Der Rückzug des dienstältesten Ministerpräsidenten Deutschlands verdient Respekt: Reiner Haseloff wird die politische Bühne 2026 im Alter von 72 Jahren aus freien Stücken verlassen. So hat er es am Donnerstag angekündigt.
Die Festlegung auf Wirtschaftsminister Sven Schulze als Spitzenkandidat für die kommende Landtagswahl birgt allerdings erhebliche Risiken. Denn die AfD wird in Sachsen-Anhalt alles daransetzen, die Brandmauer der Unionsparteien nach rechts zum Einsturz zu bringen. Mit dem Verzicht von Haseloff, der auf eine beeindruckende Karriere zurückblicken kann, dürften deren Chancen weiter gestiegen sein.
Zwar sind politische Stimmungslagen viel zu volatil, um heute schon das Ergebnis der Wahl am 6. September 2026 absehen zu können. Doch zeigen die jüngeren Erfahrungen, dass der Amtsbonus eines Ministerpräsidenten den Ausgang von Wahlen entscheidend beeinflussen kann. Mit einer starken Persönlichkeit an der Spitze, die über eine erkennbare Haltung verfügt, kann sich eine Landespartei sogar erfolgreich ungünstigen Großwetterlagen auf Bundesebene entziehen.
Ein Jahr bis zum Wahltermin
Fehlt eine solche Personenmarke hingegen, ist ein Landesverband solchen Winden weitgehend ungeschützt ausgeliefert und kann auch nicht mehr die Kampagnen der konkurrierenden Parteien überdecken. Etwas mehr als ein Jahr bis zum Wahltermin dürfte für Sven Schulze womöglich zu kurz sein, um dieses Defizit auszugleichen. Aus dem wenig strahlkräftigen Amt eines Landesministers heraus seine Bekanntheit zu steigern und ein attraktives Profil zu entwickeln, ist schwer.
Nach einem ungünstigen Wahlergebnis drohte Schulze sogleich die nächste Herausforderung: Die Regierungsbildung könnte an die bisherigen Tabus seiner Partei mit Blick auf die AfD wie auf die Linkspartei rühren und zu erheblichen Konflikten sowohl innerhalb des ungefestigten CDU-Landesverbands als auch in der Bundes-CDU führen. Schon im bevorstehenden Wahlkampf wird die CDU bohrende Fragen über ihr Verhältnis zur AfD beantworten müssen, die ihr mit Haseloff als Spitzenkandidat weitgehend erspart geblieben wären. Mit dem Rückzug von Reiner Haseloff beginnt im Streit über die Brandmauer eine neue Phase.