Ist die CDU-Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig in der falschen Partei? „Die Frage kann man sich immer stellen“, sinnierte sie vor gut einem Jahr auf der Plattform X. Dort war sie danach gefragt worden, ob ihre Partei die richtige für sie sei angesichts der Tatsache, dass sie den Klimawandel für naturgegeben halte, nicht für menschengemacht, wie es die CDU sieht. Ludwig befand: „Offiziell bin ich Minderheit.“ Aber „auch hier“ werde man „früher oder später nicht an den Realitäten vorbei kommen“. Soll heißen: Ludwig geht davon aus, dass ihre Meinung Mehrheitsmeinung werde in ihrer Partei. So offenbar auch, wenn es um die Brandmauer zur AfD geht.
Zu diesem Thema soll Ludwig sich am Freitag bei einem Netzwerktreffen der rechtskonservativen ungarischen Denkfabrik Mathias Corvinus Collegium (MCC) in Ungarn geäußert haben. Die Brandenburgerin soll ausgeführt haben, in Westdeutschland gelte es als teuflisch, die Brandmauer zwischen AfD und CDU als Problem zu bezeichnen. Dies berichteten anwesende Journalisten. Schon im Januar, wenige Wochen vor der Bundestagswahl, zeigte Ludwig sich offen für eine Koalition zwischen Union und AfD auf Bundesebene. „Eine Brandmauer ist für mich zutiefst undemokratisch“, sagte sie damals. Wenn mehr als die Hälfte der Bürger Mitte-rechts wähle, müsse sich eine Mitte-rechts-Regierung zusammenfinden.
CDU-Fraktion distanziert sich von Ludwigs Auftritt
Im Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU, der jede Art der Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt, heißt es: „Jeder, der in der CDU für eine Annäherung oder gar Zusammenarbeit mit der AfD plädiert, muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die rechtsextremes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen bewusst duldet.“ Die Unionsfraktion im Bundestag distanzierte sich am Montag von Ludwigs Auftritt. Eine Fraktionssprecherin sagte dem „Tagesspiegel“, Ludwig habe nicht im Auftrag der Fraktion und ohne Wissen der Fraktionsführung teilgenommen. Der Unvereinbarkeitsbeschluss gelte. Daran seien alle CDU-Mitglieder gebunden.
Fotos von dem Netzwerktreffen zeigen Ludwig im Gespräch mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel; beide scheinen einander zugewandt, lachen. Am Wochenende verlinkte Ludwig einen Artikel des rechten Portals „Nius“, das kritische Kommentare zu dem „freundlichen Gespräch“ der Frauen als „Empörung im linken Milieu“ einordnete. Im Artikel wird Ludwig mit dem Kommentar zitiert, freier Meinungsaustausch sei ein zentrales Element einer demokratischen Gesellschaft, und es sei für sie selbstverständlich gewesen, sich mit verschiedensten Besuchern auszutauschen.
Potsdamer CDU erleichtert über Ludwigs Wechsel in die Bundespolitik
Allerdings ist Ludwig in der CDU dafür berüchtigt, den Austausch vor allem in eine Richtung zu intensivieren, nach rechts außen. So machte sie im vergangenen Jahr – noch als Landtagsabgeordnete in Potsdam – Schlagzeilen damit, dass sie zu einer Podiumsdiskussion einen Protagonisten der völkischen Anastasia-Bewegung eingeladen hatte. Diese wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Nach öffentlichem und auch CDU-internem Protest lud Ludwig den Mann wieder aus. Seine Nähe zur Anastasia-Bewegung sei ihr nicht bekannt gewesen. „Mit diesem Schritt distanziere ich mich klar von der Anastasia-Bewegung.“ Hier dürfte Ludwig ihre Vorliebe für den „freien Meinungsaustausch“ hintangestellt haben, um den Bruch mit ihrer Partei zu vermeiden.
Die ist von Ludwig einiges gewohnt; die Politikerin gilt seit vielen Jahren als rechts außen – was sie zunächst nicht am Aufstieg zur Landes- und Fraktionsvorsitzenden hinderte. Doch 2012 entzog die Fraktion ihr das Vertrauen, sie trat von beiden Ämtern zurück. Sie hatte ihre Partei im damals rot-rot regierten Landtag immer weiter isoliert. Auch Attacken auf Journalisten und Alleingänge sorgten für den Unmut ihrer Parteifreunde. Zuletzt hieß es aus Potsdamer CDU-Kreisen, man sei geradezu erleichtert, dass Ludwig nun in der Bundes- und nicht mehr in der Landespolitik unterwegs sei.
Auch im Koalitionsstreit um die Verfassungsrichterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zeigte Ludwig sich zuletzt nicht an Deeskalation interessiert. Ludwig, die den SPD-Fraktionsvorsitzenden auf X als „Mad Miersch“ betitelte, agitierte gegen die Richterkandidatin, der sie vor allem deren Einschätzungen zur Rechtmäßigkeit von Corona-Maßnahmen vorhält. Ludwig forderte auch, Brosius-Gersdorf solle ihr Amt am Lehrstuhl für öffentliches Recht der Universität Potsdam ruhen lassen, bevor nicht die auch von ihr, Ludwig, verbreiteten Plagiatsvorwürfe gegen sie ausgeräumt seien. Inzwischen prüft die Universität Plagiatsvorwürfe gegen Ludwig.