Das Wasser hier ist immer noch giftig“, sagt die Frau und führt zu einem Brunnen in ihrem Hinterhof. Die Flüssigkeit am Boden des einige Meter tiefen Brunnens sieht bräunlich aus. „Wir nutzen es nur noch zum Putzen. Aber nicht zum Kochen oder Trinken.“ Die Frau ist etwa Mitte 50 und will ihren Namen nicht nennen. In ihrem Heimatdorf in der Provinz Jiangxi in Südchina betreibt sie einen kleinen Dorfladen mit Restaurant. Sie erinnert sich noch an die Zeit, bevor die Region vor drei Jahrzehnten schrittweise zur wichtigsten Abbauregion für schwere Seltene Erden der Welt wurde. Damals war das Wasser noch klar.
Die Dominanz bei Seltenen Erden ist Chinas wichtigstes Druckmittel im Handelskonflikt mit den Vereinigten Staaten. Im April begann Peking, die Ausfuhr der Minerale schärfer zu kontrollieren und so zu begrenzen. Das zeigte Erfolge. Der amerikanische Präsident Donald Trump gab daraufhin wichtige Halbleitertechnologie für den Verkauf in China wieder frei. Beide Seiten senkten die Zölle, die sie in einer beidseitigen Eskalation zuvor auf weit mehr als 100 Prozent hochgetrieben hatten. China lockerte im Gegenzug die Exportkontrollen wieder. Trumps Amerika aber verzollt chinesische Einfuhr immer noch höher als Peking in Gegenrichtung.
Auch auf dem Gipfeltreffen der Europäischen Union und China in dieser Woche in Peking waren die Seltenen Erden ein wichtiges Thema. Beide Seiten vereinbarten einen Beschwerdemechanismus, der europäischen Nachfragern einen hinreichenden Bezug der Mineralien aus China ermöglichen soll.
Ein teuer erkaufter Vorteil
Die Dominanz bei den Seltenen Erden hat China sich im Lauf der Jahrzehnte teuer erkauft. Der Abbau ist notorisch umweltschädlich und verwüstet Landstriche. Nachdem China sich dem Umweltschutz verschrieben hatte, zogen viele Minengesellschaften ins benachbarte Bürgerkriegsland Myanmar um. Tausende Chinesen aus Jiangxi kümmern sich dort nun in den Minen um den Abbau.
Es ist ein wenig wie vor drei Jahrzehnten. Damals protestierten etwa in Frankreich oder in Amerika, das in den 1980er-Jahren die Branche noch dominiert hatten, Umweltschützer gegen den Raubbau an der Natur. China steckte mitten in seiner industriellen Aufholjagd und war begierig, jedes Geschäft zu übernehmen. So wanderte damals der Abbau der Seltenen Erden aus dem Westen nach China.
Das Gleiche wiederholt sich jetzt zwischen China und Myanmar, mit dem gewichtigen Unterschied, dass der Umweltschutz in China von Xi Jinping verordnet wurde und dass die Volksrepublik die Weiterverarbeitung der Mineralien unter Kontrolle behält. „China verlagert die Arbeit nach Myanmar, weil es der chinesischen Regierung zu dreckig ist und sie die nicht mehr in China haben will“, sagt Umweltaktivist Seng Li, der früher selbst im Bergbau in Myanmar gearbeitet hat.
Das Dilemma des Westens in Myanmar
Für den Westen ist es ein Dilemma. Die Vereinigten Staaten und Europa wollen die Dominanz Chinas bei den Seltenen Erden brechen. Der direkteste Weg dorthin führt durch das Bürgerkriegsland Myanmar, aus dem rund die Hälfte der schweren Seltenen Erden am Weltmarkt stammt. Dort aber haben die chinesischen Unternehmen sich die Vorkommen gesichert. Auch deshalb sorgte es für Aufsehen, dass Trump am Freitag einige Sanktionen gegen Verbündete der Militärjunta lockerte.
Die chinesische Provinz Jiangxi war für den Abbau der Seltenen Erden jahrelang der perfekte Ort. Nicht nur, weil die Geologie in dem dicht bewaldeten, hügeligen Gebiet stimmt, sondern auch, weil hier niemand so genau hinschaute. Ausländer verirren sich kaum nach Jiangxi, westliche Journalisten noch seltener. Wer doch kommt, fällt auf. Aufmerksame Bürger und Hotels melden die Anwesenheit den Behörden. Der Korrespondent wird in Jiangxi zeitweise von einem Sicherheitsauto eines Minenbetreibers verfolgt. Gesprächspartner erhalten kurz nach dem Treffen Besuch von der Polizei.

Unter Präsident Xi Jinping will China die Umwelt schützen. 2019, im ersten Handelskrieg mit Trump, besuchte Xi die Region Jiangxi persönlich und mahnte strengeren Umweltschutz an. Auch wollte Peking den Wirtschaftszweig unter Kontrolle bringen, weil Marktdominanz sich nur dann wirksam als geopolitischer Hebel nutzen lässt. Schon vor ungefähr einem Jahrzehnt begannen die Behörden, hart gegen illegalen Abbau vorzugehen. Sie setzten Drohnen ein, um Minen aufzuspüren. Die verbliebenen Minen der staatlichen Konzerne halten die Umweltstandards strikter ein.
Umweltschutz in China, und Chinesen, die in Myanmar arbeiten
Als Erfolgsausweis präsentieren die Behörden heute Aufforstungsprojekte. An Orten, die auf alten Satellitenaufnahmen noch die Narben des Abbaus zeigen, stehen heute oft dichte Wälder. An einem Gebäude an einem Flussufer prangt in großen roten Lettern die Losung: „Beschützt den sauberen Fluss“. Inzwischen gebe es in den Flüssen wieder Fische, sagt die Frau mit dem verseuchten Brunnen. Kämpft man sich auf der Suche nach Minen über Waldwege, wähnt man sich fast in den Hügeln Süditaliens.
Kurz nach Xis Amtsantritt 2012, als China den Umweltschutz intensivierte, begann das Geschäft mit den Seltenen Erden in Myanmar zu erblühen. „Seit dem Jahr 2014 nimmt der Abbau zu“, sagt Li. Der Aktivist kommt aus Kachin-Staat, der Region im Norden von Myanmar direkt an der Grenze zu China, da, wo die Seltenen Erden gefördert werden.
In Jiangxi ist es kein Geheimnis, dass die Branche zusammen mit vielen Arbeitskräften nach Myanmar abgewandert ist. Frühere Schätzungen gingen von 16.000 Arbeitskräften aus, vor Ort setzt man den Wert doppelt so hoch an. „Rund 30.000 Chinesen aus der Gegend arbeiten nun in den Minen in Myanmar“, sagt Herr Chen, ein Unternehmer aus Jiangxi, der Anfang vierzig ist. Um die Gesprächspartner vor staatlicher Repression zu schützen, nennt die F.A.Z. ihre Vornamen nicht. „Die Minenbosse aus meiner Heimat sind jetzt in Myanmar, sie haben die Arbeiter mitgenommen“, berichtet ein Arbeiter namens Zhu. In Myanmar verdienten die Chinesen in den Minen 10.000 Yuan im Monat, rund 1200 Euro. In Jiangxi komme man nur auf 6000 Yuan, sagt Zhu. „Die meisten Mineneigentümer kommen aus der Stadt Ganzhou“, berichtet ein Lastwagenfahrer, der Seltene Erden aus Myanmar nach China transportiert. „Die technischen Angestellten sind alle aus Jiangxi.“
Der Dreck aus den Minen mit seltenen Erden
In Jiangxi und Myanmar geht es um die schweren Seltenen Erden. Während Chinas Dominanz bei den leichten Seltenen Erden weniger stark ist, findet die Weiterverarbeitung der schweren Seltenen Erden fast ausschließlich in China statt. Kaum ein Wirtschaftszweig kommt ohne schwere Seltene Erden aus. Die grüne Transformation treibt den Bedarf weiter nach oben. Aus metallischen Elementen wie Terbium und Dysprosium werden Permanentmagnete gebaut, die es für Windkraftanlagen oder Elektromotoren braucht. Minimal dünne Schichten und Beigaben von wenigen Gramm der Metalle helfen, um die Eigenschaften von Solarzellen oder Batterien zu verbessern. Auch in LED-Lampen oder Bildschirmen finden sich Seltene Erden.
Die Förderung der schweren Seltenen Erden ist dreckig. Oben am Berg wird Ammoniumsulfat durch Röhren in den Boden eingeleitet. Auf dem Weg bergab sammeln die Chemikalien die Seltenen Erden ein, bevor sie unten in den Teichen aufgefangen werden, deren Flüssigkeit im Sonnenlicht türkisfarben leuchtet. Wenn ein Berg leer ist, ist der nächste dran. Das Problem ist, dass nicht alle der Chemikalien wieder aufgefangen werden, sondern ein Teil auch in den Wasserströmen des Berges landet, schreibt die private Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisation Global Witness, die sich seit Langem mit der Situation in Myanmar beschäftigt. Aktivist Li schätzt die Zahl der Minenteiche in Kachin auf rund 6000. Satellitenbilder zeigen Dutzende der Teiche wenige Hundert Meter von der Grenze zu China entfernt.
Minen mitten im Bürgerkriegsgebiet
„Sie verschmutzen die Flüsse, und das tötet die Fische“, sagt Aktivist Li. Früher hätten die Menschen in der Region chinesische Gewürze angebaut, um Geld zu verdienen. „Aber als die Minen gebaut wurden, wurde der Verkauf nach China verboten.“ Man sehe in der Region nun viele Haut- und Augenkrankheiten. „Es gibt viele Anzeichen dafür, dass die Arbeiter aus den Minen krank werden und schnell sterben.“ Die chinesischen Unternehmer aus Jiangxi breiteten sich in Kachin-Staat zu einer Zeit aus, als dort Milizen und Bürgerkrieg herrschten. Minenbetreiber und Milizen hätten Vereinbarungen getroffen, schrieb Global Witness im vergangenen Jahr. Das Risiko sei hoch, dass der Abbau der Seltenen Erden den Bürgerkrieg in der Region finanziere, der noch andauert. Die Organisation taxierte den Wert der Ausfuhr Seltener Erden umgerechnet auf 1,2 Milliarden Euro.
Inzwischen beherrscht die Kachin Independence Organisation weite Teile Kachins, doch befriedet ist die Region nicht. Die Unabhängigkeitsbewegung regiert die Region in staatsähnlichen Strukturen. Sie genießt nach Berichten breiten Rückhalt in der Bevölkerung und steht dem Westen näher, während Peking in Myanmar die Militärjunta stützt. China versucht offenbar, die Ausbreitung der Unabhängigkeitsbewegung zu stoppen. Im Mai habe sie der Organisation und ihrem bewaffneten Arm, der Kachin Independence Army (KIA), ein Ultimatum gestellt, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Sie solle die Versuche einstellen, die strategisch wichtige Stadt Bhamo einzunehmen, ansonsten werde China den Export der Seltenen Erden blockieren. Die KIA setzte die Angriffe aber fort, weil sie offenbar nicht glaubte, dass Peking es mit der Blockade wirklich ernst meine.
Der Bürgerkrieg habe die Arbeit in den Minen nicht gestoppt, sagt der Lastwagenfahrer, der nach eigenen Angaben seit sechs Jahren Seltene Erden aus Myanmar nach China fährt. „Der Krieg hat die Transportlinien nicht beeinflusst, und für uns ist es vergleichsweise sicher.“
Doch für Peking ist Unabhängigkeit enorm wichtig. Die eigene Abhängigkeit zu 50 Prozent von Seltenen Erden aus Myanmar passt nicht zur chinesischen Strategie. Vor drei Jahren teilten chinesische Staatskonzerne mit, dass sie in Seltene Erden in Laos investieren wollten, das in China hoch verschuldet ist. Chinesische Staatsmedien schrieben dazu, man wolle die Abhängigkeit von Myanmar senken. Dort beginnt der Kreislauf des umweltschädlichen Abbaus nun von Neuem. Im vergangenen Jahr zahlte ein chinesischer Minenbetreiber in Laos den Bewohnern eine Entschädigung, nachdem in der Region ein Fluss verseucht worden war.