Welche Folgen haben Genderklischees bei Kinderspielzeug?

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Weihnachtsgeschenke

Welche Folgen haben Genderklischees bei Kinderspielzeug?

Aktualisiert am 05.12.2024 – 04:00 UhrLesedauer: 4 Min.

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Häufig sind es die Eltern, die das Spielzeug aussuchen und so Kinder früh prägen. (Symbolbild) (Quelle: Hendrik Schmidt/dpa/dpa-bilder)

Der Sohn bekommt Spielzeugautos zu Weihnachten, die Tochter Puppen. Muss das wirklich immer so sein? Expertinnen erklären, welche Folgen das später einmal haben kann – auch für den Arbeitsmarkt.

Die Weihnachtszeit ist in vollem Gange. Gerade für Eltern heißt das: Geschenke kaufen. Doch müssen sich die Einkäufe für die Kinder – so wie es durch Marketing häufig nahegelegt wird – wirklich immer an den Geschlechterstereotypen orientieren? Oder sollte auch mal die Tochter einen Fußball oder der Sohn eine Puppe bekommen? Und was wollen die Kinder selbst?

Laut Doris Holzberger, Professorin für Psychologie des Lehren und Lernens an der Technischen Universität München, sind es weniger die Kinder, sondern besonders die Eltern, die das Spielzeug aussuchen. “Sie greifen dabei oft – bewusst oder unbewusst – auf die Geschlechterstereotype zurück, die sie selbst seit der Kindheit gelernt und verinnerlicht haben”, erklärt Holzberger im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

So bildeten Kinder von klein auf bestimmte Interessen stärker aus und verinnerlichten Rollenklischees mit der Zeit selbst. Unternehmen sprängen dann aus ökonomischem Interesse immer wieder auf den Zug auf und gestalteten Kampagnen, die die Stereotype weiter befeuern. “So werden Rollenklischees immer weitergetragen und es ist gar nicht so einfach, sie aufzubrechen.”

Die Bildungsforscherin erklärt zudem, wie das Spielzeug die klassischen Rollenbilder langfristig stärkt: Spielzeug wecke das Interesse für bestimmte Themen. “Stehen Kindern also nur geschlechtertypische Spielzeuge zur Verfügung, lernen sie damit, althergebrachte Geschlechterrollen zu verinnerlichen und entwickeln auch entsprechende Fähigkeiten und Interessen.”

So sei es bei Jungen, die nur mit Technik- oder Konstruktionsspielzeug spielen, wahrscheinlicher, dass sie ein Interesse für technische und naturwissenschaftliche Fächer sowie mehr Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten entwickeln. “Sie sind weniger ängstlich, haben eine höhere Selbstwirksamkeit und eine innere Motivation, erfolgreich in naturwissenschaftlichen Fächern zu sein.”

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Ein Fußball und die Farbe Blau: klassisches Spielzeug für Jungen – oder? (Symbolbild) (Quelle: Christoph Soeder/dpa/dpa-bilder)

Mädchen dagegen, die nur mit geschlechtertypisch weiblichem Spielzeug spielen, fehle diese Erfahrung, sodass sie in diesen Bereichen dann womöglich weniger Interesse haben und sich selbst als weniger kompetent wahrnehmen. “Sie verbinden dann eher negative Emotionen wie Angst mit Fächern wie Mathe oder Physik und schreiben diesen Fächern außerdem einen niedrigeren Wert zu”, sagt Holzberger.

Autorin und Journalistin Almut Schnerring hat sich unter anderem für ihr Buch “Die Rosa-Hellblau-Falle” mit dem Thema Rollenklischees in der Kindheit auseinandergesetzt – und deren Verbreitung nachgewiesen. Sie kritisiert, dass Unternehmen diese Geschlechterstereotype beim Kinderspielzeug bewusst bedienen.

“Firmen setzen auf Gendermarketing, weil sie sich eine Umsatzsteigerung erhoffen, und aktuell klappt das auch noch: Trotz sinkender Geburtenraten nimmt der Umsatz in der Spielwarenbranche zu.” Haben Eltern beispielsweise einen Sohn und eine Tochter, wird Spielzeug häufig neu gekauft statt weitergegeben.

Schnerring warnt obendrein: “Gendermarketing zieht die Normen enger und vermittelt vielen Kindern, falsch zu sein. Es kommt jenen entgegen, die der Norm entsprechen, aber wer tut das schon in allen Bereichen?” Das Gendermarketing untergrabe daher die Individualität der Kinder sowie deren Chancen, sich frei zu entwickeln – und damit Kinderrechte.

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Firmen setzen auf Gendermarketing. So können mehr Produkte verkaufen. (Symbolbild) (Quelle: Hendrik Schmidt/dpa/dpa-bilder)

Das genderstereotypische Marketing belege letztlich, dass die Geschlechterrollen eben nicht natürlich gegeben seien. “Denn wenn es in der Natur läge, dass Mädchen Puppen wollen und Jungen Bagger, dann muss die Frage erlaubt sein, wozu die Spielzeugindustrie so immense Summen investiert, um ihre Produkte nach Geschlecht zu labeln und mit Herzchen oder Blitzen zu markieren”, merkt Schnerring an.

Die Kinder, die sich für Spielzeug oder Kleidung entscheiden, das nicht ihrem biologischen Geschlecht entspricht, merken laut der Autorin schnell, dass diese Wahl nicht in die Normen der Erwachsenen passt. “Gendermarketing zieht einen Graben zwischen Kinder und produziert Unterschiede, wo Kinder keine machen würden.”