Messer-Chef Eulitz: „Wir brauchen CO2-Lagerstätten“

8

Herr Eulitz, Messer und das Bremer Unternehmen Ambrian Energy planen ein CO2-Terminal mit dem Ziel, rückgewonnenes CO2 aus Industrieabgasen zu verschiffen für die Lagerung unter dem Meeresboden. Noch fehlen dafür aber doch die Voraussetzungen?

In den Hoheitsgewässern von England, Dänemark oder Norwegen gibt es bereits Lagerstätten für CO2. Die Lagerstätten vor der deutschen Küste können erst genutzt werden, wenn die gesetzliche Grundlage dafür steht – das wird ja jetzt vorangetrieben. Die potentiellen Lagerstätten unter dem Meeresboden sind erschöpfte Erdgasfelder, in denen hat Erdgas viele Millionen Jahre gelagert, das heißt: Wenn man da CO2 verpresst, bleibt das da auch zig Millionen Jahre. Und wir brauchen diese Lagerstätten. So wichtig es ist, die Entstehung von CO2 zu vermeiden: Ohne Abscheidung und Lagerung werden wir die Klimaziele, die wir uns gesetzt haben, nicht erreichen.

Zur Vermeidung von Treibhausgasen beitragen könnte die Nutzung von grünem Wasserstoff, dafür betreiben Sie eine Anlage in Düren. Grünen Wasserstoff in größeren Mengen in Deutschland zu erzeugen, wird aber schwierig, oder?

Wir haben mit der Stadt Düren ein Joint Venture gegründet, HyDn. Wir bauen dort eine Elektrolyse, mit der wir Wasserstoff herstellen, dann verdichten und transportieren wir ihn zu der Stelle, wo die Stadt ihn für Brennstoffzellenbusse nutzt. Der Wasserstoff wird dadurch grün, dass für den Betrieb des Elektrolyseurs grüner Strom eingekauft wird.

Seit fast 30 Jahren im Gasegeschäft: Bernd Eulitz, Vorstandschef von Messer in Bad Soden
Seit fast 30 Jahren im Gasegeschäft: Bernd Eulitz, Vorstandschef von Messer in Bad SodenLando Hass

Nähme man dann nicht besser gleich elektrisch betriebene Busse?

Es gibt Fälle, wo rein batteriebetriebene Busse gut sind. Zum Beispiel in London und in anderen Städten, wo die Geografie flach ist, bei kurzen Routen und moderaten Temperaturen. Und es gibt Kommunen mit vielen Bergen und Hügeln, wo die Busse regelmäßig bergauf und bergab fahren, mit längeren Routen oder der Notwendigkeit, die Klimaanlage einzusetzen. Wie die Stadt Düren bereits getestet hat, ist auch die maximale Passagierzahl ein Faktor bei E-Bussen aufgrund des Gewichts der Batterie. Es kommt auch auf die Stromversorgung an. Um nachts ein ganzes Busdepot zu laden, ist eine Menge Energie nötig – und das, wenn die Sonne nicht scheint. Bei der Elektrolyse von Wasserstoff hingegen wird der Strom den ganzen Tag über kostenoptimal genutzt, damit kann das Stromnetz stabilisiert werden. Es wird also beides geben, batteriebetriebene Busse und solche mit Brennstoffzelle. Wir sind mit Wasserstofftankstellen und mit einem Testbus durch verschiedene Städte gezogen und haben das ausprobiert.

Die Wasserstoffbusse in Wiesbaden und die Wasserstoffzüge im Taunus haben aber nicht gut funktioniert.

Es lohnt sich wirklich, zu testen. Wir haben zum Beispiel mit einem Hersteller von Müllfahrzeugen zusammengearbeitet, der festgestellt hat, dass diese Müllfahrzeuge so viel bremsen und dabei die Batterie neu aufladen, dass sie tatsächlich den ganzen Tag damit auskommen. Aber in Städten, wo die Müllfahrzeuge viel bergauf fahren müssen, kann das anders aussehen. Um Unternehmen und Gemeinden die Umstellung auf eine wasserstoffbetriebene Fahrzeugflotte zu erleichtern, haben wir mit Toyota Tsusho ein Joint Venture gegründet namens „SympH2ony“. Da bieten wir an, die Investition beispielsweise in Busse und eine Wasserstofftankstelle zu übernehmen, und die Gemeinde zahlt dann für jeden gefahrenen Kilometer und wird von Toyota Tsusho und Messer als kompetenten Partnern unterstützt. Wir entwickeln Lösungen, die Probleme der Gesellschaft adressieren. Das gilt auch für andere Themen wie die Medizingase, bei der Feuerungstechnologie, bei der Abwasserreinigung. Deswegen haben wir auch das Motto Gases for Life.

Gase sind auch für die Chip-Industrie wichtig

In Ihrer Mitteilung zum Geschäftsjahr 2024 wurde erwähnt, dass Sie neue Kunden gewonnen haben…

Die Chip-Industrie wird immer wichtiger. Sie wächst weiter sehr stark, zuletzt getrieben durch Artificial Intelligence, aber nicht nur – Sie kriegen ja keine Kaffeemaschine mehr ohne Chip darin. Gas spielt in jedem Herstellungsschritt eine Rolle, es wird beispielsweise gebraucht, um bestimmte Moleküle auf die Oberfläche aufzubringen und um die Chips zu belichten. Das machen spezielle Laser-Maschinen, und Gase helfen, den Laserstrahl zu erzeugen. Dieser Laserstrahl ist extrem präzise, und entsprechend hochrein müssen diese Gase sein.

Ein anderes Wachstumsgeschäft ist die Raumfahrt. Die braucht Sauerstoff für den Start und zum Testen der Triebwerke, Stickstoff zum Herunterkühlen des Sauerstoffs, und auch Helium. Und das Nächste, was sehr stark kommt, sind Batteriewerkstoffe. Für deren Herstellung brauchen die Kunden Luftzerleger, also Produktionsanlagen für Luftgase, die wir bauen.

Aber mit klassischen Industrien wie der Stahlbranche läuft es derzeit wohl nicht so gut?

Auch da passiert hier und da etwas. In China hat die Regierung jetzt CO2-Ziele eingeführt. Deshalb bauen wir dort neue Luftzerleger für Stahlwerke, damit sie den Sauerstoffanteil in den Hochöfen hochfahren können – das spart Brennstoff und reduziert den Ausstoß von Treibhausgasen. Viele Verbrennungsprozesse, zum Beispiel auch in der Glas- oder Aluminiumschmelze, werden noch mit normaler Umgebungsluft betrieben. Da ist 78 Prozent Stickstoff drin, der mit erhitzt wird, obwohl er für den Verbrennungsprozess eigentlich nicht gebraucht wird. Wird stattdessen reiner Sauerstoff verwendet, so muss weniger Volumen erhitzt werden, dadurch spare ich Brennstoff und senke den Ausstoß verschiedener klimaschädlicher Gase.

Das ist noch nicht überall geschehen?

Noch längst nicht – da ist für uns weiteres Wachstum drin. Gase werden überall gebraucht, auch, um Lebensmittel länger haltbar zu machen. Wenn Sie beispielsweise Äpfel nach der Ernte unter einer definierten Atmosphäre lagern, sind sie nach drei Monaten noch erntefrisch. In Lebensmittelverpackungen verhindern Schutzgase, dass Luftsauerstoff die Schimmelbildung fördert, dadurch bleiben die Produkte länger haltbar. Wir haben neun anwendungstechnische Zentren rund um die Welt, die mit den Kunden Lösungen entwickeln, aber auch in Kooperation mit Universitäten.

Der Unternehmensinhaber und langjährige Geschäftsführer Stefan Messer ist 2023 an die Spitze des Aufsichtsrats gewechselt. Wie läuft die Zusammenarbeit zwischen Ihnen beiden ab?

Wir sehen uns sehr viel. Er hat ja auch noch hier sein Büro, für Stefan Messer ist das sein Leben. Und tatsächlich haben wir einen sehr guten Weg gefunden, wie das für uns beide funktioniert. Er will immer informiert sein über alles, aber er lässt die Entscheidung bei mir. Tatsächlich reisen wir auch sehr viel zusammen, vor allem zu Kundengesprächen. Gerade bei Familienunternehmen oder im asiatischen Raum hat es einen großen Wert, wenn ich mit dem Eigner komme, das ist etwas, was die Menschen dort mit großem Respekt sehen und schätzen.

Was haben Sie sich vorgenommen für die Zukunft?

Das Ziel ist, jedes Jahr im einstelligen mittleren Prozentbereich zu wachsen. Und wir halten Ausschau nach Übernahmekandidaten. Ein weiteres Thema ist der Aufbau neuer Partnerschaften. Also Partnerschaften mit Unternehmen, die zum Beispiel im Bereich Elektronikgase unterwegs sind, um damit das Wachstum voranzubringen.

Zur Person

Bernd Eulitz, Jahrgang 1965, ist seit April 2023 Vorstandsvorsitzender des Industriegase-Herstellers Messer. Davor arbeitete er ein Jahr lang als Stellvertreter des langjährigen Vorstandsvorsitzenden Stefan Messer, dessen Familie das Unternehmen mehrheitlich gehört. Abgesehen von einem kurzen Intermezzo bei Knorr-Bremse hat Eulitz sich sein ganzes Berufsleben lang mit technischen Gasen befasst: Mehr als zehn Jahre lang arbeitete er bei Linde, davor bei Air Liquide. Der Ingenieur für Verfahrenstechnik ist verheiratet und hat zwei Kinder.