Donald Trump droht und zetert, aber Jerome Powell bleibt standhaft und macht nichts: So lief bislang das Ringen zwischen dem US-Präsidenten und dem Chef der amerikanischen Notenbank Federal Reserve (Fed) ab. Seit Trump im Amt ist, hat Powell allen Forderungen zum Trotz noch kein einziges Mal die Leitzinsen gesenkt – während die Europäische Zentralbank die ihrigen weiter und weiter herabgesetzt hat. 4,25 bis 4,5 Prozent betragen die US-Leitzinsen weiterhin, im Euroraum beläuft sich der entscheidende Einlagensatz nun auf 2,0 Prozent.
Powells zentrales Argument war bislang: Die Zölle könnten die Inflation hochtreiben, das müsse man abwarten. Beim Notenbankertreffen im portugiesischen Sintra hatte er sogar gesagt, wenn Trumps Zölle nicht wären, hätte er die Zinsen längst gesenkt. Nun sind die Juli-Inflationszahlen in den Vereinigten Staaten aber niedriger ausgefallen als erwartet. Die Rate verharrte auf 2,7 Prozent.
Zwar sind die Dienstleistungspreise spürbar gestiegen, aber die für Waren nur wenig. Das hat die Finanzmärkte offenbar in der Ansicht bestärkt, dass nun auf der nächsten Sitzung der Fed am 17. September die erste Zinssenkung bevorsteht.
Rekorde an mehreren Börsen
Die Börsen beflügelte das am Mittwoch. Niedrigere Zinsen erleichtern den Unternehmen das Geschäft, zudem werden festverzinsliche Wertpapiere als Konkurrenz in der Anlegergunst unattraktiver. Der Weltaktienindex MSCI All Country World Index erreichte einen historischen Höchststand. Zuvor hatte die Hoffnung auf eine rasche Zinssenkung den amerikanischen Technologieindex Nasdaq und den breiteren S&P 500 sowie in Tokio den Nikkei-Index auf neue Höchststände getrieben. Der deutsche Leitindex Dax zog am Mittwoch im Handelsverlauf um 0,8 Prozent auf 24.220 Punkte an, blieb aber ein Stück von seinem Rekord entfernt.
„Der Optimismus kennt aktuell keine Grenzen“, konstatierte Portfoliomanager Thomas Altmann von QC Partners. „Die letzten veröffentlichten Daten, insbesondere zum Arbeitsmarkt, lassen wenig Zweifel daran, dass die Fed im September die Zinsen senken wird“, sagte Commerzbank-Ökonom Marco Wagner.
Aber ohne Streit scheint es in Amerika derzeit nicht zu gehen. Die US-Administration begann nun eine Debatte, ob nicht statt eines kleinen Zinsschrittes um 0,25 Prozentpunkte, wie ihn auch die EZB zuletzt immer wählte, ein großer um 0,5 Prozentpunkte fällig wäre. „Die eigentliche Frage ist jetzt: Sollten wir im September einen Zinsschnitt von 50 Basispunkten haben?“, sagte US-Finanzminister Scott Bessent in einem Interview. Parallel drohte Trump Fed-Chef Powell, den er ständig als „Mister zu spät“ bezeichnet, er könne eine Klage gegen ihn wegen der Kostenüberschreitungen bei den Bauarbeiten an der Fed-Zentrale zulassen. Finanzminister Bessent legte mit der Erwähnung nach, er selbst habe sein eigenes Büro im Ministerium auf eigene Kosten renovieren lassen.
„Für September sind aktuell 24 Basispunkte eingepreist, also eine Wahrscheinlichkeit von 96 Prozent für eine Zinssenkung um 25 Basispunkte“, sagte Karsten Junius, Ökonom der Bank J. Safra Sarasin. „Man könnte das aber auch als eine Wahrscheinlichkeit von 48 Prozent für eine Zinssenkung um 50 Basispunkte interpretieren.“ Tiffany Wilding, Ökonomin des großen Anleiheinvestors Pimco, sagte, sie erwarte zwei Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte in der zweiten Jahreshälfte, gefolgt von weiteren 50 Basispunkten im Jahr 2026.
Der Dollar wird schwächer
Der Wechselkurs des Dollars zum Euro gab unterdessen weiter nach, zeitweise kostete ein Dollar 0,8536 Euro. Nach dem Prinzip der Zinsparität, einem der Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses, drücken niedrigere Zinsen im Inland den Kurs der Währung tendenziell.
„Grundsätzlich sollte eine Zinssenkung in den Vereinigten Staaten den Dollar belasten, zumal sich die EZB in einer Warteposition befindet“, sagte Christian Apelt, Devisenmarktfachmann der Landesbank Hessen-Thüringen. Allerdings scheine der Zinsschritt im September an den Märkten nun weitgehend eingepreist zu sein, was den Markteinfluss begrenzen werde. „Spannender dürfte daher der Ausblick auf die weitere Geldpolitik werden“, meinte Apelt: „Klare Signale für zusätzliche Lockerungen könnten den Dollar unter Druck setzen.“ Vermutlich werde sich die Fed jedoch bedeckt halten, sodass der Dollar-Euro-Wechselkurs nicht mehr allzu stark reagieren dürfte.
Für Aktienanleger werde die Entwicklung letztendlich auch dadurch bestimmt werden, ob die Mitglieder des US-Zentralbankrats ihre Zinserwartungen für 2026 nach unten nehmen, und wenn ja, wie stark, sagte Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust: „In der Tendenz dürfte das wohl eintreten, denn es gab schon in der letzten Sitzung zwei Mitglieder des Gremiums, die sich entgegen der Mehrheit für eine Zinssenkung ausgesprochen haben.“
Falls der von Trump nominierte Stephen Miran schon vor der Sitzung sein Amt im Zentralbankrat antreten werde, werde die durchschnittliche Zinserwartung in diesem Gremium mit hoher Wahrscheinlichkeit nach unten gehen. „Für die Aktienmärkte wäre das vermutlich eine positive Nachricht“, sagte Heise. „Auch wenn man die langfristigen Folgen einer Zinssenkungspolitik und vor allem einer Politisierung der Geldpolitik durchaus kritisch bewerten kann.“