Muskeln entscheiden nicht über sozialen Rang

8

Langzeitstudie

Berggorillas: Muskeln entscheiden nicht über sozialen Rang

Aktualisiert am 10.08.2025 – 08:13 UhrLesedauer: 3 Min.

Berggorillas in UgandaVergrößern des Bildes

Auch Gorilla-Weibchen können – trotz des extremen Größen- und Kraftunterschieds – Konflikte für sich entscheiden. (Quelle: Martha Robbins/EurekAlert/dpa/dpa-bilder)

News folgen

Eine Studie untersucht das Geschlechterverhältnis bei Berggorillas. Die Erkenntnisse geben demnach auch Aufschluss über die Ursachen der ungleich verteilten Macht bei uns Menschen.

Anführer, Beschützer, Silberrücken – Männliche Berggorillas gelten aufgrund ihrer Größe und Muskelmasse als Synonym für Dominanz, Kraft und Macht. Aber so eindeutig ist die Überlegenheit der Männchen in ihren Gruppen nicht, wie ein Forschungsduo im Fachmagazin “Current Biology” berichtet.

Für die Studie griffen Nikolaos Smit und Martha Robbins vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie auf Daten aus über 25 Jahren Forschung an vier wilden Berggorilla-Gruppen (Gorilla beringei beringei) in Uganda zurück. Zwar ist die Stellung des Alpha-Männchens in den Gruppen unangefochten, aber darüber hinaus sind die Beziehungen zwischen Weibchen und anderen Männchen komplexer als bisher gedacht. Auch Gorilla-Weibchen können – trotz des extremen Größen- und Kraftunterschieds – Konflikte für sich entscheiden und in der Rangordnung über männlichen Gorillas stehen.

Oft handelt es sich dabei um jüngere oder ältere Männchen, die zwar körperlich überlegen sind, aber in der Gruppenhierarchie unter den Damen stehen. “Obwohl der ranghöchste Gorilla in jeder der vier Untersuchungsgruppen ein Männchen war, rangierten trotzdem 88 Prozent der Weibchen in der Rangordnung vor mindestens einem anderen erwachsenen Männchen”, heißt es.

Das funktioniere nicht über Kraft, sondern vor allem über soziale Strukturen, vermutet das Team: “Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass Alpha-Männchen die Weibchen dabei unterstützen, andere Männchen zu dominieren. Zudem könnten Nicht-Alpha-Männchen in Konkurrenzsituationen bereit sein, sich einem Weibchen zu beugen, um in der Gruppe zu verbleiben.”

Der hohe Platz in der Rangordnung bringt den Damen einige Vorteile: besserer Zugang zu Ressourcen wie Nahrung, freie Partnerwahl und ein Mitspracherecht bei Entscheidungen innerhalb der Gruppe.

Insgesamt beobachteten die Forschenden 32 Weibchen und 24 Männchen, wobei sie typische Konfliktsituationen untersuchten. In etwa einem Viertel dieser Fälle gelang es den Weibchen, sich gegenüber den teilweise doppelt so schweren Männchen durchzusetzen. Aber wie?

Tatsächlich gewannen die Weibchen meistens in Situationen, in denen das Männchen nicht in seinen besten Jahren war, also entweder älter als 30 Jahre oder jünger als 20. Konkurrenz unter männlichen Gorillas spielte eher eine untergeordnete Rolle, ebenso wie die Paarungsreife der Weibchen. Es kommt bei den Berggorillas also auf wesentlich mehr an als auf körperliche Überlegenheit.

“Alpha-Gorillas im besten Alter stehen im Mittelpunkt ihrer Gruppen, sie zeugen etwa 85 Prozent der Nachkommen und sie gewinnen fast alle Interaktionen mit Weibchen”, schreibt das Team. Sie sind also quasi unangreifbar. “Im Gegensatz dazu können Nicht-Alpha-Männchen, die nur begrenzte Kontrolle über die Fortpflanzung haben, sich den Weibchen unterordnen, um möglicherweise eine zukünftige Verbindung mit ihnen auszuhandeln und/oder ihre Vertreibung aus der Gruppe zu vermeiden.”

Verschiedene Arten von Menschenaffen haben durchaus unterschiedliche Geschlechterverhältnisse: Während bei Gewöhnlichen Schimpansen (Pan troglodytes) die Männchen dominieren, geben bei Bonobos (Pan paniscus) – auch Zwergschimpansen genannt – die Weibchen den Ton an.

Die Erkenntnisse zu Gorillas mit ihrem extrem ausgeprägten Größenunterschied zwischen den Geschlechtern lassen Rückschlüsse auf die Entwicklung der Rollenstrukturen unter Menschen zu. Der im Vergleich dazu moderate Größenunterschied zwischen Männern und Frauen sei allein keine ausreichende Bedingung, um die verbreiteten geschlechtsspezifischen Machtasymmetrien in menschlichen Gesellschaften zu erklären, heißt es. Wenn sich solche Strukturen nicht einmal bei unseren nächsten Verwandten durchgängig finden, so das Duo, sei das Patriarchat wohl eher kulturell bedingt.