Warum die Aareal Bank zur Helaba passen könnte, wurde Christian Ricken, der Vorstandsvorsitzende der Aareal Bank, am Donnerstag in einer Telefonkonferenz zu den Halbjahreszahlen gefragt. Das sei ein „Marktgerücht“, zu dem er keine Stellung nehmen wolle, antwortete Ricken routiniert. Und auch die Helaba sagt dazu seit Wochen nichts. Nach Informationen der F.A.Z. ist es indes eine Tatsache: Hessens Landesbank, die ganz wesentlich auch Sparkassen in diesem Bundesland und zudem in Nordrhein-Westfalen und Thüringen gehört, führt gerade intensive Gespräche über den Kauf der Aareal Bank in Wiesbaden. Der Ausgang ist offen, bis Jahresende wird es wohl eine Entscheidung geben.
Aareal im Stresstest besser als Helaba
Umso wichtiger ist die Frage, die am Donnerstag Aareal-Bank-Chef Ricken gestellt wurde: Warum könnte es passen zwischen Helaba und Aareal? Ricken gab indirekt die Antwort mit guten Geschäftszahlen: Aareals Betriebsergebnis verbesserte sich im ersten Halbjahr um 15 Prozent auf 208 Millionen Euro, die Eigenkapitalrendite beträgt gut 9 Prozent, und für einen Euro Ertrag musste Aareal nur 32 Cent aufwenden – eine im Bankensektor nahezu beispiellose Effizienz.

Und im Stresstest der Europäischen Bankenaufsicht schlug sich Aareal viel besser als Helaba. Die EZB hat für die mittelgroßen Banken nur rudimentäre Angaben veröffentlicht, insofern lohnte sich am Donnerstag die Nachfrage. Nach Rickens Angaben verlor Aareal weniger als 3,5 Prozentpunkte ihrer Kernkapitalquote. Bei der Helaba waren es auffällige fast 9 Prozentpunkte. Aareal erscheint also rentabel, sehr effizient und wenig risikoreich. Aber aus Sicht der Helaba kann das nicht alles sein, um einen Kauf zu rechtfertigen.
Bankenaufsicht missfiel Immobilienlastigkeit der Helaba
Beobachter der Bank wundern sich vielmehr darüber, dass sich die Helaba weiteres Gewerbeimmobilienkreditgeschäft einkaufen will, gilt die Bank doch ohnehin schon als stark von Immobilien und dem Zinsgeschäft abhängig. An der „Immobilienlastigkeit“ der Helaba gab es Mitte der 2010er-Jahre nach Informationen der F.A.Z. auch scharfe Kritik der Bankenaufsicht. Tatsächlich hat die Helaba daraufhin ihr Gewerbeimmobilienkreditportfolio reduziert. Sie fiel indes als die deutsche Bank auf, die 2023 die höchsten Kreditzusagen aller deutschen Banken an Firmen und Projekte von René Benko vergeben hatte, als dieser ins Straucheln geriet. Und auch der Büromarkt, der seit der Pandemie noch keine echte Preiswende hingelegt hat, zwang immer wieder zur Risikovorsorge. In den USA musste eine andere deutsche Immobilienbank, die Deutsche Pfandbriefbank, so hohe Kreditausfälle hinnehmen, dass sie sich dort ganz zurückzieht.
Die Bedeutung des Immobilienkreditgeschäfts in der Helaba
Die Helaba hat stattdessen die Finanzierungszusagen an andere Kundengruppen ausgeweitet: Von Helabas gesamtem Kreditbestand im Volumen von 226 Milliarden Euro gingen Ende des Jahres 2024 genau 30 Prozent an die öffentliche Hand, 26 Prozent an Unternehmen und nur noch 19 Prozent in Gewerbeimmobilien, wie eine Präsentation auf der Internetseite der Landesbank zeigt. Ein Kauf der Aareal Bank würde dieses Kräfteverhältnis aber wieder ändern. Denn Aareal kommt nach einem starken Neugeschäft von 10 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2025 nun auf einen Immobilienkreditbestand von gut 32 Milliarden Euro, die Helaba finanziert Gewerbeimmobilien mit rund 34 Milliarden Euro.
Insofern entstünde ein größerer Klumpen in der nach einem Aareal-Kauf rund 250 Milliarden Euro großen Helaba-Bilanz. Und die Kreditabhängigkeit, die Helaba-Chef Thomas Groß eigentlich zugunsten der Provisionen verringern will, nähme zu. Mit anderen Worten: Der Zinsanteil nähme im Einlagenmix der Helaba zu, Gebühren nähmen ab. Der Trend geht durchaus gewollt eigentlich genau in andere Richtung. Zudem gibt es einige störende Überlappungen in den Immobilienkreditportfolien. So haben beide Banken rund 3 Milliarden Euro an Büros in den USA vergeben. Darauf entfielen 80 Prozent der Risikovorsorge von 116 Millionen Euro, die Aareal für ausfallgefährdete Kredite im ersten Halbjahr 2025 bilden musste. Insofern könnte sich Helaba durch Aareals US-Büros Risiken in die Bilanz holen.

Aber Aareal hat auch Immobilienkredite zu bieten, die noch gar nicht im Bestand der Helaba sind: Allen voran solche, mit denen Hotels finanziert werden. Sie haben an Aareals 32 Milliarden Euro großem Kreditbuch mit 34 Prozent den höchsten Anteil, gefolgt von Büros (26 Prozent) und Logistik (17 Prozent). Der erst seit genau einem Jahr als Vorstandschef amtierende Ricken äußerte sich am Donnerstag geradezu euphorisch darüber, wie gut Aareal Hotels finanziert. Seine Mannschaft für Hotelfinanzierungen habe viel Erfahrung in der Touristikbranche, alle diese rund ein Dutzend Aareal-Bankmitarbeiter hätten auch schon mal Hotelbetten bezogen, sagte Ricken scherzhaft. Trotz oder gerade wegen der Corona-Pandemie, in der Aareal die Hotelfinanzierungen durchhielt und sogar neue vergab, seien Hotels seit Jahrzehnten ihre renditestärkste Immobilienkasse. Und aus Sicht der Helaba auch deshalb interessant, weil die Preise für Hotels eigene Zyklen haben und nicht parallel zu anderen Immobilienklassen verlaufen.
Das Abrechnungsgeschäft als starke Säule
Außerdem ist Aareal, anders als vielfach wahrgenommen, keine reine Immobilienkreditbank. Wie Ricken auf Nachfrage der F.A.Z. erläuterte, lieferte das Segment „Banking & Digital Solutions“ im ersten Halbjahr ein Drittel zum Betriebsergebnis. Doch was steckt dahinter? Aareal führt für viele Wohnungsgesellschaften Konten für die einzelnen Mieter. Daher verfügt sie über Einlagen von immerhin 14 Milliarden Euro auf rund 8000 Konten. Diese Refinanzierungsquelle wird ab und zu erwähnt. Kaum erwähnt wird das Potential, das noch im Zahlungsverkehr steckt. So könnten auch Handwerkerrechnungen, die E-Tankstelle oder Einnahmen aus der Photovoltaikanlage künftig über diese Konten abgerechnet werden. Für die Helaba ist Zahlungsverkehr ein Wachstumsfeld. Außerdem verfügt sie mit der GWH über eine Gesellschaft im Konzern, die 50.000 Wohnungen vermietet und daher die Zahlungsverkehrsbedürfnisse von Wohnungs- und Energiewirtschaft kennt.
Aareal-Bank-Chef Ricken zumindest plant, dieses Abrechnungsgeschäft für die Wohnungs- und Energiewirtschaft auszubauen. Gerade steht der Markteintritt in den Niederlanden an, Frankreich und Spanien sollen folgen. Auch in Deutschland gebe es für Aareal noch Potential: Im Fokus stünden nun kleinere Wohnungsverwalter, denen Aareal mit digitalen Diensten Abrechnungen und Zahlungen erleichtern will.
Eine solche Bank dürfte nicht ganz günstig sein, sollte man meinen. Aber vielleicht kommt die Helaba mit ihrem Kaufinteresse ja zu keinem schlechten Zeitpunkt. Die Finanzinvestoren Aareal und Centerbridge, die vor zwei Jahren die Bank erworben haben, erlösten für den zwischenzeitlich erfolgten Verkauf der Tochtergesellschaft Aareon schon einen Großteil des Kaufpreises. Sie könnten also schnell aussteigen und ihre Fondsinvestoren mit einer ungewöhnlich zügigen und renditestarken Rückzahlung erfreuen. Zumindest erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Helaba Aareal unter Buchwert erwerben kann: Zwar ging der jüngste Bankendeal in Deutschland, die OLB, dem Vernehmen nach nahezu zum Buchwert an den neuen Eigener Crédit Mutuel. Alle anderen deutschen Banken – mit Ausnahme der von Übernahmephantasien getriebenen Commerzbank – kosten jedoch zumindest an der Börse immer noch weniger als der Buchwert.
Wer Banken unter Buchwert erwirbt, also mit negativem Firmenwert, kann den „Bad Will“ schnell als Ertrag einstreichen – wenn die Integration des Kaufobjektes erfolgreich ist. Damit hat die Helaba schon Erfahrung, schließlich kaufte sie 2019 zur Stärkung der Kommunalfinanzierung die Dexia Deutschland Bank und zahlte mit gut 300 Millionen Euro weniger als das Eigenkapital. Doch Aareal muss weitere Kriterien erfüllen, damit sie zur Helaba passt. Die Halbjahreszahlen am Donnerstag haben einige Argumente geliefert.