Merz nach 100 Tagen unbeliebter als seine Vorgänger

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Friedrich Merz konnte es kaum erwarten, als Bundeskanzler endlich loslegen zu dürfen. Am 6. Mai musste er sich aber länger gedulden als gedacht: Im ersten Wahlgang verpasste er die sogenannte Kanzlermehrheit im Bundestag, die er erst später am Tag erhalten sollte. Manche sprachen da schon von einem missglückten Start. In seiner Regierungserklärung aber ließ Merz keinen Zweifel an seinem Ziel, Tempo zu machen: „Ich möchte, dass Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, schon im Sommer spüren: Hier verändert sich langsam etwas zum Besseren; es geht voran.“ Und sein Kanzleramtsminister Thorsten Frei präzisierte wenige Tage später: „Wir werden uns keine 100 Tage Zeit lassen, sondern unsere Zielvorgabe sind die ersten 70 Tage.“

Jetzt ist Merz hundert Tage im Amt und Demoskopen messen für ihn und seine schwarz-rote Koalition nur mäßige Zufriedenheitswerte. Müsste es nicht wie nach einer Hochzeit einen Honeymoon geben, eine Phase, in der die Bevölkerung der neuen Regierung einen Vorschuss an Vertrauen schenkt? Zumal, nachdem sich die Vorgängerregierung vollends zerstritten hatte?

Aber Schwarzrot, das ist eben keine „Liebesheirat“, wie anlässlich der 100 Regierungstage nun der Unionsfraktionsvorsitzende Jens Spahn deutlich machte. Und klar ist: Auch ein guter Start sichert noch keine Wiederwahl – das weiß Olaf Scholz nur zu gut. Dessen Ampelregierung nannte sich Fortschrittskoalition, war zunächst recht beliebt wie auch der Kanzler selbst, vor allem nach der Zeitenwende-Rede Anfang 2022. Die Euphorie aber verflog danach schnell. Kein anderer Kanzler war so lange so unbeliebt wie Scholz in der Endphase seiner Kanzlerschaft.

Demoskop Abold: Schlechtes Zwischenzeugnis

Dass Merz mit mäßigen Zufriedenheitswerten startet, muss noch nichts heißen, ist aber durchaus bemerkenswert. So waren mit Gerhard Schröder nach den ersten hundert Tagen im Amt 63 Prozent zufrieden, mit Angela Merkel 74 Prozent und mit Olaf Scholz 56 Prozent, so Infratest dimap, das seit vielen Jahren im ARD-Deutschland-Trend die Meinung der Deutschen erfragt. Merz kommt bei dem Meinungsforschungsinstitut nach hundert Tagen nur auf 32 Prozent (bei der Konkurrenz von Forsa sind es nur 29 Prozent).

Zufriedenheit mit dem Kanzler nach 100 Tagen

Anteil der Befragten, die mit der politischen Arbeit des Kanzlers zufrieden oder sehr zufrieden waren

Interessant ist, dass Schröder und Merkel in ihren ersten Tagen als Kanzler deutlich beliebter waren als ihre rot-grüne beziehungsweise schwarz-rote Koalition. Scholz war in seinen ersten Tagen ähnlich beliebt wie seine Regierung, und auch Merz ist ausweislich der Daten von Infratest dimap nur unwesentlich beliebter als seine Koalition, aber auf niedrigerem Niveau.

Zufriedenheit mit der Bundesregierung nach 100 Tagen

Anteil der Befragten, die mit der politischen Arbeit des Regierung zufrieden oder sehr zufrieden waren

„100 Tage nach Amtsantritt erhalten der Kanzler und die Bundesregierung von den Wählern ein eher schlechtes Zwischenzeugnis“, sagt Roland Abold, Geschäftsführer von Infratest dimap der F.A.Z. Merz und Schwarzrot stünden zwar zu Beginn etwas besser da als Scholz und die Ampelkoalition zum Ende hin – „allerdings gelingt es Friedrich Merz bis dato nicht, über die eigene Anhängerschaft hinaus eine Mehrheit in der Bevölkerung davon zu überzeugen, dass die von ihm geführte Regierung die vielfältigen politischen Herausforderungen meistern kann“, sagt Abold weiter.

AfD noch mal deutlich stärker als im Februar

Der Streit in der neuen Bundesregierung um Sozialreformen, der Streit um einen richtigen Umgang mit Israel und der Streit um die Richterpersonalien für Karlsruhe lassen manch einen schon an die Ampeljahre zurückdenken. Dabei steht noch ein Herbst bevor, in dem die Regierung Merz Reformen durchsetzen will, die das Land voranbringen und zukunftsfest machen sollen. In den Umfragen stehen Union und SPD noch etwas schlechter da als bei der Bundestagswahl im Februar – und schon die war für beide Parteien enttäuschend verlaufen. Die neue SPD-Vorsitzende Bärbel Bas mahnte angesichts dessen am Mittwoch einen besseren Umgang in der Koalition an, denn aktuell hätten viele Bürger das Gefühl, „es wird doch wieder gestritten“.

Dabei konnte Kanzler Merz in den ersten hundert Tagen seiner Amtszeit durchaus auch Erfolge für sich verbuchen. Der befürchtete Austritt der Vereinigten Staaten aus dem westlichen Verteidigungsbündnis NATO blieb aus. Und an den deutschen Grenzen wird nach seinen Vorstellungen verschärft kontrolliert und zurückgewiesen. Die Asylzahlen sind, wie auch schon in der Endphase der Ampelregierung, stark rückläufig. Vor allem mit einer Wende in der Asylpolitik wollte Merz die AfD wieder kleinmachen.

In dieser Woche sehen jedoch die Demoskopen von Forsa, wie auch schon mal im April, die AfD mit 26 Prozent zwei Punkte vor der Union auf Platz eins in ihrer Umfrage. Das sind gut fünf Punkte mehr, als die Partei von Alice Weidel und Tino Chrupalla bei der Bundestagswahl erhalten hat. Andere Institute sahen die AfD zuletzt etwas schwächer und etwas schlechter als die Union. Noch jedenfalls ist Merz seinem Ziel, die AfD zu halbieren, nicht nähergekommen.

DSGVO Platzhalter

Das wäre in nur hundert Tagen Amtszeit wohl auch einem Wunder gleichgekommen. Dennoch: Dass die AfD seit Februar noch einmal stärker geworden ist, dürfte den Druck auf die neue Bundesregierung weiter erhöhen. Angesichts der jüngsten Konflikte in der Koalition traf sich denn auch Bundeskanzler Merz am späten Dienstagabend mit der engsten CDU-Spitze im Kanzleramt in Berlin, um über die Lage der Regierung zu sprechen.