Spionage-Vorwürfe: Iran richtet Atomwissenschaftler hin

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Iran hat einen Atomwissenschaftler wegen angeblicher Spionage für den israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad hingerichtet. Laut der Nachrichtenagentur der Justizbehörde, Mizan, soll Rouzbeh Wadi Informationen über einen Kollegen weitergegeben haben, der während des jüngsten Zwölf-Tage-Krieges von Israel getötet wurde. Zudem soll er über eine sichere Leitung wöchentliche Updates an den Mossad geschickt haben, darunter als geheim eingestufte Informationen über eine Atomanlage, die im Juni von Israel angegriffen wurde. Einer der von Israel getöteten Wissenschaftler hatte 2011 gemeinsam mit Wadi eine Studie veröffentlicht.

Zunächst hatte Mizan am Mittwochmorgen berichtet, dass ein Mann gehängt worden sei, der „in wichtigen und sensiblen Organisationen“ gearbeitet habe. Am Abend zeigte das Staatsfernsehen einen ausführlichen Bericht, in dem Wadi mit einem vermeintlichen „Geständnis“ vorgeführt wird. Laut der Justizbehörde soll der Mossad ihn über das Internet angeworben haben. Später soll er sich fünfmal mit israelischen Agenten in Wien getroffen haben, wohin er zuvor mehrfach zu wissenschaftlichen Fortbildungen gereist sei. Vom Mossad sei er psychologischen Tests und einem Lügendetektortest unterzogen worden, um seine Glaubwürdigkeit zu prüfen. Anschließend habe der Geheimdienst Wadi geschult und ihn monatlich per Kryptowährung bezahlt.

Wissenschaftler wohl lange vor dem Krieg festgenommen

Die Justizbehörde teilte nicht mit, seit wann Wadi sich in Haft befand. Laut der in Oslo ansässigen Organisation Iran Human Rights wurde er bereits vor 18 Monaten, also lange vor dem Israel-Iran-Krieg festgenommen. Seit Beginn des Krieges hat Iran demonstrativ sein Vorgehen gegen angebliche Spione intensiviert. Nach offiziellen Angaben wurden seither 700 Personen wegen angeblicher Spionage oder Kooperation mit Israel festgenommen. Acht Personen wurden demnach wegen solcher Vorwürfe gehängt, unter anderem wegen dem mutmaßlichen Schmuggel von Sprengsätzen und dem Zusammenbau von Drohnenteilen. Wadi ist, soweit bekannt, seit Langem die erste hingerichtete Person mit Zugriff auf interne Dokumente des Atomprogramms. Zuletzt war 2023 der frühere Verteidigungsminister Alireza Akbari gehängt worden.

In einem Telegram-Kanal von Studenten der Amir Kabir Universität, an der Wadi promoviert hat, heißt es, er sei Mitglied des Forschungsinstituts für Atomwissenschaft und -technologie gewesen, das der iranischen Atomenergiebehörde untersteht. In dem Telegram-Kanal wird auch auf das Papier hingewiesen, das Wadi 2011 gemeinsam mit Abdolhamid Minouchehr und Ahmadreza Zolfaghari veröffentlicht hat. Beide wurden zu Beginn des Krieges durch Attentate getötet. Beide waren außerdem zwischenzeitlich Leiter der Fakultät für Nuklearingenieurwesen an der Beheschti-Universität. Die anonymen Autoren des Posts bezeichnen die Vorwürfe gegen Wadi als „fabriziert“ und schreiben, Auswanderung sei der einzige Weg, „zu überleben und die eigene wissenschaftliche Karriere fortzusetzen“.

Laut dem britischen Sender BBC hatte Wadi wegen seiner Forschung unter Leitung Minouchehrs sowie eines weiteren Atomwissenschaftlers Zugang zum Iranischen Zentrum für Nukleare Sicherheit (INRA) und somit zu sensiblen Daten der Atomanlagen. In der Meldung der Agentur Mizan heißt es, sein Zugang habe ihn zu einem „attraktiven“ Ziel von Anwerbebemühungen des Mossad gemacht.