Auch in Deutschland soll es künftig möglich sein, Kohlenstoffdioxid (CO2) im industriellen Maßstab für kommerzielle Zwecke abzuscheiden, zu transportieren, unterirdisch zu speichern und zu verwenden. Diese Techniken werden Carbon Capture and Storage (CCS) sowie Carbon Capture and Utilisation (CCU) genannt. Das Bundeskabinett will dazu an diesem Mittwoch den von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) eingebrachten Entwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes beschließen, wie am Dienstag in Berlin verlautete. Die Regelung heißt nach der Erweiterung ihres Anwendungsfeldes künftig „Gesetz zur dauerhaften Speicherung und zum Transport von Kohlendioxid“ (KSpTG). Der Entwurf liegt der F.A.Z. vor.
Reiches Vorgänger Robert Habeck (Grüne) hatte einen ähnlichen Vorstoß zu einer Carbon-Management-Strategie schon seiner Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP vorgelegt, die Novelle war dann aber im Bundestag an den eigenen Regierungsfraktionen von SPD und Grünen gescheitert. Die Uneinigkeit bestand darin, dass die Neuregelung die CCS- und CCU-Techniken nicht nur für unvermeidbare CO2-Emissionen öffnen wollte – etwa in der Zementherstellung –, sondern auch für Gaskraftwerke und für die Herstellung „blauen“ Wasserstoffs aus Erdgas.
Keine Abscheidung von CO2 aus Kohlekraft- und Heizwerken
Ohne dass diese Verfahren explizit genannt sind, lässt auch Reiches Vorschlag sie zu. „Negative Emissionen“ sind ebenfalls möglich, das Herausziehen von CO2 aus der Luft. Ausgeschlossen wird allerdings die Abscheidung in der Kohleverstromung. „Durch ein Verbot der Nutzung von Kohlendioxidleitungen […] wird der Einsatz von CCS und CCU in Verbindung mit Kohlekraft- und Heizwerken faktisch ausgeschlossen“, heißt es in der Vorlage. „Durch die Regelung wird sichergestellt, dass das Ziel des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes [für den Kohleausstieg bis 2038] nicht durch den Einsatz von CCS und CCU tangiert oder hinausgezögert wird.“
Die Technik sei zwar stark verbessert worden, doch könnten nur bis zu 95 Prozent der Emissionen eingefangen werden, der Rest entweiche in die Atmosphäre: „CCS und CCU sollen auch vor diesem Hintergrund nicht als Anreiz für die Energieerzeugung durch die Verbrennung von Kohle dienen.“ Genau diesen Vorwurf erheben Umweltorganisationen wie der WWF gegenüber der CCS-Nutzung bei Erdgas: Diese perpetuiere das fossile Zeitalter.
Reiches Entwurf bekennt sich allerdings ausdrücklich zum Klimaschutz. „Dem Ausbau erneuerbarer Energien und dem Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft [muss] Priorität eingeräumt werden […], da nur durch die Elektrifizierung von Produktionsprozessen und den Einsatz von nachhaltig erzeugtem Wasserstoff der Ausstoß von CO2 nachhaltig verringert werden kann.“ Klar sei aber auch: „Für die Erreichung der Klimaziele ist ein Instrumentenmix erforderlich, der auch den Einsatz von CCS und CCU beinhaltet.“ Die CO2-Verpressung ist im Meer außerhalb der Küsten vorgesehen. Nur auf Antrag der Bundesländer kann sie an Land erfolgen.