Der ewige Streit ums Handgepäck im Flugzeug ist vor Gerichten gelandet. Gemeinsam mit europäischen Partnern streitet der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) dafür, dass Flugpassagiere kostenfrei mehr Handgepäck in die Kabine mitbringen dürfen als bislang. Doch die meisten Airlines und ihre Verbände sehen dafür keine Notwendigkeit. Sie wollen den durchaus vorhandenen Platz in Gepäckfächern lieber für zusätzliche Einnahmen nutzen.
Im Kern geht es um die Frage, wie groß „angemessenes Handgepäck“ sein darf, denn die einschlägigen EU-Vorschriften bleiben in diesem Punkt unbestimmt. Die Antworten fallen je nach Perspektive unterschiedlich aus. Europas größter Billigflieger Ryanair lässt beispielsweise nur eine kleine Tasche zu, Außenmaße höchstens 40 mal 30 mal 20 Zentimeter. Alles Weitere kostet. Besonders teuer wird es für Kunden, wenn sie dies erst am Gate bemerken. Die vzbv-Vorstand Ramona Pop spricht daher von „Kostenfallen“.
Bis zu 75 Euro fürs Kabinengepäck
Die Verbraucherschützer wollen Airlines zwingen, zusätzlich einen Kabinenkoffer mit dem vom Airline-Weltverband IATA empfohlenen Außenmaß von insgesamt 115 Zentimetern zu akzeptieren. Typische Rollkoffer in dieser Größe werden schon seit Jahren als Kabinengepäck verkauft, sie in die Kabine mitzunehmen, kostet aber auf vielen Direktflügen teils deftige Aufpreise. Zwischen 6 und 75 Euro pro Kabinenkoffer hat der europäische Verbraucherverband BEUC festgestellt.
Bei Lufthansa wie auch bei anderen Netzairlines sind Tasche und kleiner Koffer im Ticketpreis inbegriffen, weil man für die vielen Umsteiger keinen Unterschied machen will zur Langstrecke. Auch Condor verkauft für ihre neuen City-Flüge Ticktes, bei denen immer ein Trolley und eine kleine Tasche inbegriffen sind. Geht es hingegen zu touristischen Zielen oder auf die Langstrecke, gibt es auch hier im günstigsten Tarif nur die kleine Tasche.
Auch in Brüssel wird über Fluggastrechte gestritten
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat die Direktflieger Norwegian Air, Ryanair, Transavia, Volotea, Easyjet, Wizz und Vueling wegen ihrer Handgepäckpolitik abgemahnt. Zusätzlich wurden Klagen gegen Easyjet, Wizz und Vueling vor deutschen Gerichten eingereicht. In Brüssel tobt zudem zwischen Parlament und Mitgliedstaaten ein Streit um die künftigen Fluggastrechte.

Branchenverbände wie der A4E auf europäischer Ebene lehnen zusätzliche Regeln ab. Ihr zentrales Argument: Die Billigtarife mit einem Mini-Gepäckstück werden millionenfach von Konsumenten gebucht. Vor wenigen Wochen haben die A4E-Mitglieder erklärt, dass sie nach der Sommersaison ein einheitliches Mindestmaß von 40 mal 30 mal 15 Zentimeter als Taschengröße für die Kabine umsetzen. Großzügigere Regelungen aus der Vergangenheit sollen nach Ermessen der Airlines wirksam bleiben.
Auch der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft verteidigt das Baukastenprinzip, nach dem jeder Passagier für zusätzliches Gepäck selbst zahlen muss. Wäre dies nicht der Fall, müssten die Kosten auf alle umgelegt werden, sagt eine Sprecherin.
Platz in den sogenannten Bins (Behälter) über den Sitzreihen wäre durchaus vorhanden. Flugzeugbauer Boeing nennt für die Ryanair-Standard-Maschine 737 Max 8 mit 197 Sitzen eine Kapazität von 174 Gepäckstücken. Konkurrent Airbus hat noch größere Gepäckfächer im Angebot, kann diese auch nachträglich einbauen und wirbt mit der Aussage „Es gibt genug Platz für alle“.
Doch diesen Platz müssen die Airlines nicht unbedingt gratis an die Passagiere verteilen: Bis zu 500.000 Dollar zusätzliche Einnahmen pro Flugzeug stellt Airbus beim Einbau größerer Fächer in Aussicht. Die genaue Konfiguration der Kabine wie auch die Preise für Zusatzleistungen sind allerdings allein Sache der Fluggesellschaften.
Viel Gepäck verzögert Abfertigung
Die von den Verbraucherzentralen beklagte Airline Easyjet will sich offiziell nicht zum laufenden Verfahren äußern, weist aber intern auf operative Vorteile hin, wenn weniger Handgepäck in die Kabine mitgebracht wird. Seit der Änderung der Handgepäckregeln verlaufe das Boarding effizienter, und die Pünktlichkeit sei gestiegen. Die Maschine ist schneller startklar, wenn mehr Platz vorhanden ist.
Denn das machen viele Passagiere gleich nach dem Einsteigen falsch: Die kleinen Gepäckstücke gehören eigentlich unter den Vordersitz und nicht in die großen Fächer über den Sitzen. Im Winter landen dort auch dicke Jacken, Schirme oder Mäntel, und der begehrte Raum wird noch knapper.
Die BEUC-Forderung nach zwei kostenfreien Gepäckstücken würde daher auch nach Auffassung des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft Risiken für den Betrieb bedeuten. Wenn letztendlich in der Kabine nicht ausreichend Platz ist, müssten beim Boarding die letzten Gäste doch ihr Gepäck abgeben – Diskussionen und mögliche Verspätungen inbegriffen. Nach Einschätzung von Airbus lässt sich der Prozess vor dem Start mit den größeren Ablagen regelmäßig um sechs Minuten verkürzen.