Der Mercedes-Vorstandsvorsitzende Ola Källenius hat sich von der früher propagierten Luxusstrategie vorsichtig distanziert: In einem Gespräch mit dem „Handelsblatt“ sagte Källenius wörtlich: „Wir haben unsere Strategie eigentlich nie so bezeichnet. Richtig ist: Mercedes-Benz steht seit jeher für das Besondere.“ Vor drei Jahren klang das alles noch ganz anders, als Ola Källenius eine Präsentation von 22 Seiten in englischer Sprache zeigte unter der Überschrift „Die Seele von Mercedes-Benz“, mit der Unterzeile: „Unsere strategischen Prinzipien als Luxusunternehmen“. Die erste Säule der künftigen Unternehmensstrategie sollte sein: „Denke und agiere wie ein Luxusunternehmen“. Dann wurde erklärt, wie das Autogeschäft von Mercedes neu definiert werden sollte, am Beispiel eines Diamanten mit einem runden Ende und einer Spitze sowie mit den drei Marktsegmenten „Entry Luxury“, „Core Luxury“ sowie „Top-End Luxury“.
Früher, im Jahr 2019, sei das breite, runde Ende des Diamanten unten gewesen, auf dem niedrigsten Segment, der Eintrittsschwelle für den Luxus, also etwa bei den Modellen der A-Klasse, B-Klasse, CLA und GLA. Die Spitze zeigte auf einen schmaleren Absatz für das „obere Ende des Luxus“. Källenius zeigte in der schematischen Darstellung, wie er sein Autogeschäft umdrehen wollte: Im untersten Marktsegment nur eine kleine schmale Spitze, die teurere Autos mit kleineren Verkaufszahlen im Kompaktwagenmarkt symbolisieren sollte. Dagegen sollte künftig das breite Ende des Diamanten ins oberste Marktsegment reichen, also genau dort, wo die S-Klasse, der elektrische EQS, die teuren Oberklasse-Coupés und SUV oder die hochmotorisierten AMG-Versionen und die luxuriösen Maybach angesiedelt sind. Das Konzept mit dem Diamanten als Symbol des Mercedes-Marktes sollte das Ziel für 2026 darstellen.
Absatzzahlen deckten sich nicht mit der Strategie
Die Absatzzahlen von 2024 passten allerdings dann nicht in diese Luxusstrategie. Denn sowohl bei „Entry“ als auch bei „Top-End“ wurde gegenüber 2023 ein Absatzrückgang um 14 Prozent ausgewiesen. Im Eingangssegment schrumpfte der Absatz auch wegen schwacher Smart-Zahlen auf 535.000, im obersten Segment von 328.000 im Jahr 2023 auf wenig mehr als 281.000 für 2024. Im ersten Halbjahr 2025 ist der Absatz des Segments „Top-End“ um weitere acht Prozent gesunken.
Källenius kommentiert diese Lage damit, dass die Modelle im „Top-End“ im Vergleichsjahr 2019 etwa elf Prozent des Mercedes-Absatzes ausgemacht hätten, derzeit liege die Quote bei 14 Prozent. Weil die Gewinnschwelle durch Kostenabbau gesenkt worden sei, könnten die luxuriösen Modelle nun auch einen größeren Gewinnbeitrag liefern als früher. Impulse durch neue Modelle sind in diesem Segment erst etwas später zu erwarten, während Mercedes vom Herbst an erst einmal das mittlere Marktsegment des Konzerns mit zwei neuen Modellen stärkt, dem neuen CLA sowie dem Elektro-SUV der Mittelklasse als Pendant zum aktuellen Verbrenner GLC.
Dutzende neue Modelle bis 2028
Källenius sagt nun, dass Mercedes vor der größten Produktoffensive der Geschichte stehe, mit Dutzenden neuen Modellen bis 2028. Für das Kerngeschäft hatte Källenius vor Kurzem für 2026 und 2027 drei Elektromodelle und vier Verbrenner angekündigt. Für das obere Ende des Marktes waren 2026 und 2027 elf Verbrennermodelle und elf Elektroautos angekündigt.
Die kompakten Eintrittsmodelle der A- und B-Klasse sollen offenbar relativ bald auslaufen. Mercedes hatte in den Neunzigerjahren begonnen, sich um dieses Marktsegment zu kümmern, um junge Kunden anzusprechen sowie um Skaleneffekte durch Stückzahlen zu generieren, etwa auch für den Handel. Schließlich lag es auch nahe, eine ganze Modellfamilie zu schaffen, sobald einmal eine Plattform für Kompaktmodelle nötig geworden war. Die hat im Gegensatz zu den anderen Mercedes Vorderradantrieb und quer eingebaute Motoren mit maximal vier Zylindern. Derzeit stehen darauf fünf Modelle. Doch die größeren davon bekommen künftig einen anderen Unterbau, daher sind die Skaleneffekte der kleinen nicht mehr nötig.