Der 6. August 1945 hat die Welt verändert. Der Atombombenabwurf der Amerikaner über der japanischen Großstadt Hiroshima riss Zehntausende Menschen sofort in den Tod. Bis Ende 1945 waren geschätzt 140.000 den Folgen des Angriffs erlegen, viele weitere starben noch Jahre später an der radioaktiven Strahlung. Die vom Bomber „Enola Gay“ aus fast zehntausend Meter Höhe abgeworfene Bombe „Little Boy“ explodierte in rund 600 Meter Höhe über dem Stadtzentrum und entfaltete eine Sprengwirkung von etwa 15 Kilotonnen TNT. Die Temperatur am Boden stieg innerhalb kürzester Zeit auf mehrere Tausend Grad, ein Großteil der Innenstadt war innerhalb von Sekunden zerstört; heutige Atombomben haben ein Vielfaches dieser Zerstörungskraft. Der erste Einsatz einer Nuklearwaffe unter US-Präsident Harry S. Truman vor 80 Jahren zum Ende des Zweiten Weltkriegs war nicht nur eine menschliche Tragödie, sondern prägt das sicherheitspolitische Denken bis heute.
Die USA wollten mit dem Atombombenabwurf über Hiroshima und wenige Tage später über Nagasaki eine Kapitulation Japans erzwingen, auch um eine verlustreiche Invasion auf den japanischen Hauptinseln zu vermeiden. Sie wählten Hiroshima als Ziel, weil dort das Hauptquartier der 2. Japanischen Hauptarmee stationiert war und in der Stadt kriegswichtige Güter gelagert wurden. Bis heute ist der militärische Sinn des Angriffs umstritten, da Japans Streitkräfte schon erheblich geschwächt waren. Wenige Tage nach dem Nuklearschlag auf Nagasaki verkündete Kaiser Hirohito am 15. August 1945 die bedingungslose Kapitulation Japans.
Auf den Kernwaffeneinsatz gegen Hiroshima folgte ein zunächst ungezügeltes nukleares Wettrüsten zwischen den USA und der Sowjetunion. Seit Anfang der siebziger Jahre vereinbarten beide Seiten dann bilaterale Rüstungskontrollabkommen. Wenngleich die Zahl der Atomwaffen seit Jahrzehnten zurückgeht, sind die meisten Abrüstungsabkommen inzwischen erodiert. Der letzte verbliebene Vertrag zwischen Moskau und Washington ist New Start aus dem Jahr 2010, der den Staaten eine Verringerung ihrer nuklearen Sprengköpfe auf je 1550 vorschreibt. 2023 setzte Russland das Abkommen aus. Präsident Wladimir Putin gab als Vorwand dafür an, dass Paris und London ihr Nuklearwaffenarsenal weiterentwickelten. 2026 läuft der Vertrag formal aus – ein Nachfolgeabkommen erscheint derzeit unwahrscheinlich.
Welche Auswirkungen Hiroshima und Nagasaki bis heute haben
Heute verfügen neun Staaten über Nuklearwaffen. Die durch den Nichtverbreitungsvertrag anerkannten „offiziellen“ Besitzer sind die USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und China. Hinzu kommen Israel, Pakistan und Indien, die dem Vertrag nicht beigetreten sind, sowie Nordkorea, das 2003 den endgültigen Austritt verkündete. Nach Angaben des Friedensforschungsinstituts Sipri haben 2024 alle neun Staaten ihr Kernwaffenprogramm modernisiert, einige sogar neue Waffensysteme entwickelt.
Sipri schätzte die Gesamtzahl der nuklearen Sprengköpfe auf rund 12.200. Davon entfielen 90 Prozent auf die USA und Russland. Gut 9600 davon seien für einen potentiellen Einsatz vorgesehen, 2100 würden in „hoher Alarmbereitschaft“ auf ballistischen Raketen bereitgehalten. Die USA und Russland verfügen über die größte Zweitschlagfähigkeit. Mit der sogenannten nuklearen Triade – Sprengköpfe, die von See, Luft oder Land eingesetzt werden – könnten die Atommächte mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nach einem Nuklearangriff gegen sie zurückschlagen.

Obwohl nach Hiroshima und Nagasaki nie wieder Atomwaffen eingesetzt wurden, spielen sie in aktuellen Konflikten eine strategische Rolle. Im Krieg gegen die Ukraine zeigt Russland immer nukleare Drohgebärden. Die Angriffe Israels und Amerikas auf Iran wurden mit Teherans Streben nach Kernwaffen begründet. Und im jüngsten Konflikt zwischen Indien und Pakistan bestand Sorge vor einer nuklearen Eskalation. Angesichts der Bedrohung durch Russland und der Wankelmütigkeit des US-Präsidenten steht das Thema auch wieder auf der europäischen Agenda. Bundeskanzler Friedrich Merz zeigte sich offen, den amerikanischen Atomschutzschirm durch einen europäischen zu „ergänzen“. Präsident Emmanuel Macron erwägt, französische Nuklearwaffen europäischen Partnern zu Abschreckungszwecken anzubieten, „ähnlich, wie es die Amerikaner tun“. Paris und London vereinbarten zudem kürzlich, ihre nukleare Abschreckung enger zu koordinieren.
Das gefährdete Gleichgewicht des Schreckens
Donald Trump wiederum treibt einen umfassenden Abwehrschirm über den USA voran. Der „Golden Dome“ soll das Land vor Angriffen aus Russland, Nordkorea oder China schützen. Es knüpft an das gescheiterte „Star Wars“-Programm von Ronald Reagan an: Im Orbit stationierte Laser sollten sowjetische Interkontinentalraketen abfangen können. „Wir werden die Arbeit, die Präsident Reagan vor 40 Jahren begonnen hat, zu Ende führen“, sagte Trump. Peking und Moskau werfen Washington vor, damit das nukleare Gleichgewicht zu gefährden.
Der Kalte Krieg prägte das Prinzip des „Gleichgewicht des Schreckens“. Demnach werden Atommächte gegenseitig von Angriffen abgehalten, weil ihnen sonst die Vernichtung durch einen nuklearen Gegenschlag droht. Der ABM-Vertrag von 1972, der eine Begrenzung von Abwehrsystemen zwischen Washington und Moskau vorsah, sollte dieses Gleichgewicht sicherstellen. Die USA kündigten das Abkommen 2001 einseitig auf.
„Mein Gott, was haben wir getan“
Das Forschungsinstitut Sipri nimmt an, dass Moskau und Washington ab 2026 nuklear aufrüsten, sollte es keine neue Rüstungsvereinbarung geben. „Die Ära der Verringerung der Zahl der Atomwaffen in der Welt, die seit dem Ende des Kalten Krieges andauerte, geht zu Ende“, sagte Sipri-Forscher Hans Kristensen.
Der Kopilot der „Enola Gay“, Robert Lewis, erlebte den Einstieg in das Zeitalter der Nuklearwaffen vor 80 Jahren in knapp zehn Kilometer Höhe mit. Nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima schrieb er in sein Logbuch: „Mein Gott, was haben wir getan.“