Mord in Kolumbien: Uribes Tod erschüttert das Land

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Die Liste politischer Morde in Kolumbien ist lang. Nun ist ein weiterer Mord hinzugekommen, der die Wunden des Landes aufreißt. Am Montag ist der vor zwei Monaten bei einem Attentat schwer verletzte kolumbianische Senator und Präsidentschaftsanwärter Miguel Uribe Turbay im Krankenhaus gestorben.

Der 39 Jahre alte Politiker von der rechtskonservativen Partei „Demokratisches Zentrum“ war Anfang Juni während eines Wahlkampfauftrittes in der Hauptstadt Bogotá von mehreren Kugeln getroffen worden, zwei davon am Kopf. Trotz anfänglicher Fortschritte blieb sein Zustand kritisch. Eine Gehirnblutung besiegelte nun sein Schicksal.

Die Hoffnung auf ein Wunder ist zunichte, das Land schockiert. „Ich bitte Gott, mir den Weg zu zeigen, um zu lernen, ohne dich zu leben“, schrieb Uribes Frau. „Ruhe in Frieden, Liebe meines Lebens, ich werde mich um unsere Kinder kümmern.“ Kolumbiens Präsident Gustavo Petro sagte, dass das Leben über jeder Ideologie stehe. Miguels Tod tue ihm weh, als wäre er „einer von uns“, sagte Petro über Uribe – einer seiner härtesten politischen Gegner. „Ein ermordeter Kolumbianer ist eine Niederlage.“

Auch Uribes politischer Ziehvater, der frühere Präsident Álvaro Uribe, der nicht mit dem Senator verwandt ist, beklagte dessen Tod: „Das Böse zerstört alles, sie haben die Hoffnung getötet. Möge Miguels Kampf ein Licht sein, das den richtigen Weg Kolumbiens beleuchtet.“

Uribes Mutter wurde von Escobars Kartell entführt

Der jugendliche Täter wurde gleich nach der Tat verhaftet. Später nahmen die Behörden mehrere andere Personen fest, gaben aber keine Informationen über die möglichen Drahtzieher oder Motive hinter dem Anschlag. Unter den Festgenommenen befindet sich auch ein lokaler Rauschgifthändler. Die Ermittler gehen auch möglichen Verbindungen zu einer Zelle von ehemaligen Kämpfern der „Revolutionären Streitkräften Kolumbiens“ (FARC) nach. Auf dem Mobiltelefon des Täters sollen auch Hinweise auf Kontakte zur „Nationalen Befrei­ungsarmee“ (ELN) gefunden worden sein.

Unabhängig von der Täterschaft handelt es sich um den gravierendsten politischen Mord in der jüngeren Vergangenheit Kolumbiens. Er weckt Erinnerungen an eine dunkle Zeit, als das organisierte Verbrechen und Rebellengruppen poli­tische Kandidaten, Journalisten und Richter ungestraft ermordeten. Zwischen 1986 und 1990 wurden fünf Präsidentschaftskandidaten ermordet. In diese Zeit fällt auch Uribes persönliches Trauma.

Seine Mutter, Diana Turbay, eine angesehene Journalistin, wurde 1990 von den Schergen von Pablo Escobars Medellín‑Kartell entführt und im Jahr darauf während einer fehlgeschlagenen Rettungsaktion getötet. Uribe war damals fünf Jahre alt – zu jung, um das Ausmaß dieser Katastrophe zu begreifen, aber alt genug, um vom Trauma nie mehr losgelassen zu werden. „Wenn meine Mutter bereit war, ihr Leben für eine Sache zu geben, wie könnte ich dann nicht dasselbe im Leben und in der Politik tun?“, sagte Uribe vor einem Jahr in einem Interview.

Duzende Morde an Aktivisten jedes Jahr

Nun könnten die Parallelen nicht erschütternder sein. 35 Jahre nach dem Tod seiner Mutter und rund zehn Jahre nach dem Friedensabkommen zwischen Kolumbien und den FARC wird wieder einmal klar, dass Kolumbien noch keinen Frieden gefunden hat. Jedes Jahr werden Dutzende lokale Führungspersonen, Aktivisten und Unterzeichner des Friedens­abkommens getötet.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden in den neun Jahren seit dem Abschluss des Friedens­abkommens 1372 Morde an Aktivisten gezählt. Allein im vergangenen Jahr waren es mehr als 200. Hinzu kommen etliche Opfer von Anschlägen weiterhin aktiver bewaffneter Gruppen. Kolumbien sei das gefährlichste Land der Welt, um Menschenrechte zu verteidigen, sagte Kolumbiens Generalstaatsanwältin Luz Adriana Camargo noch Anfang des Jahres.