Bahnchef Lutz ruft Manager zum Rapport

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Die Deutsche Bahn ringt um jede Milliarde – mit dem Staat und innerhalb des Konzerns. Deshalb hat sie nun auf „hartes Sanieren“ umgeschaltet, wie es in Konzernkreisen heißt. Mit einer zweitägigen „Kick-off“-Veranstaltung hat die Bahn ihr schon lange angekündigtes Sparprogramm „S3“ gestartet. Einzelheiten dazu sind in einem Beitrag genannt, der auf dem konzerninternen sozialen Netzwerk „DB Planet“ erschienen ist. Bahnchef Richard Lutz wird darin mit den Worten zitiert, in der Arbeitsweise sei ein „radikaler Kurswechsel“ unverzichtbar. „Der zwei­tägige Workshop hat gezeigt, dass wir radikaler, fokussierter und disziplinierter werden müssen, damit die Sanierung gelingt“, lautet sein Appell an die Mitarbeiter: „Strikte Umsetzungsdisziplin ist das Gebot der Stunde.“

Konkret geht es in dem Sanierungsprogramm S3 um 18 Projekte, die sich auf die drei Bereiche Infrastruktur, Betrieb und Wirtschaftlichkeit beziehen. Dort soll es in den kommenden drei Jahren deutliche Verbesserungen geben, die den Konzern nach den hohen Verlusten der vergangenen Jahre wieder in die Gewinnzone bringen sollen – und das ohne die profitable Logistiktochtergesellschaft Schenker. Diese hat der Konzern im Sommer für 14,3  Milliarden Euro an den dänischen Wettbewerber DSV verkauft. Zudem sollen „mindestens“ 10.000 Stellen abgebaut werden – allerdings müsse darauf geachtet werden, dass das notwendige Personal für das operative Eisenbahngeschäft zur Verfügung stehe. Zuvor war auch schon von 30.000 Stellen die Rede gewesen.

Eine Übersicht nach „Ampel-Logik“ soll helfen

Mit dem Programm muss die Bahn das Vertrauen der Politik zurückgewinnen, die in den kommenden drei Jahren zusätzlich 27 Milliarden Euro für die Sanierung des Schienennetzes bereitstellen soll. Nun wäre es nicht das erste Mal, dass große Ankündigungen im unübersichtlichen Konzerngeflecht versickern. Deshalb will der Vorstand die Bemühungen engmaschig kontrollieren. Fortschritte würden entlang klar definierter Kennzahlen überprüft und mithilfe einer Übersicht in „Ampel-Logik“ gemessen, heißt es.

Bahnchef Richard Lutz
Bahnchef Richard Lutzdpa

In den vergangenen Monaten hat die Infrastruktur die größte Aufmerksamkeit auf sich gezogen, nachdem im Juli die groß angelegte Generalsanierung des Schienennetzes mit der monatelangen Sperrung der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim begann. Mit der Generalsanierung liegt die DB „im Plan“, heißt es in dem Bericht. Auf der Riedbahn stehen die Arbeiten kurz vor dem Abschluss am 14. Dezember. Dann sollen die ersten 74 Kilometer saniert sein. Das ist zwar nur ein kleiner Teil des Gesamtnetzes von rund 34.000 Kilometern, allerdings ein zentraler: Mehr als 300 Züge fahren täglich darüber. Rund 1,3 Milliarden Euro kostet die Sanierung nach dem derzeitigen Stand, zumindest entspricht dies noch der „Gesamtkostenprognose“ – inklusive Risikopuffer, betonte die DB.

Die Strecke Hamburg-Berlin wird schwierig

Im kommenden Jahr wird der dritte Teil der Generalsanierung zu einer besonderen Herausforderung, wenn die Strecke Hamburg-Berlin für neun Monate gesperrt wird. „Wesentliche Bauaufträge“ seien vergeben, so hat die Bahn schon verkündet. Allerdings soll es noch mindestens einen Abschnitt geben, der besonderen Ärger bereitet. Die Bahn- und Baubranche blickt mit besonderer Spannung auf diese Strecke, ist sie doch dreimal so lang wie die zuerst bearbeitete Riedbahn. Die Aufgabe ist zudem so groß, dass nicht viele Unternehmen damit beauftragt werden können.

Viele offene Fragen gibt es dem internen Bericht zufolge noch in dem Stellwerksprogramm, für das bisher weder ein „Zielzustand“ noch geeignete Maßnahmen formuliert wurden. Die Stellwerke bereiten derzeit besondere Probleme. Viele sind sehr alt. Einige stammen noch aus der Kaiserzeit und sind deshalb besonders störanfällig. Außerdem fehlt Personal, um sie bedienen zu können. Als Erfolg wertet die Bahn dagegen, dass alle für dieses Jahr vorgesehenen Finanzmittel verbaut wurden – insgesamt 16,4 Milliarden Euro. Eine lückenhafte Mittelverwendung ist oft ein Argument für Kritiker, notwendige Milliarden für die Bahn infrage zu stellen. Auf Kurs ist der Aufstellung zufolge ebenfalls die umfassende Reform des Baustellenmanagements, die der Konzern im Sommer vorgestellt hat.

Die Fortschritte in den 18 Projekten sollen alle drei Monate an Aufsichtsrat und den Bund als Eigentümer berichtet werden. Intern soll das Management alle vier Wochen „vorsingen“. Bewertet werden die Fortschritte durch das „S3-Kernteam“, dem neben dem achtköpfigen Vorstand auch der Vorstandsvorsitzende der DB Infrago, Philipp Nagl, angehört.

Der Sanierungsdruck auf den Staatskonzern kommt derzeit von vielen Seiten, nicht nur vom Bund, der nach der Planung der bisherigen Bundesregierung die jährlichen Investitionen verglichen mit 2023 fast verdoppeln will. Zusätzlicher Druck kommt von der EU-Kommission, welche die defizitäre Tochtergesellschaft DB Cargo dazu verpflichtet hat, bis Ende 2026 profitabel zu werden. Außerdem ist es dem Konzern untersagt, die Verluste der Güterverkehrssparte auszugleichen. Das Cargo-Management muss deshalb die Kosten drastisch senken. Gelingt dies, könnte das Beispiel im Konzern Schule machen.