Sobald die Menschen in Deutschland sagen sollen, wo und wie sie am liebsten wohnen möchten, wenn sie sich den Wunsch erfüllen könnten, liefern die Antworten ein klares Bild: „In einem großen Haus, gerne im Grünen“. Das mag eine verklärte Sicht sein. Doch der Blick, wie und wo die Bürger im Jahr 2025 wohnen wollen, gibt schon einen Hinweis darauf, warum es zu dieser „Wunsch“-Antwort kommt. Etwa 31 Prozent der privaten Haushalte in Deutschland leben in einem Einfamilienhaus – das ist die häufigste Form des Immobilienbesitzes.
Bei einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von etwa zwei Personen laut dem Mikrozensus 2022 ergibt dies rund 20 Millionen Bewohner in Einfamilienhäusern. Frei stehende Einfamilienhäuser machen den Großteil aus, allerdings werden oftmals auch Doppelhaushälften dazugezählt. Der Wunsch entspringt folglich aus dem Feld der 70 Prozent Wohnungsbewohner, zumal diese zu rund 75 Prozent in Städten und Ballungsräumen leben. Die Projektionsfläche „großes Haus im Grünen“ erscheint zumindest deshalb nachvollziehbar in der Marktforschung.
Aus der Zeit gefallen?
Doch diesem Wunsch weht seit geraumer Zeit der harte Wind des politischen Zeitgeistes entgegen. Das frei stehende Einfamilienhaus scheint aus der Zeit gefallen zu sein – in den Lebensmodellen, in urbanen Standorten, in der Stadtplanung und Baulandausweisung, in der Bezahlbarkeit und in der Klimabewegung. Die gängigen Argumente überzeugen in der isolierten Analyse auf den ersten Blick: Zum Stichwort Urbanisierung bevorzugen die jüngere Generation und Stadtbewohner oft Wohnungen oder Mehrfamilienhäuser aufgrund der kurzen Wege zur Arbeit, aufgrund der besseren Infrastruktur, Einkaufsmöglichkeiten und des urban geprägten Lebensstils.
Die Kosten für Grundstücke und Baupreise machen Einfamilienhäuser für viele unerschwinglich, besonders in Ballungsräumen und dem Speckgürtel. Klar auch, dass Nachhaltigkeitsbelange heute eine andere Rolle und Wertschätzung haben als noch vor 50 Jahren, als die Nachkriegsgeneration der Babyboomer gebaut hat. Hinzu kommt, dass kompakte Wohnformen wie Reihenhäuser oder Mehrgenerationenhäuser als umweltfreundlicher postuliert werden, da sie insgesamt weniger Fläche und Energie verbrauchen.
Und mit Blick auf den demographischen Wandel: Ältere Menschen und Ein-Personen-Haushalte suchen oft kleinere, pflegeleichtere Wohnungen. Zudem fördern suburban gelegene Einfamilienhäuser Autofahrten, da öffentliche Verkehrsmittel dort oft schlecht ausgebaut sind. Das wiederum erhöht Treibhausgasemissionen und belastet die in die Jahre gekommene Infrastruktur. Einfamilienhäuser haben je Kopf einen höheren Energiebedarf und Ressourcenverbrauch als Mehrfamilienhäuser oder Reihenhäuser. Zunehmend werden auch soziale Aspekte angeführt: Einfamilienhaus-Siedlungen sehen sich dem Stigma ausgesetzt, sozial zu isolieren. Denn dort finden sich weniger Gemeinschaftsflächen, die eine Interaktion fördern.
Schwer vereinbar mit moderner Stadtplanung?
Die geforderte nachhaltige Stadtplanung zielt deshalb darauf ab, Städte ökologisch, sozial und wirtschaftlich zukunftsfähig zu gestalten. Sie soll auf Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und Bevölkerungswachstum reagieren. Das Einfamilienhaus steht dabei im Fokus, da es mit Prinzipien nachhaltiger Stadtplanung kollidiert. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass der gewünschte und sicher auch notwendige Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs die Zersiedlung fördert und die Nachfrage nach der Wohnform frei stehendes Einfamilienhaus entfacht.
Wie sollen Bauherren, Projektentwickler und andere Immobilienunternehmen damit umgehen? Sie können auf die Kunden und ihre Wünsche hören. Oder soll die Politik auf Neubaugebiete mit Einfamilienhäusern verzichten? Das würde die Unterschiede im Wohnraum zwischen Ballungsgebieten und dem ländlichen Raum verstärken.
In suburbanen Regionen oder bei Familien mit Kindern bleibt das Einfamilienhaus attraktiv. Es ist dabei weniger eine Frage der Bezahlbarkeit, sondern von Praktikabilität, dem individuellen Lebensentwurf und der oft geäußerten Lebensqualität. Die Debatte dreht sich deshalb zunehmend um einen zukünftigen Ausgleich zwischen persönlichen Wünschen und gesellschaftlichen Notwendigkeiten wie Klimaschutz und Bezahlbarkeit. Vergessen wird oft die Möglichkeit zur Nachverdichtung auf Grundstücken der Sechzigerjahre. Dort haben noch die Eltern oder Großeltern gebaut. Hier entsteht eine Gelegenheit für weitere Einfamilienhäuser, wenn alle Generationen mitziehen.
Das Einfamilienhaus ist keineswegs immer „nicht nachhaltig“, aber es steht den Zielen nachhaltiger Stadtplanung diametral entgegen, die auf Verdichtung, Ressourcenschonung und soziale Vielfalt setzt. Es gibt noch mehr Ansätze, Einfamilienhäuser nachhaltiger zu gestalten: mit kleineren Grundrissen, der Aufhebung der Stellplatzpflicht und ohne Kellergeschoss. Doch in dicht besiedelten Regionen bleiben sie Herausforderung und Wunsch.
Dabei sind die Vorgaben in den ländlich geprägten Räumen besser umzusetzen. Das Einfamilienhaus ist nicht weg vom Fenster, aber seine Popularität schwankt je nach Region, Zinslandschaft und gesellschaftlichen Trends. In Deutschland bleibt das Eigenheim für viele weiterhin ein Wunsch.
Der Autor des Gastbeitrags ist Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule Biberach.