Kriminelle Großfamilien: Migrationspolitik gilt auch nach innen

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Ende August feiert Angela Merkels Satz berühmter Satz „Wir schaffen das“ ein Jubiläum. Zehn Jahre liegt Merkels Sommerpressekonferenz dann zurück, mit der sie zu Beginn der Migrationskrise zu einer optimistischen Haltung aufrief. Der Satz war immer richtig und falsch zugleich: Richtig, weil kein Politiker mit Verantwortungsgefühl in einer schwierigen Situation Verunsicherung schaffen darf. Falsch, weil der Satz vielfach als Auf­forderung missverstanden wurde, über Probleme der Einwanderungsgesellschaft hinwegzusehen.

Ein Beispiel dafür ist die strafrecht­liche, polizeiliche und politische Aus­einandersetzung mit einer aus Syrien stammenden Großfamilie in Stuttgart. Die 15-köpfige Familie wanderte von 2015 an nach Deutschland ein – der kriminelle und politische Schaden, den vor allem die männlichen Familienmitglieder anrichteten, ist groß: Die Polizei hat 150 Straftaten in den Akten registriert, von dreizehn Kindern befinden sich derzeit fünf wegen schwerer Straftaten in Haft, es laufen weitere Ermittlungs­verfahren wegen Sozialbetrugs und wegen schwerer Körperverletzung.

Nachdem die baden-württembergische Mi­grationsministerin Marion Gentges kürzlich verkündet hatte, drei verurteilte Straftäter dieser Familie könnten „bestandskräftig ausgewiesen“ werden, war schnell die Forderung im Raum, diese müssten jetzt nach Syrien abgeschoben werden. Dafür gibt es in der Bevölkerung und auch unter den syrischstämmigen Einwanderern eine klare Mehrheit.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.


Die Debatte zeigt aber auch die Oberflächlichkeit, mit der in Deutschland diskutiert wird, als ob mit Zurückweisungen und Abschiebungen tatsächlich alle Probleme gelöst wären. Der Stuttgarter Fall zeigt nämlich, welche Handlungsdefizite es gibt: In Baden-Württemberg sollen Sonderstäbe seit 2019 gegen gewalttätige Ausländer, sofern sie nicht ausgewiesen werden können, „Sanktionsketten“ verhängen.

Das geschah unzureichend. Das städtische Jugendamt kannte die Probleme mit der syrischen Großfamilie seit 2016, das Ausländeramt seit 2021. Mindestens fünf Jahre wurde nicht entschlossen gehandelt.

Staatliches Handeln zu optimieren, ist anstrengend. Aber zum Beweis von Handlungsfähigkeit zum Beispiel eine gut integrierte jesidische Familie abzu­schie­ben, wie kürzlich geschehen, ist nichts anderes als Aktionismus.