Das Bild, das Donald Trump am Montag von der amerikanischen Hauptstadt zeichnete, war düster. Washington werde von „gewalttätigen Banden“, „blutrünstigen Kriminellen“ und „umherziehenden Horden wilder Jugendlicher“ überrannt, behauptete der amerikanische Präsident. Die Stadt sei ein „gesetzloser“ Ort, mit „Slums“ und Randalen auf den Straßen. Dann kündigte Trump eine beispiellose Übernahme der Kontrolle in Washington an. Im Kampf gegen die angeblich außer Kontrolle geratene Gewalt setzt Trump künftig achthundert Soldaten der Nationalgarde in der Hauptstadt ein. Außerdem stellt er die Polizei des Hauptstadtdistrikts für mindestens dreißig Tage unter Bundeskontrolle und hat angeordnet, dass Beamte von Bundesbehörden wie dem FBI und der Drogenbekämpfungsbehörde DEA die Polizei in der Stadt unterstützen.
Trump hatte die Pressekonferenz am Montag groß angekündigt und rief gleich zu Beginn, es handele sich um einen „Tag der Befreiung“ für Washington. „Wir werden uns unsere Hauptstadt zurückholen.“ Jüngste Zahlen der Polizei legen allerdings nahe, dass seine Behauptung, die Sicherheitslage in Washington sei so schlimm wie noch nie, nicht mit der Realität übereinstimmt. Demnach ist die Zahl der Gewaltverbrechen zu diesem Zeitpunkt im Vergleich mit dem vergangenen Jahr um ein Viertel zurückgegangen. Außerdem war die Zahl der Gewaltverbrechen in Washington im vergangenen Jahr so niedrig wie seit mehr als dreißig Jahren nicht mehr.
Washington ein Experimentierfeld für eine militarisierte Verbrechensbekämpfung
Trump ließ am Montag jedoch erkennen, dass Washington in seinem Vorgehen gegen – traditionell demokratisch geprägte – Großstädte nur den Anfang machen wird. Die Lage sei auch in anderen Städten wie Chicago, Los Angeles, Baltimore und Oakland sehr schlimm, behauptete er, und versprach dann, man werde „unsere Städte darüber nicht verlieren“. In D.C. mache man jetzt „sehr stark“ den Anfang; die Hauptstadt werde künftig von „Verbrechen, Blutvergießen, Chaos und Elend“ befreit. Nach Angaben des Verteidigungsministers Pete Hegseth soll die Nationalgarde in der kommenden Woche „auf die Straßen Washingtons strömen“. Es stünden jedoch auch andere Spezialeinheiten des Militärs bereit, wenn das nötig sei.
Da der „District of Columbia“ kein eigener Bundesstaat ist, hat die Bundesregierung weitreichende Befugnisse, dort einzugreifen – auch gegen den Willen der Stadtregierung. Der sogenannte Home Rule Act von 1973 erlaubt D.C. begrenzte Selbstverwaltung, doch der Präsident kann, anders als in Bundesstaaten, ohne Zustimmung der Stadtregierung Bundesbeamte oder das Militär einsetzen. Das macht die Stadt zu einem Experimentierfeld für eine militarisierte Verbrechensbekämpfung, wie Trump sie in der Vergangenheit befürwortet hat.
Abschnitt 740 des „Home Rule Act“ erlaubt es dem Präsidenten außerdem, die Metropolitan Police im Falle „besonderer Notfall-Bedingungen“ für dreißig Tage unter Bundeskontrolle zu stellen. Anschließend müsste der Kongress einer Verlängerung zustimmen. In den vergangenen Wochen hatte Trump schon die unter Bundeskontrolle stehende Park Police eingesetzt, um in Washingtoner Parks, die Bundeseigentum sind, Personen zu kontrollieren. Es gab einige Festnahmen wegen Rauschgift- und öffentlichem Alkoholkonsum.
Trump sprach schon in seiner ersten Amtszeit davon, mehr Kontrolle über Washington auszuüben. Damals ging es unter anderem um Überlegungen, 2020 Polizisten aus verschiedenen Bundesstaaten nach Washington zu rufen, um die Black-Lives-Matter-Proteste zu unterdrücken. Am Ende entschied er sich aber für den Einsatz der Nationalgarde. Diesmal entzündete sich die neue Eskalation offenbar an dem Angriff auf einen früheren Mitarbeiter des „Departments for Government Efficiency“ Anfang August. Trump erwähnte den Fall in seiner Pressekonferenz am Montag und sagte, der Mann sei nach der brutalen Attacke „blutüberströmt“ zurückgelassen worden. „Er dachte, er wäre tot.“
Trump: Demokraten schuld an der Krise
Der 19 Jahre alte Edward Coristine war am 3. August in den frühen Morgenstunden in der Innenstadt von Washington an seinem Auto angegriffen worden. Nach Angaben der Polizei näherte sich ihm und einer Frau eine Gruppe Teenager. Coristine soll die Frau zu deren Schutz ins Auto geschubst haben und anschließend angegriffen worden sein. Die Angreifer seien geflohen, als sich in der Nähe befindliche Polizeibeamte näherten. Einige Tage später wurden zwei Fünfzehnjährige aus Hyattsville in Maryland festgenommen und wegen unbewaffneten versuchten Car-Jackings (Autodiebstahl im Beisein des Besitzers) festgenommen.
Trump machte in der Pressekonferenz die Demokraten für die Lage in Washington verantwortlich. Die „Krise der öffentlichen Sicherheit“ sei eine direkte Folge des totalen Versagens des „linksradikalen“ Stadtrats. Trotz mehrerer Gespräche mit der Bürgermeisterin Muriel Bowser hatte Trump die Kritik an ihr in den vergangenen Tagen verschärft und ihr Untätigkeit vorgeworfen. Während seines Auftritts am Montag behauptete er, die Mordrate in der Stadt sei so schlimm wie in Bagdad, Bogota oder Mexico City, Städten, „von denen man hört, sie seien die schlimmsten Orte auf der Welt“. Der Generalstaatsanwalt von Washington, Brian Schwalb, warf Trump am Montag eine unnötige Eskalation vor. Die Maßnahmen seien beispiellos und rechtswidrig, es gebe keinen Kriminalitätsnotstand im Distrikt. Man werde alles Notwendige tun, um die Rechte und die Sicherheit aller Bewohner Washingtons zu schützen.
Nachdem Trump in den vergangenen Wochen wegen seines Umgangs mit den Epstein-Ermittlungsakten in der Kritik gestanden hatte, hob er nun hervor, das Durchgreifen in Washington entspreche seinem entschlossenen Handeln an der amerikanischen Südgrenze – auch in Washington sei es Zeit für „drastische Maßnahmen“.