Trump und Bolsonaro: Der Notfallplan für Brasiliens Zollopfer

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Brasilien hat keinen Weg gefunden, um den Strafzöllen von 50 Prozent auf seine Exporte in die Vereinigten Staaten zu entgehen. Brasilia hat mit seinen Verhandlungsangeboten in Washington auf Granit gebissen. Eine sofortige Neuverhandlung sei ausgeschlossen, ließ der US-Handelsbeauftragte Jamieson Greer am Sonntag durchblicken. Das hat auch damit zu tun, dass die Zölle im Falle Brasiliens eine starke politische Komponente haben. Der amerikanische Präsident Donald Trump fordert ein Ende dessen, was er eine „Hexenjagd“ gegen seinen früheren brasilianischen Amtskollegen Jair Bolsonaro nennt.

Bolsonaro ist wegen versuchten Staatsstreiches angeklagt und wurde am Montag vom obersten Gerichtshof unter Hausarrest gestellt. Der zuständige Richter Alexandre de Moraes ordnete zudem die Beschlagnahmung sämtlicher Mobiltelefone Bolsonaros an.

Grund sind Verstöße gegen zuvor verhängte Auflagen, die Bolsonaro untersagten, sich über soziale Netzwerke oder durch Dritte politisch zu äußern. Bolsonaro hatte am Sonntag indirekt an regierungskritischen Demonstrationen am Sonntag in Rio de Janeiro und São Paulo teilgenommen.

Keine Ausnahme für Kaffee

Wirtschaftliche Gründe für derart hohe amerikanische Zölle gibt es kaum, allein schon deshalb, weil die Vereinigten Staaten im Handel mit Brasilien seit mehr als einem Jahrzehnt einen Überschuss von mehreren Milliarden Dollar verzeichnen. 7,4 Milliarden Dollar waren es im vergangenen Jahr. Insgesamt belief sich der Handel zwischen den beiden Ländern auf rund 92 Milliarden Dollar, wobei die Exporte in die Vereinigten Staaten rund 12 Prozent der brasilianischen Gesamtexporte ausmachten.

Die amerikanischen Zölle, die an diesem Mittwoch in Kraft treten, werden die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas, aber auch die Vereinigten Staaten finanziell hart treffen. Neben Agrarprodukten, verschiedenen Rohstoffen aus dem Bergbau und Energieprodukten exportiert Brasilien auch Eisen und Stahl, Flugzeuge und Maschinen in die Vereinigten Staaten. Bei vielen Exporten handelt es sich um Vorprodukte, die amerikanische Unternehmen für ihre Produktion benötigen. Einige dieser brasilianischen Exporte, wie Stahl und Aluminium, unterliegen bereits seit Anfang des Jahres erhöhten Zölle.

Das Weiße Haus war vergangene Woche etwas zurückgerudert und hatte eine Liste mit mehreren Hundert Produkten – darunter Orangensaft und Zellulose – veröffentlicht, für die der Strafzoll bei den bisherigen zehn Prozent verharren soll. Auch der brasilianische Flugzeugbauer Embraer ist ausgenommen. Der Strafzoll sinkt dadurch über die gesamten Exporte gerechnet auf rund 32 Prozent. Keine Ausnahme gibt es hingegen für so wichtige brasilianische Exportprodukte wie Rindfleisch oder Kaffee.

USA wichtiger Markt für Fleischverarbeiter

Die brasilianische Regierung hat in den vergangenen Tagen deutlich gemacht, dass sie zu Verhandlungen über die Handelsbeziehungen bereit ist. Eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten duldet Brasilia jedoch nicht. Trotz harscher Kritik seitens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der den Disput mit Trump erfolgreich dazu nutzt, die Reihen mit der politischen Mitte zu schließen, und sich im Umfragehoch befindet, hat Brasilia signalisiert, auf Gegenmaßnahmen in Form von Zöllen auf amerikanische Importe zu verzichten – vorerst zumindest. Brasilia will einen Preisanstieg und damit zusätzlichen Inflationsdruck vermeiden. Die Importe aus den Vereinigten Staaten machen rund 16 Prozent der Gesamtimporte aus.

Die wirtschaftlichen Sorgen in Brasilien halten sich ohnehin in Grenzen. Die Wirtschaft ist stärker vom Binnenmark abhängig als von den Exporten, die etwa ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen. Gleichzeitig sind die Vereinigten Staaten zwar ein wichtiger Handelspartner. Doch ist die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas nicht so stark an den amerikanischen Markt gebunden wie andere Länder der Region, wodurch es in der Lage ist, die Zölle besser zu bewältigen als beispielsweise Mexiko. Brasilien schaut sich bereits nach alternativen Handelspartnern mit Wachstumspotenzial wie Indien um. Hoffnungen setzt Brasilien auch in das lange geplante, aber immer noch nicht umgesetzte Freihandelsabkommen zwischen der EU und der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur.

Dennoch stehen einige wichtige Wirtschaftssektoren durch die Zölle vor Herausforderungen, allen voran die brasilianischen Viehzüchter und Fleischverarbeiter. Die Vereinigten Staaten sind ihr zweitwichtigster Markt. Das Geschäft ist außerdem sehr profitabel und kann durch den Verkauf in andere Länder oder im Inland nicht wettgemacht werden – schon gar nicht, wenn ein Überangebot entsteht. Weniger dramatisch dürfte es für die Kaffeeproduzenten werden, die aufgrund des derzeit knappen Angebots leichter neue Absatzmärkte finden dürften. In den Vereinigen Staaten dürften sich die Zölle eher bemerkbar machen, denn sie decken 30 Prozent ihres Kaffeebedarfs mit Importen aus Brasilien, dem weltgrößten Kaffeeexporteur.

Digitales Bezahlsystem ist Trump ein Dorn im Auge

Die politisch aufgeladene Situation lässt nicht viel Hoffnung auf baldige Verhandlungen zwischen Washington und Brasilia, wenngleich Trump nach anfänglichem Zögern sagte, dass Lula ihn jederzeit anrufen könne. Die brasilianische Regierung lässt jedoch Vorsicht walten, da sie eine Vermischung von wirtschaftlichen und politischen Themen vermeiden möchte. Zunächst setzt die brasilianische Regierung auf einen Notfallplan für die betroffenen Sektoren. Das Hilfspaket, das sie ausgearbeitet hat, soll laut Quellen eine große Unterstützungslinie der Brasilianischen Entwicklungsbank BNDES für besteuerte Unternehmen enthalten. Auch Steuererleichterungen sind ein Thema, wobei darüber innerhalb der Regierung Uneinigkeit besteht. Spätestens am Mittwoch will Präsident Lula den Plan vorstellen.

Noch in dieser Woche könnte es auch zu einem Treffen zwischen den beiden Finanzministern kommen. Es dürfte unter anderem um Abschnitt 301 des Trade Act von 1974 zur Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken gehen. Auch gegen Brasilien läuft eine Untersuchung. Washington klagt über die Regulierung von Big Techs, wirft dem Land die Gewährung von Vorzugszöllen für Indien oder Mexiko sowie angebliche Versäumnisse in der Korruptionsbekämpfung vor. Selbst das kostenlose digitale Sofortbezahlsystem Pix der brasilianischen Zentralbank ist Trump ein Dorn im Auge. Pix ist in Brasilien innerhalb von fünf Jahren so populär geworden, dass es Kreditkarten zusehends verdrängt. Finanzminister Fernando Haddad sagte am Montag, er sehe gute Chancen auf eine Vereinbarung mit den Vereinigten Staaten im Bereich der seltenen Erden – ein Thema, das Trump ebenfalls sehr am Herzen liegt. In Sachen Bolsonaro-Prozess werden sich die beiden Seiten wohl kaum einig, zumal der Prozess keine Angelegenheit der brasilianischen Regierung ist, sondern der Justiz.