Nicolai Tangen: „Eine Umarmung tut irrsinnig gut“

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Nun hat er auch noch ein Buch geschrieben. Dass Nicolai Tangen, 58, der als Chef des norwegischen Staatsfonds das größte Aktienportfolio der Welt verwaltet, ein Mann mit vielseitigen Interessen ist, war bekannt. Er lernte Deutsch und Russisch, baute mit großem Erfolg in London seinen eigenen Hedgefonds, studierte Kunstgeschichte und Organisationspsychologie, machte sich als Kunstsammler einen Namen und absolvierte eine Ausbildung zum Koch.

Seit bald fünf Jahren steht er an der Spitze des Staatsfonds seines mit Öl- und Gasvorkommen gesegneten Heimatlands. Dem Fonds gehören unter anderem Aktien von etwa 9000 Unternehmen aus aller Welt, die umgerechnet rund 1,3 Billionen Euro wert sind.

Über die Frage, wie Tangen nebenher die Zeit zum Schreiben seines in der vergangenen Woche erschienenen Erstlingswerks fand, sollte man nicht zu lange grübeln. Für das Buch, dessen Titel sich mit „Was ich in Märchen, beim Pokern und von den klügsten Chefs der Welt über Führungsstärke gelernt habe“ übersetzen lässt, hatte er erstens eine erfahrene Ko-Autorin. Zweitens fasst es in weiten Teilen zusammen, was Tangen in den vergangenen Jahren schon in seiner Podcast-Serie „In Good Company“ mit Wirtschaftslenkern, Finanzstrategen, Politikern, Sportlern und Wissenschaftlern besprochen hat.

Dafür bot ihm sein Hauptberuf einen entscheidenden Vorteil: Wenn der größte Aktionär der Welt anklopft und um einen Termin bittet, sagt kein Konzernchef leichthin ab.

Die beiden weiteren Quellen, auf die der Buchtitel hinweist, sind schnell erklärt: Auch eine Profipokerspielerin stand Tangen in einer Podcast-Folge Rede und Antwort; und der Held vieler norwegischer Märchen ist ein Außenseiter namens Askeladden, der sich gegen vermeintlich überlegene Gegner behauptet.

Ein kluges Buch mit einer unerwarteten Pointe

Das Buch ist unterhaltsamer und klüger als viele andere Managementratgeber. Und in einer pikanten Angelegenheit geht es weit über das Erwartbare hinaus. In Norwegen geriet Tangen ins Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik, als ein SMS-Wechsel mit Tesla-Chef Elon Musk publik wurde. Der Staatsfondschef hatte den exzentrischen Unternehmer in freundschaftlichem Ton zum Abendessen eingeladen. Das erregte die Gemüter. Dass jene Einladung ausgesprochen wurde, bevor Musk zum Wahlkampfhelfer von Donald Trump wurde, änderte daran ebenso wenig wie die Tatsache, dass Musk sie ablehnte, weil der Staatsfonds als Tesla-Aktionär gegen ein üppiges Vergütungspaket für ihn gestimmt hatte.

In seinem Buch äußert sich Tangen, der alle Fragen zu dieser Episode bisher stets kurz angebunden und scheinbar ungerührt beantwortet hat, nun erstmals ausführlich zu diesem Fall. Er gewährt dabei einen offenherzigen Einblick in sein Innenleben: „Es wäre schön, wenn ich behaupten könnte, das wäre alles nur so an mir abgeperlt. Dass ich es wie ein echter Mann getragen hätte: nur nicht einschüchtern lassen! Die Wahrheit ist: Ich hielt diese Maskerade zwar in Fernseh- und Zeitungsinterviews aufrecht, aber mir ging es dabei ganz furchtbar.“

Auch Finanzprofis wollen mal gedrückt werden

Von einem, der täglich mit Milliardenbeträgen jongliert, kommt dieses Bekenntnis eigener Schwäche überraschend. Tangen geht noch weiter. Seine Vorgesetzte, die Zentralbankchefin, habe sich an einem besonders turbulenten Tag nach seinem Befinden erkundigt; das habe ihm viel bedeutet. Genauso wie eine Geste seiner Kollegen. „Einige aus dem Führungskreis haben mich gedrückt. Ich finde nicht, dass wir uns dauernd in den Armen liegen sollten. Das wäre verkehrt. Aber wenn es dir richtig schlecht geht, tut so eine Umarmung einfach irrsinnig gut.“

Das wiederum passt zur zentralen These, die Tangen vertritt: In unserer Zeit, die so sehr vom technischen Fortschritt und vom Streben nach Perfektion geprägt ist, müssten sich Führungskräfte mehr denn je mit ihren menschlichen Qualitäten auszeichnen. Und dazu gehört laut Tangen auch, sich verletzlich zu zeigen und Gefühle nicht zu verbergen.