Gesetzentwurf: Regierung beendet „Fördern und Fordern“ für Ukrainer

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Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine erhalten künftig kein Bürgergeld mehr, sondern stattdessen die um gut ein Fünftel geringeren Geldleistungen für Asylbewerber. Zugleich entfällt für sie damit der Anspruch auf Sprach-, Arbeitsförderung und Qualifizierung durch die Jobcenter. So sieht es ein neuer Gesetzentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium vor, mit dem Ministerin Bärbel Bas (SPD) eine Vereinbarung aus dem schwarz-roten Koalitionsvertrag um­setzen will. Anlass für diese Pläne war die politische Einschätzung insbesondere der Union, dass die Integration von Ukrainern in Arbeit bisher nicht gut gelungen sei.

Die Änderungen sollen, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, für alle ukrainischen Flüchtlinge gelten, die seit April neu nach Deutschland gekommen sind. Einsparungen für die öffentlichen Kassen bringt der geplante „Rechtskreiswechsel“ jedoch offenbar nicht. Dem Gesetzentwurf zufolge senkt er zwar die Ausgaben für Bürgergeld um 1,13 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Daneben werden Minderausgaben von knapp 200 Millionen Euro in anderen Sozialhilfezweigen erwartet. Dem stehen aber erwartete Mehrausgaben von 1,38 Milliarden Euro für Asylbewerberleistungen gegenüber.

Ukrainer brauchen gute Begleitung

Arbeitsmarktfachleute halten das Vorhaben für problematisch, da nicht absehbar sei, wie die Integration in Arbeit künftig besser gelingen könne, wenn die betroffenen Ukrainer aus dem System eines verbindlichen Förderns und Forderns im Bürgergeld ausgegliedert werden. „Wir ha­ben bereits beim Job-Turbo gesehen, wie wichtig eine gute Begleitung ist. Das darf hier nicht verloren gehen“, warnte Daniel Terzenbach, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, kürzlich im Gespräch mit der F.A.Z.

Terzenbach war bis 2024 Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Ar­beitsmarktintegration von Flüchtlingen. Mit dem „Job-Turbo“ hatte die Ampelregierung das Fördern und Fordern für diese Zielgruppe verschärft und damit insoweit Lockerungen im Zuge ihrer Bürgergeldreform teilweise revidiert. Die neue Koalition plant für den Herbst eine umfassende Revision der Grundsicherung für Arbeitssuchende, die strengere Regeln und mehr Druck zur Arbeitsaufnahme für alle Bürgergeldbezieher bringen soll.

Gemeinnützige Arbeitsgelegenheiten

Für neu angekommene Flüchtlinge aus der Ukraine wird dies aber nicht mehr gelten, da es für Bezieher von Asylbewerberleistungen kein Fördern und Fordern gibt. Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält eine Regelung, wonach Kommunen für diesen Personenkreis gemeinnützige Ar­beits­gelegenheiten organisieren sollen. Außerdem dürfen Asylbewerber, die dies wollen, Beratung der beitragsfinanzierten Arbeitsagenturen in Anspruch nehmen. Die im Bürgergeld üblichen Sanktionen in Fällen von mangelnder Mitwirkung oder Arbeitsverweigerung gibt es aber nicht. Änderungen an diesen Regularien sieht auch Bas’ Gesetzentwurf nicht vor.

Allerdings sind die finanziellen Leistungen für alle Personen im Asylbewerbersystem geringer als im Bürgergeld. Sie belaufen sich für Alleinstehende auf monatlich 441 Euro statt 563 Euro. Zudem können diese Personen in Sammelunterkünften untergebracht werden, während Bürgergeldbeziehern eine sozialrechtlich angemessene Wohnung zusteht. Eigentlich sollen Asylbewerberleistungen nur die Übergangszeit für die Dauer des Asylverfahrens abdecken. Men­schen aus Syrien oder Afghanistan wech­seln ins Bürgergeld, wenn sie als Flücht­linge anerkannt sind. Da aber Ukrainer kein Asylverfahren durchlaufen müssen, bleibt ihnen dieser Weg verwehrt.

14.000 Ukrainer verlassen jeden Monat das Bürgergeld

Über die Zahl der Ukrainer, die von den geplanten Änderungen betroffen sein werden, gibt es unterschiedliche Angaben. Laut Bundesinnenministerium sind von Anfang April bis Ende Juni knapp 21.000 Ukrainer „im Kontext des Krieges“ nach Deutschland eingereist. Laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit sind im vergangenen Jahr monatlich rund 12.000 Ukrainer – Erwachsene und Kinder – ins Bürgergeld gekommen, unter ihnen jeweils etwa 8000 zum ersten Mal. Zugleich verlassen monatlich etwa 14.000 das Bürgergeld. Insgesamt beziehen derzeit 500.000 erwerbsfähige Ukrainer Bürgergeld. Zugleich gehen 250.000 einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nach.

Neben der Neuregelung für künftig ankommende Ukrainer erfordert das Vorhaben Übergangsregelungen für jene, die seit April angekommen sind und den Koalitionsplänen zufolge ebenfalls ins Asylsystem wechseln sollen. Aufgrund der bisher noch gültigen Gesetze fallen sie bisher ins Bürgergeld. Eine rückwirkende Umstellung soll ihnen und den Behörden nun erspart bleiben. Vertreter von Jobcentern und anderen Behörden hatten vor einer andernfalls drohenden bürokratischen Lähmung gewarnt.

Geplant ist nun, dass die Betroffenen erst nach Ablauf ihrer in der Regel für sechs Monate gültigen Bürgergeldbescheide ins Asylsystem wechseln müssen. Zudem stellt der Gesetzentwurf klar, dass sie schon laufende Qualifikations- und Fördermaßnahmen nicht vorzeitig abbrechen müssen, sondern auch nach dem Wechsel ins Asylsystem zu Ende gebracht werden dürfen. Dies diene „der erfolgreichen Ar­beits­marktintegration“, heißt es im Gesetzentwurf. „Ein alternativ dazu denkbarer Maßnahmenabbruch ist aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit abzulehnen.“ Neue Förderungen durch die Jobcenter gibt es dann aber nur noch für jene, die schon vor April im Lande waren.