Open AI veröffentlicht GPT-5: Die Hoffnung auf den nächsten große Sprung

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Open-AI-CEO Sam Altman selbst schraubte jüngst die Erwartungen hoch, als er andeutete, GPT-5 habe ihm Antworten geliefert, die ihn „im Vergleich nutzlos fühlen ließen“. Nach einiger Verzögerung aufgrund technischer Feinarbeit und der Aufrüstung der Infrastruktur ist es nun vollbracht: GPT-5, das neue und bislang fortschrittlichste Sprachmodell von Open AI wird in den kommenden Tagen für Nutzer auf der ganzen Welt ausgerollt. Es wird als größtes Update seit der Veröffentlichung des Modells GPT-4 gehandelt und verspricht deutliche Fortschritte, vor allem im logischen Denken über ein „eingebautes Gedächtnis“.

Erste Einblicke deuten auf ein Modell hin, das nicht nur stufenweise verbessert wurde, sondern das einen deutlichen Qualitätssprung hingelegt hat. Insbesondere soll GPT-5 verschiedene Fähigkeiten in einem einzigen System vereinen. Open AI spricht von einem „unified model“, das die Stärken bislang separater Modellreihen zusammenfasst. Bisher bot Open AI seinen Kunden und den Nutzern von ChatGPT unterschiedliche KI-Modelle für bestimmte Aufgaben an: GPT-5 soll diesem Modellwirrwarr ein Ende bereiten und alle Konzepte in einem einzigen Modell verschmelzen.

Die Interaktion mit KI könnte sich fundamental ändern

Es zeichnet sich ab, dass GPT-5 weit mehr als nur ein größerer ChatGPT-Baustein sein wird. Open AI zielt darauf ab, eine einheitliche KI-Plattform zu schaffen, also ein Modell, das alles kann, was bisher verteilte Tools erledigten. 

Für die Nutzer könnte sich die Interaktion mit KI damit fundamental ändern: GPT-5 antwortet nicht nur auf Fragen, sondern entscheidet selbst, wie es ein Problem löst. Es könnte im Hintergrund eigenständig die beste Denkstrategie wählen und gegebenenfalls externe Hilfsmittel zu Rate ziehen. Das System würde quasi überlegen, ob es nachdenken muss und wie es vorgeht, anstatt stumpf auf jeden Prompt sofort zu reagieren. Damit käme die KI einen Schritt näher an einen echten digitalen Mitarbeiter heran, der Aufträge ausführt, statt nur ein cleveres Werkzeug zu sein.

Auch bei den grundlegenden Fähigkeiten setzt GPT-5 neue Maßstäbe. Dem System soll etwa Reasoning, also Schlussfolgern, und Probleme über mehrere Gedankenschritte hinweg zu lösen, besser gelingen. Open AI spricht von „structured chain-of-thought“, also einer strukturierten Kette von Gedankenschritten. In Vergleichstests zeichnen sich laut Experten bereits erhebliche Verbesserungen ab: So erwartet der KI-Forscher David Shapiro, dass GPT-5 in dem anspruchsvollen Wissens-Test MMLU eine Trefferquote von rund 95 Prozent erreichen könnte und beim Programmier-Benchmark SWE die Erfolgsrate von 32 Prozent bei GPT-4 auf mehr als 80 Prozent steigern wird.

Open AI: GPT-5 ist noch nicht AGI

Sollte sich das bestätigen, würde GPT-5 viele akademische und professionelle Tests praktisch auf menschlichem Expertenniveau meistern. Intern scheint man bei Open AI sehr zuversichtlich. Ein Mitarbeiter twitterte kryptisch: „Es ist verrückt, den Leuten jetzt bei der Nutzung von ChatGPT zuzusehen, wenn man weiß, was kommt.“ Die Entwickler betonen allerdings auch, GPT-5 solle kein „Wundermittel” oder gar AGI, also Künstliche Allgemeine Intelligenz auf menschlichem Niveau, sein. In erster Linie soll es alles, was die aktuellen Modelle können, besser und zuverlässiger machen. Dazu gehört auch, die Halluzinationen deutlich zu reduzieren.

Der ausführliche Testbericht zu GPT-5 wird kommenden Mittwoch im wöchentlichen Briefing der F.A.Z. PRO Digitalwirtschaft erscheinen:

Vom KI-Browser bis zur Lernhilfe: Open AI setzt auf diese neuen Tools

Parallel zur Entwicklung des Kernmodells GPT-5 arbeitet Open AI an einer Reihe von begleitenden Features und Produkten, welche die Fähigkeiten des neuen Modells künftig voll ausschöpfen sollen. Diese Updates zielen darauf ab, das Ökosystem rund um ChatGPT zu erweitern und neue Anwendungsfelder zu erschließen:

1. „Aura” – der KI-Browser:

Open AI bereitet einen neuartigen Webbrowser vor, der auf KI-Unterstützung setzt. Intern als Aura bezeichnet, soll dieser Browser selbstständig denken und handeln, statt nur Suchanfragen entgegenzunehmen. Jüngst entdeckter Code in der ChatGPT-App zeigt Hinweise auf Funktionen wie „click“, „drag” oder „type” – Zeichen dafür, dass ChatGPT künftig ferngesteuert einen Browser oder eine virtuelle Computerumgebung bedienen kann. Tatsächlich verfügt Open AI schon über ein Agentensystem namens Operator, das in einem Browser automatisch surfen und Tasks ausführen kann. Die Integration solcher Fähigkeiten in ChatGPT würde bedeuten:

Der KI-Assistent könnte eigenständig eine Website aufrufen, dort Informationen nachschlagen, Formulare ausfüllen oder Dateien herunterladen, ohne dass der Nutzer jeden Schritt manuell vorgibt. Aura wird damit als „denkender Browser” beschrieben, der die klassische Websuche ablöst. Für die Nutzer könnte es das Internet zu einer neuen Erfahrung machen: Man würde ein Ziel nennen („Buche mir den günstigsten Flug nach London nächste Woche“) und der KI-Browser erledigt die nötigen Klicks, Eingaben und Recherchen autonom im Hintergrund. Dieses Konzept passt zur generellen Ausrichtung von GPT-5, KI stärker zu einem handelnden Agenten zu machen, der mit digitalen Umgebungen interagieren kann.
 

2. Sora 2 – der KI-Videogenerator:

Nachdem Open AI mit Sora Ende 2024 erstmals ein Text-zu-Video-Modell präsentierte, arbeitet das Team bereits am Nachfolger. Mit Sora können Plus-Nutzer bislang aus Textbeschreibungen kurze Videos bis 20 Sekunden in einer Auflösung von 1080p generieren. Während die Innovation zwar gelobt wurde, gab es Kritik an ruckeligen Bewegungsabläufen und begrenzter Verfügbarkeit. Sora 2 wird diese Schwächen vermutlich angehen, um mit Konkurrenzmodellen wie Googles Veo 3 mithalten zu können. Gerüchten zufolge könnte Sora 2 deutlich längere, flüssigere Videos erstellen und komplexere Szenen darstellen. Sollte GPT-5 künftig auch Videoverständnis besitzen, wäre es denkbar, dass Sora 2 direkt in ChatGPT integriert wird, etwa, um ein vom Nutzer hochgeladenes Video dann Szene für Szene zu analysieren – oder umgekehrt ein erstelltes Video mit textlicher Erläuterung zu versehen.
 

3. „Study Mode” – die interaktive Lernumgebung:

Ein weiterer Baustein ist die Bildungsinitiative Study Mode, teils auch „Study Together” genannt. Open AI hat Ende Juli 2025 offiziell einen Studienmodus für ChatGPT freigeschaltet. Diese Funktion verwandelt den Chatbot in eine Art Tutor, der Nutzer schrittweise durch Lernaufgaben führt, statt einfach Lösungen auszugeben. Auf Kommando hin stellt ChatGPT im Study Mode Gegenfragen, gibt Hinweise und passt das Schwierigkeitsniveau an, ähnlich einem Nachhilfelehrer, der gemeinsam mit dem Lernenden ein Problem erarbeitet. Ein Beispiel: Fragt ein Student nach Bayes’ Theorem, erkundigt sich ChatGPT zunächst nach seinem Mathematik-Niveau und Lernziel und erklärt dann Schritt für Schritt das Konzept, anstatt einfach die fertige Formel hinzuknallen. 

Das Ziel ist, verantwortungsvollen akademischen Einsatz von KI zu fördern. Viele Universitäten beklagen nämlich KI-Missbrauch bei Prüfungen. Open AI möchte mit Study Mode zeigen, dass ChatGPT auch begleitend zum Lernen eingesetzt werden kann, ohne plump Lösungen vorzugeben. Interessant ist, dass der Modus multimodal arbeitet: Man kann ein Aufgabenblatt oder eine alte Klausur als Bild hochladen, und ChatGPT geht dann gemeinsam mit dem Nutzer die Aufgaben durch. Der Study Mode wurde in Zusammenarbeit mit Pädagogen entwickelt und soll langfristig den Bildungsbereich für ChatGPT erschließen. Die Lernfunktion steckt noch in den Anfängen, aber sie passt in Open AIs Strategie, ChatGPT als nützliches Werkzeug in Schule und Beruf zu etablieren – nicht nur als Chatbot zum Zeitvertreib.

Die Nutzerbasis von ChatGPT wächst rasant

Während Open AIs Technologie voranschreitet, wächst das Geschäft des Unternehmens in rasantem Tempo. Einst als Non-Profit-Forschungslabor gestartet, hat sich Open AI in wenigen Jahren zu einem der wertvollsten KI-Unternehmen entwickelt. Laut einem Bericht von The Information hat Open AI seinen Umsatz zuletzt dramatisch gesteigert und erreicht aktuell einen hochgerechneten Jahresumsatz von mehr als 12 Milliarden Dollar.

Die Nutzerbasis hinter diesen Erlösen ist beeindruckend: Im Sommer 2024 verkündete Open AI noch, dass mehr als 200 Millionen Nutzer jede Woche aktiv ChatGPT verwenden. Im August 2025 schnellte diese Zahl auf rund 700 Millionen wöchentliche Nutzer hoch – sowohl Privatpersonen als auch Geschäftsanwender zusammengerechnet. ChatGPT ist damit eine der am schnellsten wachsenden Software-Plattformen aller Zeiten und verarbeitet täglich mehr als drei Milliarden Nachrichten.

Die wichtigsten Einnahmequellen für Open AI

Die größte Säule für das Unternehmen ist das Abomodell. Open AI bietet seit Februar 2023 das Abonnement ChatGPT Plus für 20 Dollar monatlich an, das zahlenden Nutzern Vorteile wie schnellere Reaktionszeiten und Zugriff auf die neuesten Modelle bietet. Neben Einzelverbrauchern zielt Open AI verstärkt auf Unternehmenskunden. Im August 2023 startete Open AI das Aboangebot ChatGPT Enterprise, eine Business-Version mit erweiterten Sicherheitsfunktionen, unbegrenztem GPT-4-Zugriff und Funktionen zur besseren Zusammenarbeit. Im August stieg die Zahl der geschäftlichen Nutzer laut Unternehmensangaben auf mehr als fünf Millionen.

Die dritte wichtige Einnahmequelle sind Gebühren für den Zugriff auf Open AIs KI-Modelle über Schnittstellen für Programmierer (APIs). Dieser Bereich hat sich explosionsartig entwickelt: Unzählige Start-ups und Projekte, vom KI-Schreibassistenten bis zum Kundensupport-Chatbot, basieren auf Open AIs Modellen. So nutzen Zahlungsdienstleister wie Stripe GPT-4 für Textauswertungen, Airbnb experimentiert mit GPT-basierten Helfern. Hinzu kommt die Integration der Modelle in Microsofts Azure Open AI Service: Microsoft-Kunden können dort GPT-Modelle abrufen, was Teil der Microsoft-Open-AI-Vereinbarung ist.

Mit der Veröffentlichung von GPT-5 will der Marktführer Open AI seine Erfolgsgeschichte fortsetzen. Gerade Aura, der geplante KI-Browser, könnte sich als Schlüssel für den nächsten Wachstumsschub des Unternehmens erweisen. Denn damit eröffnet sich ein Markt, der weit über das bisherige Chatbot-Geschäft hinausgeht.