Welche Hebel hat Trump gegen Russland?

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Donald Trumps Ultimatum an Russland läuft Ende dieser Woche aus. Eigentlich sollte Moskau noch bis Anfang September Zeit haben, sich mit der Ukraine auf einen Waffenstillstand zu einigen. Doch Trump befand in der vergangenen Woche, es habe keinen Zweck zu warten. „Wir sehen einfach keine Fortschritte.“ Die verkürzte Frist war ein weiterer Beweis für seinen Kurswechsel im Ukrainekrieg und die wachsende Frustration mit Präsident Wladimir Putin. Doch die große Frage bleibt, ob der amerikanische Präsident im Falle eines Bruchs willens ist, diesmal wirklich gegen Russland vorzugehen – und welche Hebel er dafür in Betracht zieht.

Trumps enger Vertrauter und Sondergesandter Steve Witkoff soll am Mittwoch oder Donnerstag in letzter Minute noch einmal nach Moskau reisen. Man müsse zu einer Einigung kommen, die das Töten beende, sagte Trump, als er die Reise ankündigte. Sonst werde man Sanktionen verhängen. Dann schob der Präsident einen Halbsatz nach: Russland scheine aber „ziemlich gut darin, Sanktionen zu umgehen“. Das seien „gerissene Typen“.

So ähnlich hatte Trump es jüngst mehrfach formuliert: Man wisse nicht, wie effektiv Sanktionen oder Strafzölle sein, wie hart sie Moskau treffen würden. Eine Hintertür für den Präsidenten, der noch vor einem halben Jahr gesagt hatte, er werde als oberster „Dealmaker“ im direkten Gespräch mit Putin einen Frieden aushandeln? Witkoffs Reise, dieses Detail war Trump wichtig, kam offenbar auf Bitten Russlands zustande. Geheime Gespräche mit Moskau in der vergangenen Woche waren laut Außenminister Marco Rubio abermals ins Leere gelaufen.

Kiew hofft auf „starke Entscheidungen“

Fachleute sind sich einig, dass es für einen Waffenstillstand vor allem mehr Waffenlieferungen an die Ukraine und wirkungsvolle Wirtschaftssanktionen gegen Russland braucht. Auch der ukrainische Präsident Wolodmyr Selenskyj rief die westlichen Partner am Montag noch einmal zu entschlossenerem Vorgehen auf: Die Welt habe genug Einfluss, um den Krieg zu stoppen. Man verlasse sich auf „starke Entscheidungen“ der Vereinigten Staaten und Europas in Bezug auf Sekundärsanktionen gegen den Handel mit russischen Energieressourcen und gegen Moskaus Bankensektor. Trumps erste Drohung mit Sekundärsanktionen kam im April, blieb bislang jedoch ein Lippenbekenntnis.

In Washington will man das nicht als Schwäche verstanden wissen. Der amerikanische Präsident habe „viele Optionen“, um Druck auf Russland auszuüben, hob Außenminister Rubio jüngst hervor. Eine Sprecherin des Außenministeriums antwortete auf die Frage, was man tue, um von Moskau ernst genommen zu werden, Trump habe schon oft genug bewiesen, „dass man ihn besser ernst nimmt“.

Doch Trump, der im Wahlkampf noch gesagt hatte, er werde den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden, vollzog erst Mitte Juli eine öffentliche Kehrtwende in seiner Ukrainepolitik. Aus Moskau kommentierte man das Ultimatum mit den Worten, es seien in der Vergangenheit schon mehrere amerikanische Fristen ohne große Konsequenzen abgelaufen.

Sollte Washington nach Ablauf der Frist tatsächlich neue Sanktionen gegen Russland verhängen, wären es die ersten seit Trumps Amtsantritt im Januar. Moskau war im Frühjahr nicht unter den mehr als 180 Ländern, denen Trump neue Importzölle androhte – laut dem Weißen Haus, weil die bestehenden amerikanischen Sanktionen ohnehin schon „jeden sinnvollen Handel“ mit Moskau verhinderten. Später hieß es, man wolle die Verhandlungen auch nicht mit „einer neuen Sache“ vermischen; es handele sich um verschiedene Angelegenheiten.

Mehr Waffen für die Ukraine?

Im Zuge des Ultimatums drohte Trump Russland nun unter anderem mit Zöllen und Sekundärsanktionen. Ohne Einigung werde man Strafzölle von 100 Prozent gegen Länder verhängen, die russisches Öl, Gas und Uran beziehen, kündigte er an. Außerdem werde Washington Kiew mehr „erstklassige“ Waffen liefern, die von der NATO bezahlt würden. Dieser Zusatz war eine Geste an den isolationistischen Flügel der MAGA-Basis, der weiteres Engagement für die Ukraine ablehnt.

Für die Trump-Regierung gibt es keine einfache Antwort darauf, wie Russland am besten zu bestrafen ist. Hohe Zölle auf Importe in die Vereinigten Staaten könnten nicht nur deswegen ins Leere laufen, weil das Land seit Kriegsbeginn ein System entwickelt hat, um westliche Sanktionen zu umgehen.

Die Auswirkungen auf die russische Wirtschaft dürften ohnehin gering sein: Das Handelsvolumen beider Länder, das vor dem Krieg bei rund 36 Milliarden Dollar pro Jahr lag, beträgt heute weniger als ein Zehntel. Dabei importiert Amerika wesentlich mehr aus Russland als umgekehrt – unter anderem Dünger im Wert von mehr als einer Milliarde Dollar, auf den viele amerikanische Landwirte dringend angewiesen sind.

Entschieden mehr schaden dürften Moskau die angekündigten Strafzölle, die auf den für die russische Wirtschaft wichtigen Energiesektor und seine Kunden zielen und damit vor allem China, Indien und die Türkei träfen. In einem ersten Schritt drohte der amerikanische Präsident Indien am Sonntag mit „erheblich höheren“ Zöllen als den jüngst verhängten 25 Prozent, weil das Land russisches Öl in „riesigen Mengen“ kaufe und mit hohen Gewinnen weiterverkaufe. Indien sei es „egal, wie viele Menschen in der Ukraine durch die russische Kriegsmaschinerie getötet werden“, behauptete Trump, nannte aber keine konkrete Zahl für die neuen Zölle.

Stephen Miller, einer der engsten Berater Trumps, verteidigte dessen Vorgehen. Indiens Verhalten sei inakzeptabel, sagte er in einem Interview, hob jedoch hervor, das Verhältnis des Präsidenten zum indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi sei nach wie vor „hervorragend“. In Zeiten der Herausforderung durch China sehen die Vereinigten Staaten Indien als wichtigen Partner in Asien.

Ein vollständiges Zerwürfnis über Russland wäre nicht im Interesse der Amerikaner. Das gilt auch für den wichtigen Handelspartner China und den NATO-Partner Türkei. Zumal da die Befürchtung besteht, heftige Sekundärsanktionen gegen Russlands Energiesektor könnten die globalen Ölpreise in die Höhe treiben.

Trumps Unentschiedenheit im Vorgehen gegen Russland zeigte sich zuletzt darin, dass er einen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf des Kongresses ablehnte, der die bislang extremsten Sanktionen gegen Russland und seine wichtigsten Handelspartner vorsah. Der Entwurf stellt amerikanische Sanktionen in Aussicht, sollte Russland sich Friedensverhandlungen entgegenstellen oder eine getroffene Vereinbarung brechen. In diesen Fällen müsse der Präsident Strafzölle in Höhe von 500 Prozent gegen Länder verhängen, „die wissentlich am Handel mit Uran und Erdölprodukten russischer Herkunft“ beteiligt seien. Dasselbe soll für russische Importe in die Vereinigten Staaten gelten.

Eigentlich wollten die Russland-Falken im Senat den Entwurf vor der einen Monat langen Sommerpause verabschieden. Dazu kam es aber nicht, man hielt sich im Sinne Trumps zurück. Der republikanische Senator Lindsey Graham, der sich noch im Frühjahr an der Seite Trumps gegen den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gestellt hatte, beschwichtigte jedoch.

Trump habe die Argumentationslinie, dass man Bezieher russischen Erdöls bestrafen müsse, grundsätzlich übernommen. Der Gesetzentwurf gebe dem Präsidenten ein zusätzliches Druckmittel an die Hand, doch am Ende könne er die Sanktionen auch per Erlass ins Werk setzen. Man führe zu diesem Thema „gute Gespräche“ mit Trump. Dem bleiben nur jedoch nur noch wenige Tage, bis sein selbst gesetztes Ultimatum ausläuft.