In Genf wird über ein Plastikabkommen verhandelt. Dabei geht es unter anderem um die Reduzierung von Mikroplastik. Forschende in Brandenburg arbeiten mit plastikfressenden Pilzen – können sie eine Lösung sein?
Fast jede und jeder von uns erzeugt Mikroplastik, zum Beispiel beim Waschen von Textilien. Der Flausch im Sieb des Wäschetrockners ist nichts anderes als Mikroplastik – jedenfalls wenn Kunstfaser- oder Mischgewebe in der Wäsche waren.
Auch alle Autos sind Mikroplastik-Emittenten, die großen schweren SUVs und E-Autos umso mehr. Der Abrieb von Reifengummi ist eine der größten Quellen für Mikroplastik. Es ist so winzig und leicht, dass es sich mittlerweile überall verbreitet – selbst im Boden, in Meeren, Flüssen und Seen.
Problemfall Plastik
Was meist Plastik genannt wird, sind für die Fachwelt Kunststoffe, meist Polymere. Es handelt sich um komplexe Moleküle aus Kohlenstoffatomen, die entweder in einer Reihe aneinanderhängen oder eine Ringstruktur bilden. Die Bindungen zwischen den Kohlenstoffatomen sind in der Regel sehr stabil. Deshalb verwittert Plastik kaum, oft nicht mal nach Jahrzehnten.
Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei liegt direkt am Stechlinsee in Brandenburg. Hier erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Möglichkeiten, wie die unerwünschten Kunststoffe abgebaut werden können.
Im Laborkühlschrank leuchten Petrischalen in verschiedenen Farben – unterschiedliche Pilzkulturen, mit denen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erfolgreich Plastik zersetzen. Die Experimente sind ein neuer Ansatz gegen die Mikroplastikverschmutzung der Umwelt.
Plastikfressende Pilze entdeckt
Biologe Hans-Peter Grossart leitet die Forschungsgruppe “Aquatische mikrobielle Ökologie”. Sein Team hat eine ganze Reihe von Pilzen gefunden, die das Potenzial haben Plastik abzubauen. “Das Neue war, dass sie das tatsächlich ganz ohne andere Kohlenstoffquellen machen”, erklärt der Professor. Es muss kein Zucker als Energiequelle zugegeben werden. Auch müssen die Polymere nicht vorbehandelt werden.
Vier sehr häufige Pilzstämme – Fusarium, Penicillium, Botryotinia und Trichoderma – seien in der Lage, Kunststoffoberflächen zu besiedeln, sagen die Forscher. Die Pilze würden die stabilen Verbindungen zwischen den Kohlenstoffatomen aufbrechen, mit speziellen Enzymen. So wird der Kunststoff für die Pilze zur Nahrungsquelle.
Bisher funktioniert der Kunststoffabbau im Labor. Ein großtechnisches Verfahren für eine breite Anwendung müsste entwickelt werden.
Reines Plastik ist selten
Ist das die perfekte Lösung für das weltweite Plastikproblem? Nicht ganz, denn: Viele Kunststoffe sind mit anderen, teils giftigen, Stoffen vermischt. Reifenabrieb etwa gilt als Schleuder für verschmutztes Mikroplastik, da Reifen aus einem Materialmix hergestellt werden, zu dem oft auch Schwermetalle gehören.
Sind den Kunststoffen toxische Substanzen beigemischt, seien sie auch dann nicht weg, wenn das Plastik von Pilzen verstoffwechselt wird. Die toxischen Substanzen blieben entweder direkt in der Umwelt oder sie werden vom Pilz aufgenommen, erklärt Grossart. Dann seien sie in der Pilzbiomasse.
Es gibt außerdem zu viele unterschiedliche Kunststoffe. Deshalb werden die Pilze das globale Plastikproblem nicht lösen können. Zumal sie beim Stoffwechsel auch noch Treibhausgase freisetzen: “Plastik wird aus Erdöl generiert und damit hat man natürlich fossilen Kohlenstoff, der durch diese Organismen abgebaut und letztendlich als CO2 freigesetzt wird”, so Grossart. “Damit heize ich dann im Prinzip auch das Klima wieder an.”