Nach mehreren Strategiewechseln steht nun der Mercedes -Vorstandsvorsitzende Ola Källenius, womöglich auch Entwicklungsvorstand Markus Schäfer, vor der letzten Probezeit: Gelingt es, die bröckelnden Verkaufszahlen zu stabilisieren und 2026 wieder steigende Absatzzahlen zu melden? Die Umstände sind denkbar schwierig, wegen harter Konkurrenz in China und Trumps erratischer Zollpolitik für die Autobranche. Trotz der Vorteile der SUV-Produktion in den USA wird es für Mercedes schwieriger, günstigere, in Mexiko produzierte Modelle, in den Vereinigten Staaten zu verkaufen. Und die größeren Limousinen und Sportwagen kommen bisher weiter aus deutschen Fabriken – mit Zöllen. Dennoch müsste wirklich viel schiefgehen, wenn Mercedes mit zwei brandneuen und attraktiven Volumenmodellen, dem Mittelklasse-CLA und der Elektroausgabe des Mittelklasse-SUV GLC, nicht einen Aufschwung verspürte.
Källenius steht gleichwohl etwas beschädigt da, weil er drei Mal eine strategische Kehrtwende vollziehen musste. Die Wendemanöver werden nun besonders deutlich, weil er früher allzu oft versuchte, aus der Not eine Tugend zu machen, und das Ergebnis dann als mutigen Zukunftskurs verkaufte. Klar war von Anfang an, dass ein Hersteller mit einem Jahresabsatz von zwei Millionen Autos und breiter Produktpalette keine Chance haben würde, ähnlich wie Volkswagen (neun Millionen Autos) neben der alten Verbrennertechik eigene Plattformen und Fabriken für E-Autos einzurichten. Källenius trat die Flucht nach vorne an und wollte fast nur noch Elektroautos bauen, doch Infrastruktur und Markt waren nicht so schnell. Nun kommt doch die Wende zur zweispurigen Strategie und die wird teurer.
Die mutige Zukunftsstrategie in Richtung Elektroauto sollte auch das Design der Limousinen EQS und EQE symbolisieren, doch die wollten bisher nur wenige Kunden. Nach einer verlorenen Modellgeneration gibt es nun die Wende zurück zum repräsentativen Mercedes-Grill. Schließlich wurde auch noch vor wenigen Jahren die Luxusstrategie ausgerufen. Ausgangspunkt war damals, dass Mercedes meinte, auf eine ganze Modellfamilie von frontgetriebenen Kompaktautos verzichten zu können, weil doch die teuersten Modelle aus dieser Modellfamilie, CLA und wohl auch GLA, eine neue Plattform bekommen. Nun wird gehöhnt über die Luxusambitionen, während vielleicht noch Stückzahlen gebraucht werden. Dennoch gilt: Falls Källenius die Wende nicht gelingt, hätte wohl auch ein Nachfolger Schwierigkeiten, dem Namen Mercedes alten Glanz zu geben.