Die Qualität vieler Gewässer in Deutschland lässt zu wünschen übrig. Oft liegt es an der übermäßigen Vermehrung von Algen. Mit Messbojen soll deren Überwachung nun auf ein neues Level gehoben werden.
Im August 2022 treiben Millionen Fische leblos an der Wasseroberfläche der Oder. Behörden und Forscher stehen vor einem Rätsel: Woran sind die Tiere verendet? Zwei Expertengruppen – eine deutsche und eine polnische – kommen laut Bundesumweltministerium zu demselben Schluss: Die Ursache für das Massensterben war ein hoher Salzgehalt im Wasser. Mit ihm hatte sich die Brackwasseralge “Prymnesium parvum” massenhaft vermehrt und ein für Fische tödliches Gift ausgestoßen. Und das Salz? Das gelangte maßgeblich aus polnischen Bergbaubetrieben in die Oder.
75 Prozent der Seen in mäßigem Zustand
Es sind Hiobsbotschaften wie diese, die Forscher Karsten Rinke vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung antreiben, das Algen-Frühwarnsystem schnell zu verbessern. Laut Umweltbundesamt sind ein Drittel der Seen in Deutschland in nur mäßigem Zustand, mit vielen Algen. Jeder vierte See ist in einem unbefriedigenden Zustand, jeder zehnte See sogar in einem schlechten. Die Folge: Badeverbote, Fischsterben, die Gefährdung der Trinkwasser-Reservoire. Vor allem Trinkwassertalsperren sind als stehende Gewässer besonders anfällig für Algenpopulationen.
Wichtig sei es jetzt, so Rinke, die Überwachung zu verbessern, um schneller auf kippende Gewässer reagieren zu können.
Neue Messboje soll Satellitenüberwachung unterstützen
Dafür lassen er und sein Team eine neue Messboje ins Wasser des Brandenburger Scharmützelsees. Dieser ist neben dem Steinhuder Meer in Niedersachsen und dem Arendsee in Sachsen-Anhalt einer von drei Seen, die engmaschig untersucht werden sollen.
Vier Jahre lang bauten Rinke und sein Team an der 200 Kilogramm schweren Messboje. Die Messtechnik im Wert von 80.000 Euro soll alle 15 Minuten unter anderem die Sauerstoff- und Chlorophyll-Konzentration im Wasser messen.
Die Werte sollen die Satellitenbilder aus dem EU-Programm “Copernicus” ergänzen. Diese überfliegen Deutschland mehrere Male am Tag und beobachten die Oberflächen der Seen und Flüsse. Ihre Kameras versuchen die Algen-Konzentration auf der Wasseroberfläche zu erkennen, doch das sei schwierig, erklärt Rinke. “Jetzt kann man sich natürlich vorstellen, dass unser Satellit, der 800 Kilometer über den See hinüber fliegt, Schwierigkeiten hat, diese Algen-Konzentration präzise zu bestimmen.”
Satelliten mit Chlorophyll-Werten trainieren
Deshalb soll das optische Bild des Satelliten mit den Chlorophyll-Werten im Wasser ergänzt werden, gesammelt von der Boje. Der Wert zeigt, wie hoch die Nährstoffbelastung im Wasser ist, denn “wenn der See zu viele Nährstoffe hat, entwickeln sich Blaualgen, dann Algenblüten, es kommt zu Sauerstoffmangel und Fischsterben. Das ist das, was man in diesen typischen Hitzelagen, die wir in Deutschland ja hatten, verstärkt hört.”
Der Chlorophyll-Wert bewege sich im Bereich von Mikrogramm pro Liter, so Rinke, ein millionstel Gramm. Ziel sei es, dass das System lernt, welcher Chlorophyll-Wert, also welche Nährstoffbelastung, zu welchen Satellitenbildern passt. Dieses Wissen soll dann bei der Beobachtung aller Gewässer in Deutschland angewendet werden.
“Wir stehen wieder am Anfang”
Doch allein die Daten würden noch keinen See wieder aufwerten, warnt der Forscher. In der Vergangenheit sei viel gemacht worden, um Gewässer zu schützen: “Wir haben in der Landwirtschaft Dinge verändert, wir haben unsere Abwasserreinigung verbessert, und viele von den positiven Effekten, die wir dadurch erreicht haben, werden im Moment wieder zunichte gemacht.”
Denn während der Eintrag schädlicher Nährstoffe sank, stiegen die Wassertemperaturen – bis zu vier Grad im Sommer in stehenden Gewässern – perfekter Nährboden für die Blaualgen. “Durch den Klimawandel stehen wir im Grunde wieder am Anfang. Es wird darauf hinauslaufen, dass wir mit der Nährstoffbelastung noch deutlich weiter nach unten gehen müssen, als wir das eigentlich immer geglaubt haben.”