Eigentlich hätte Jens Spahn, als er über den beklagenswerten Zustand der Koalition schon nach hundert Tagen sprach, wieder den Satz sagen können, den er auch zum Titel eines Buches machte: „Wir werden einander viel verzeihen müssen.“ Die SPD-Vorsitzende Bas hatte schließlich sogar „Wunden“ beklagt, die das nicht zuletzt von Spahn zu verantwortende Scheitern einer SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht der Partei zugefügt habe.
Doch mit der Aufforderung zum Verzeihen würde Spahn auch an die Pandemie erinnern, und daran kann ihm wegen der Masken-Altlast, die er immer noch mit sich herumschleppt, nicht gelegen sein.
Der Koalition werden auch in Zukunft Zumutungen nicht erspart bleiben
So plädierte der Chef der Unionsfraktion lieber für größere Um- und Vorsicht beim wechselseitigen Zumuten in der Zukunft. Das wird den drei Parteien nicht erspart bleiben. Denn sie wollen das Land von dem vielgestaltigen Ballast befreien, der es in die Tiefe zieht, haben dabei aber mitunter sehr unterschiedliche Ansichten über die Probleme und deren Lösungen. Das war bereits in den Koalitionsverhandlungen deutlich geworden, in denen die SPD mehr für sich herausgeholt hatte, als sie es sich nach ihrem desaströsen Wahlergebnis hatte erhoffen können.
An der nun abermals von allen Seiten beschworenen Geschlossenheit – und dem dafür nötigen Management – fehlt es freilich auch schon im Unionslager. Das zeigten sowohl der Fall Brosius-Gersdorf als auch die Debatte über die Entscheidung des Kanzlers zu den Waffenlieferungen an Israel, die in seine Richtlinienkompetenz fiel. Wollte die Union nur von Scholz Führung?
Spahn sagt, es sei, wenn es unterschiedliche Einschätzungen gebe in der Union und der Unionsfraktion, seine Aufgabe, zusammenzuführen. Das sei auch gelungen. In Erinnerung bleibt freilich, dass er nach röhrendem Schweigen Merz’ Entscheidung zunächst allenfalls für „vertretbar“ erklärte. Eine große Hilfe ist der Fraktionsvorsitzende dem Kanzler bisher nicht, der sicher auch noch nicht vergessen hat, dass er am 6. Mai im ersten Wahlgang im Bundestag durchfiel.