Geld und Netzwerke: Der Ehrgeiz der AfD

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Die AfD professionalisiert sich. Ähnlich wie bei einem Auto, das getunt wird, ist davon auf den ersten Blick wenig zu sehen. Manche glauben sogar, in der Radikalisierung der Partei einen Beleg für das Gegenteil zu erkennen. Tatsächlich ist sie die Folge; die AfD kann jetzt mehr Gas geben, ohne gleich aus der Kurve zu fliegen.

Ein zweiter Blick lohnt. Am Sonntag etwa veröffentlichte die Parteivorsitzende Alice Weidel auf der Plattform X ein Foto, das sie sommerlich-lässig zeigt: Sonnenbrille in der Hand, Hemd über der Hose, Jackettärmel aufgekrempelt. Neben ihr steht der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán. Weidel ordnete das so beiläufig ein, als wäre er bloß eine nette Urlaubsbekanntschaft. „Dankeschön für die schöne Zeit zusammen“, grüßte sie von einem „Festival in der wunderschönen, historischen Stadt Esztergom, Ungarn“. Sie sei überwältigt von der Freundlichkeit und Kompetenz der Menschen. Machte sie Ferien?

Nein, sie besuchte ein internationales Netzwerktreffen, veranstaltet von einer einflussreichen ungarischen Denkfabrik, die vor allem junge Menschen in Europa prägen will. Nach außen soll das nach lockerem Austausch aussehen, nicht nach der planvollen Arbeit, die es ist. Dass Weidel dort mit der CDU-Bundestagsabgeordneten Saskia Ludwig sprach, ordnete das Portal „Nius“ beflissen als „zufälliges Treffen“ ein; Orbán, als dessen Kaderschmiede die Denkfabrik gilt, „schaute vorbei“, als wäre er, Überraschung, gerade in der Gegend gewesen. Das Gespräch mit der CDU-Politikerin stellte Weidel dem Portal gegenüber folgerichtig als „ganz entspannten Smalltalk unter Abgeordneten“ dar.

Über Weidel spricht man wie über einen CEO

Öffentlich will die AfD als Bürgerbewegung von nebenan erscheinen. Das nützt ihr doppelt. Erstens grenzt sie sich von Parteien in Regierungsverantwortung ab, denen sie jeden Kompromiss als Ausdruck ehrloser Machtgier auslegt. Zweitens wird sie gerade von diesen leicht unterschätzt. Nicht in ihrer Radikalität, sondern in ihrer Professionalität.

An dieser hat Weidel hohen Anteil. Funktionäre in der Partei sprechen über sie wie über einen CEO. Sympathie schwingt selten mit, dafür Ehrfurcht vor der Bilanz. Die Zahlen stimmen, in Meinungsumfragen und bei Wahlen. Und damit kommt auch das Geld. Die AfD erhält so viel wie noch nie aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Die steigt mit jeder Stimme bei Wahlen, jedem Mitglied, jeder kleinen Privatspende. Dazu kommen die Diäten für Abgeordnete, Zahlungen an die Fraktionen und Zuschüsse für Mitarbeiter. Und schließlich spenden auch immer mehr Bürger der AfD, zahlen immer mehr Mitgliedsbeitrag. Dieses Geld setzt die Partei geschickt ein.

Besser als der französische RN

Zum Beispiel zum selbstbewussten Knüpfen immer neuer Verbindungen. Lange galt ihr der französische „Rassemblement National“ als Vorbild. Heute hält die AfD-Führung die eigene Partei für besser strukturiert. Und sie sucht die Nähe autoritärer Kräfte in West und Ost. Elon Musks publikumswirksame Wahlhilfe war einer der wenigen Knoten, die für alle sichtbar wurden.

Doch nicht nur international, auch regional vernetzt die AfD sich. Vor allem in Ostdeutschland ist sie mit großem Ehrgeiz dabei. AfD-Leute laden zu Stammtischen, Filmvorführungen, Seniorentreffs, Jugendabenden, Vorträgen, Infoständen – das ist Alltag, nicht Wahlkampf. Möglich wird es auch, weil mehr Geld da ist für Mitarbeiter. Die setzen auf alte wie neue Formate: In Brandenburg sorgte im Winter etwa der Fall eines rechtsextremen Influencers für Beachtung, der für mehrere AfD-Politiker arbeitete.

Auch in Berlin tut sich etwas. Die anderen Parteien sehen mit Sorge, dass die AfD viel Geld in Social-Media-Arbeit steckt anstatt – wie sie – in Berliner Ortstermine, die immer dieselben Leute aus der Hauptstadtblase anlocken. Aus Fehlern der Vergangenheit lernt die Partei. Litt sie früher darunter, zu wenig passendes Personal für die bei Wahlen errungenen Plätze zu haben, betreibt sie nun Programme, um Kandidaten vorzubereiten.

Hoffnung auf Sachsen-Anhalt

Besondere Hoffnung verbindet die AfD mit der Wahl in Sachsen-Anhalt im Herbst 2026. Sie sieht Chancen auf eine Regierungsbeteiligung. Den Wahlkampf will sie sich einiges kosten lassen. Die Homepage prunkt schon jetzt im Netz. „Wir haben die Vision. Wir haben den Plan. Und wir haben den festen Willen, all das umzusetzen“, heißt es dort.

Dabei hat die AfD auch Probleme. Die Parteizentrale gilt als Schwarzes Loch, Strategiedebatten wurden zuletzt von anderen Stellen angeregt: vom Vorfeld, von der Fraktion. Doch das Ergebnis zählt. Dem setzen Union und SPD aktuell zu wenig entgegen. Das zeigte zuletzt ihr Gestolper um die Verfassungsrichterkandidatin Brosius-Gersdorf. Auf solche Gelegenheiten wartet die AfD nur. Einfach ignorieren? Anfänger in der Politik mag das betrüben; Profis arbeiten umso ungestörter.