Geht es nach dem amerikanischen Außenministerium, hat sich die Menschenrechtslage in Deutschland im vergangenen Jahr verschlechtert. Es gebe „schwerwiegende Menschenrechtsverstöße“, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Bericht der Regierung, der jährlich erscheint. Dazu zählten „Einschränkungen der Meinungsfreiheit und glaubwürdige Berichte über Straftaten, Gewalt oder Gewaltandrohungen aus antisemitischen Motiven“. Die Bundesregierung hat die Vorwürfe am Mittwoch zurückgewiesen. „Es findet hier in Deutschland keine Zensur statt“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Steffen Meyer in Berlin.
Ländern wie El Salvador bescheinigt der Bericht derweil, es habe „keine glaubwürdigen Berichte über schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen“ gegeben. Das sind entschieden andere Einschätzungen, als sie noch im vergangenen Jahr unter der Biden-Regierung getroffen wurden.
Im Falle Deutschlands heißt es unter anderem, Strafverfolgungsbehörden führten „regelmäßig Hausdurchsuchungen durch“ und ermittelten gegen Personen „wegen der Ausübung ihrer Meinungsfreiheit, auch im Internet“. Als Beispiel werden an dieser Stelle Hausdurchsuchungen im Rahmen einer Initiative zur „Bekämpfung von Frauenfeindlichkeit im Internet“ genannt, die seit 2022 existiert, und die gegen Verfasser frauenfeindlicher Beiträge mit strafrechtlicher Relevanz vorgeht.
„Massenzuwanderung“ als Grund für Antisemitismus
Grundlage dafür ist laut Bundeskriminalamt ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln, in dem bestätigt wurde, dass pauschale Verunglimpfungen von Frauen als Volksverhetzung strafbar sein können. Ein Mann war damals verurteilt worden, weil er „Weiber“ als „den Tieren näherstehend“ und „Menschen zweiter Klasse“ bezeichnet hatte. Das Beispiel wurde von Seiten Amerikas schon einmal vorgebracht – Vizepräsident J.D. Vance führte es in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar an, in der er Europa mangelnde Meinungsfreiheit vorwarf.
Unter dem Schlagwort „Zensur durch Regierungen“ steht in dem Bericht, ein Gesetz verpflichte Internetplattformen, auch amerikanische, dazu, Hassrede innerhalb von 24 Stunden zu entfernen; sonst drohten hohe Geldstrafen. Das dürfte sich auf das Netzwerkdurchsetzungsgesetz von 2017 beziehen, mit dem Hasskriminalität im Internet bekämpft werden soll. Eine Kongressdelegation war jüngst erst nach Brüssel gereist, um dort über die „globalen Standards der Zensur“ zu sprechen, die angeblich „politische Diskussionen in Europa, den Vereinigten Staaten und weltweit“ zensierten. In dem Abschnitt über angebliche Zensur heißt es am Ende ohne Einordnung weiter, „nichtstaatliche Gruppen und Privatpersonen“ versuchten, die Meinungsfreiheit in Deutschland einzuschränken, „auch die von Journalisten“.
In Bezug auf den gestiegenen Antisemitismus, den auch die deutsche Meldestelle RIAS für 2024 verzeichnete, stellen die Verfasser einen Zusammenhang mit Migration dar, den sie nicht belegen. Es heißt, „Untersuchungen“ hätten ergeben, dass die „Massenzuwanderung“ in Deutschland ein „wichtiger Faktor“ für Antisemitismus sei. Diese Bevölkerungsgruppen verträten „weitaus häufiger antisemitische Ansichten“ als gebürtige Deutsche. Namentlich genannt werden als Herkunftsländer Syrien, Afghanistan und die Türkei.
Bericht der aktuellen Politik angepasst
Im RIAS-Bericht zum vergangenen Jahr heißt es, bei den Vorfällen, die einem politischen Hintergrund zugeordnet werden konnten, sei der „antiisraelische Aktivismus“ mit 26 Prozent die häufigste Kategorie gewesen. Viele der „Verschränkungen von Antisemitismus und Rassismus“ richteten sich derweil gegen Geflüchtete, „etwa durch die Verbreitung des rechtsextremen, antisemitischen und rassistischen Verschwörungsmythos vom sogenannten großen Austausch“.
In Berlin wurde die Kritik aus den Vereinigten Staaten am Mittwoch zurückgewiesen. „Die Bundesregierung bekämpft Antisemitismus in all seinen Formen“, sagte Regierungssprecher Meyer. In Bezug auf die angeblich schlechte Lage der Meinungsfreiheit sagte er noch: „Wir haben in Deutschland ein sehr hohes Maß an Meinungsfreiheit, und das werden wir auch in jeder Form weiter verteidigen.“ Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Jens Spahn, widersprach den Vorwürfen ebenfalls. Jeder kann in Deutschland sagen, was er denkt. Das ist ein freies Land“, sagte er bei Welt TV.
Amerikanische Medien hatten im April berichtet, die Regierung habe das Außenministerium angewiesen, den gesetzlich vorgeschriebenen Menschenrechtsbericht künftig zu „straffen“ und auf das vorgeschriebene Minimum zu reduzieren. Am Ende des aktuellen Papiers heißt es, man habe die Menge statistischer Daten minimiert. „Im Zeitalter des Internets sind die zugrunde liegenden Daten in der Regel verfügbar.“
Laut der Anweisung im Frühjahr zielten die Änderungen darauf, die Berichte mit der aktuellen Politik der Vereinigten Staaten und „kürzlich erlassenen Dekreten“ in Einklang zu bringen; letzteres steht auch im Anhang des Berichts. Gestrichen wurden nun unter anderem Themen wie Gewalt und Diskriminierung gegen LGTBQ-Personen, geschlechterspezifische Gewalt und alle Verweise auf Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion.
Im Bericht über El Salvador, das mit Donald Trump eng in der Migrationspolitik zusammenarbeitet und das Migranten aus den Vereinigten Staaten übernommen hat, wird die Lage von Häftlingen in seinen berüchtigten Gefängnissen nur touchiert. Es heißt, „einige Verdächtige“ seien in Haft gestorben, bevor sie verurteilt wurden oder ihre Strafe verbüßt hatten. Die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ sprach in ihrem jüngsten Bericht jedoch davon, die Behörden des Landes hätten „schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen“ begangen, unter ihnen willkürliche Massenverhaftungen, Verschleppungen sowie Folter und Misshandlung von Häftlingen.