen Funktion auch meine Rolle als größter Anteilseigner und Gründer. Es gibt vielleicht auch Beispiele, wo Ko-CEO-Modelle nicht funktionieren. Das hängt dann von den Personen ab. Bei Reto habe ich da keine Sorge. Wir sind als Persönlichkeiten wunderbar komplementär.
Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Ich komme aus der Forschung. Reto hat nicht den tiefen KI-Hintergrund, aber er kann in komplexen Situationen Organisationen skalieren, das Qualitätslevel hochhalten. Unsere Mitarbeiterzahl hat sich in den letzten zwölf Monaten mehr als vervierfacht. Das ist Wahnsinn. Und es geht weiter. Jetzt kommt die Internationalisierung, jetzt haben wir mit Pharia, unserem KI-Betriebssystem für Unternehmen, ein Produkt, das schlüsselfertig ausgerollt wird. Das ist eine neue Phase für das Unternehmen.
Mancher sprach schon davon, jetzt greife die Schwarz-Gruppe bei Aleph Alpha durch. Ist das so?
Das kann ich nicht nachvollziehen. Wir haben auch Leute von SAP oder Bosch eingestellt . . .
. . . die auch zu den Investoren gehören . . .
. . . da hat keiner gesagt: Jetzt greift SAP durch. Diese Leute sind jetzt bei uns und nicht mehr in ihrem alten Unternehmen. Reto versteht die Schwarz-Gruppe natürlich sehr gut. Das hilft uns. Er weiß, wen man für welches Thema anrufen muss. Das vereinfacht viele Prozesse. Deshalb bin ich dankbar, dass die Schwarz-Gruppe das mitmacht, denn die verlieren ja einen ihrer besten Leute.
Die Verflechtung mit Schwarz war auch schon vorher eng. Von Ihrer jüngsten Finanzierungsrunde gingen 300 Millionen Euro nicht direkt an Sie, sondern in eine Aleph Alpha Research GmbH, die einer von Schwarz finanzierten Stiftung gehört. Haben Sie die Kontrolle über Ihre Forschung abgegeben?
Diese 300 Millionen werden vollständig für KI-Forschung und Innovation verwendet, die in unseren Produkten landet. Die Schwarz-Gruppe steuert das inhaltlich nicht. Natürlich ist aber die Zusammenarbeit mit der Schwarz-Gruppe und dem Heilbronner Innovationspark für Künstliche Intelligenz eng. Das war unser Ziel. Wir haben bewusst gesagt, wir nehmen nicht reine Finanzinvestoren, sondern die Schwarz-Gruppe, SAP, Bosch und Christ & Company, inzwischen auch die Deutsche Bank, weil wir mit denen eng zusammenarbeiten wollen. Wir sind überzeugt, dass die Mission Technologiesouveränität keiner alleine schaffen wird.
Ist denn etwas dran an den Spekulationen, dass die Schwarz-Gruppe eine Übernahme von Aleph Alpha erwägt?
Das müssen Sie die Schwarz-Gruppe fragen – aktuell steht dies für uns nicht zur Diskussion, und gleichzeitig würde es auch keinen Sinn ergeben, damit lange zu warten. Wir werden durch unser Wachstum ja immer teurer.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit der Schwarz-Gruppe aus?
Natürlich ist die Schwarz-Gruppe auch einer unserer wichtigsten Kunden. Immer mehr der internen Prozesse dort laufen auf unserer Technologie. Umgekehrt sind wir Kunden der Schwarz-Cloud-Sparte Stackit. Die Cloud-Version von Pharia läuft auf Stackit. Außerdem kooperieren wir beim Thema europäische AI-Gigafactory.
Die KI. Wenn man so eine Infrastruktur baut, ist die nächste Frage, wie man sie gut nutzt. Unsere Technologie ist genau dafür gebaut, dass man sie auf heterogenen Infrastrukturen sinnvoll einsetzen kann. Das bedeutet Souveränität für uns. Deshalb haben wir schon unser eigenes Rechenzentrum gebaut, als es noch nicht cool war, genau aus diesem Grund.
SAP-Chef Christian Klein hat vor Kurzem den Fokus auf ein Hardwarerennen kritisiert, das die EU ohnehin längst verloren habe. Hat er recht?
Es ist zwar nicht falsch, in Infrastruktur zu investieren. Aber wir bekommen auch keine Technologiesouveränität allein dadurch, dass wir einfach eine Menge Grafikkarten kaufen. Der Flaschenhals ist nicht, dass es zu wenig Grafikkarten gibt. Jeder, der welche haben will, bekommt sie auch, zu aktuell fallenden Preisen. Und Grafikkarten haben eine Abschreibungsdauer von zwei oder drei Jahren. Das ist nicht so, als würde man Schienen oder Glasfasernetze bauen. Diese Infrastruktur verliert sehr schnell an Wert.
Was ist denn dann derzeit der Flaschenhals?
Die KI-Transformation von Wertschöpfungsprozessen. Wir sollten nicht denken, jetzt haben wir Grafikkarten bestellt, jetzt ist das Problem gelöst. Schauen Sie sich an, was allein in den nächsten fünf Jahren durch den demographischen Wandel passiert. In der Verwaltung haben wir schon jetzt eine halbe Million offene Stellen, die wir nicht besetzen können. Wenn wir da nichts tun, haben wir ein gewaltiges Problem. Dann bekommen die Bürger das Gefühl, der Staat kann seiner Verantwortung nicht mehr gerecht werden. Die dadurch entstehende Unsicherheit wird sich politisch entladen. Davor habe ich Angst.
Viele Leute haben gerade eher davor Angst, dass KI ihren Job ersetzt.
Wir sehen diese Verantwortung und nehmen sie ernst. Es gibt zwei mögliche Zukunftsszenarien. Keines davon ist eine Welt ohne KI. Da sind wir bei Dürrenmatt: Das Gedachte kann nicht zurückgenommen werden. Wir können aber wählen: Ist unsere Rolle die eines zahlenden Kunden von Technologie, die jemand anderes baut? Oder können wir die Technologie selbst gestalten? Die Berufsausbildung, die Karrierepfade werden sich sicherlich verändern. Aber niemand muss Angst haben, wegen KI seinen Job zu verlieren. Im Gegenteil: Aufgrund des demographischen Wandels werden uns eher die Fachkräfte ausgehen. Mehr Sorge macht mir etwas anderes.
Die Tatsache, dass immer mehr Macht in den Händen von immer weniger Technologieriesen konzentriert wird. Wir sehen jetzt schon, dass Betreiber von KI-Systemen am Schluss entscheiden, was eine richtige Antwort auf eine kontroverse Frage ist. Aus Nutzerperspektive ist der häufigste Nutzungsbereich von KI inzwischen „companionship“, also die Interaktion wie mit einem Freund oder romantischen Partner. Stellen Sie sich vor, welche Macht diese Systeme haben, wenn sie junge Menschen in der Kindheit und Teenagerzeit auf diese Weise begleitet haben.
Haben wir als Europäer nicht gerade die Kontrolle darüber abgegeben? Auch Aleph Alpha ist aus dem Wettrennen um das beste Sprachmodell ausgestiegen.
Wir versuchen jetzt nicht, den zwölften Chatbot zu bauen, der ein Gedicht zum Geburtstag der Oma schreiben kann. Aber wir gehen schon runter auf die Sprachmodellebene. Keiner unserer Kunden war einfach in der Lage, ein bestehendes Modell zu nehmen und es so zu implementieren, dass es die eigene Unternehmenswelt komplett versteht. Das liegt an der Struktur der Modelle. Sie kennen nur das Wissen, das in den Trainingsdaten vorliegt, und lernen nur schwer grundsätzlich Neues. Das können wir mit unserer innovativen Architektur deutlich besser. Das ist ein Gamechanger für souveräne KI-Strategien bei teilweise gigantischem Effizienzgewinn. Für besonders anspruchsvolles Wissen wie Finnisch haben wir in Davos damit einen Effizienzvorteil von bis zu 400 Prozent gezeigt.
Sie haben gerade den Verhaltenskodex für die europäische KI-Verordnung unterschrieben. Heißt das, dass Sie mit den Regeln einverstanden sind?
Damit kann man arbeiten. Könnte man Bürokratie noch weiter reduzieren? Ja, klar. Ich bin immer dafür zu schauen, was an Regulierung wirklich nötig ist. Wichtig ist vor allem, dass wir Raum für Innovation lassen. Die KI-Verordnung ist im Ergebnis zwar nicht schrecklich. Aber Regulierung hat in den letzten Jahren viel Energie gekostet. Im Zweifelsfall ist immer neue Regulatorik für Unternehmen der Tod durch tausend kleine Schnitte – selbst wenn jede einzelne Norm vernünftig gemacht ist.
Aleph Alpha hatte 2023 nicht mal eine Million Euro Umsatz. Hat sich daran etwas geändert?
Oh ja. Wir werden demnächst unseren Jahresabschluss für 2024 veröffentlichen. Das sind signifikant andere Zahlen.
Von Profitabilität sind Sie vermutlich noch weit weg.
Ja, aber das ist kurzfristig auch gar nicht das Ziel. In neuen Technologiemärkten wird immer zuerst signifikant investiert. Das ist bei allen Unternehmen aktuell so. Unser Kerngeschäft ist allerdings jetzt schon profitabel. Unser Geschäftsmodell mit Firmen und Behörden als Kunden funktioniert bereits sehr gut.
In Ihrem Büro steht ein Poster des Neunzigerjahre-Videospiels „Doom“. Kommen Sie noch zum Spielen?
Nicht mehr so viel. „Doom“ hat mich als Teenager total begeistert. Da habe ich mein eigenes Kabel gelötet, damit mein Kumpel und ich gemeinsam spielen können. Heute spiele ich lieber komplexe Wirtschaftssimulationen wie „Civilization“ oder „Crusader Kings“. Meine Partnerin nennt das „gamifizierte Excel-Tabellen“.
Auch nicht so anders, als ein Unternehmen zu führen.
Nur mit theatralischeren Ereignissen – wobei es filmreife Zwischensequenzen in der Geschäftswelt auch hin und wieder gibt.