Was die EU gegen Elon Musk unternehmen kann

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Auf Thierry Breton ist Verlass. Auch nach seinem Ausscheiden aus der Europäischen Kommission kann es der ehemalige Digitalkommissar nicht lassen, gegen X-Chef Elon Musk auszuteilen. Nach dem Wahlaufruf von Musk für die AfD hat Breton die EU-Institutionen aufgefordert, Schluss zu machen mit Doppelstandards und die EU-Digitalgesetze zum Schutz vor ausländischer Einflussnahme ebenso strikt gegen Musk anzuwenden wie gegen Russland. SPD-Chef Lars Klingbeil und andere Berliner Politiker werden sich bestätigt fühlen.

Andreas Audretsch von den Grünen etwa hat eben auf der Plattform X gefordert: „#Musk ist ausgestattet mit ungebändigter Kommunikationsmacht. Es braucht Begrenzung von Macht: Kein Geschäftsmodell darf unsere Demokratie zerstören.“ Parallel dazu wehrt sich der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, gegen Forderungen aus dem Umfeld des nächsten US-Präsidenten Donald Trump, den Kurznachrichtendienst X in der EU nicht zu regulieren. Das sei nicht verhandelbar, sagte er der „Rheinischen Post“.

Keine Zensurstelle

Zwei Gesetze hat sich die EU in der vergangenen Legislaturperiode gegeben, um die Marktmacht der Internetkonzerne zu begrenzen und gegen die Verbreitung von Desinformation und Hass im Internet vorzugehen: das Gesetz für digitale Märkte (DMA) und das Gesetz für digitale Dienste (DSA). Für Musk und X ist davon zumindest momentan nur das zweite von Belang. Das DMA, mit dem die EU gegen den Missbrauch zu großer Marktmacht vorgeht, findet auf X keine Anwendung. Das hat die Europäische Kommission im vergangenen Oktober entschieden, weil der Dienst „kein wichtiges Gateway für Geschäftsnutzer ist, um Endnutzer zu erreichen“.

Die Schärfe des DSA hingegen hat X schon zu spüren bekommen. Schon Ende 2023 hat die Kommission ein Verfahren wegen des Verdachts eingeleitet, dass X gegen das Gesetz verstößt. Anlass dafür war unter anderem, dass X nach der Ansicht der Kommission nach der Terrorattacke der Hamas auf Israel zu wenig tat, um gegen die Verbreitung von Desinformation vorzugehen. Im Mai vergangenen Jahres legte die Kommission nach und forderte Informationen von X, weil es die Zahl der Mitarbeiter, die sich mit der „Moderation der Inhalte“ befassen, um 20 Prozent reduziert hatte und Inhalte nur noch in sieben statt elf EU-Sprachen kontrolliert.

Weiterhin wortstark: Thierry Breton, Ex-Digitalkommissar der EU
Weiterhin wortstark: Thierry Breton, Ex-Digitalkommissar der EUEPA

Vorangetrieben hat Brüssel das Verfahren seither jedoch nur in Feldern, die nichts mit Desinformation und Verbreitung von Hass zu tun haben. Dabei geht es etwa um den ebenfalls im DSA festgeschriebenen Zugang von Wissenschaftlern zu Daten und die Transparenz von Werbung. Auch die letzte Intervention von Breton gegen X im Sommer vergangenen Jahres erwies sich eher als Schuss ins Leere.

Der damals noch fest auf seinen Verbleib in der Kommission hoffende Breton veröffentlichte kurz vor einem von Musk auf X geführten „Interview“ mit Trump ebendort einen Brief an den X-Chef. In dem wies der Musk darauf hin, dass das DSA X verpflichte, gegen die „Verbreitung schädlicher Inhalte“ vorzugehen, inklusive des Hinweises, dass die Regeln für die 190 Millionen Nutzer auch für Musk selbst als Nutzer gölten.

Breton sah sich darauf nicht nur dem Vorwurf ausgesetzt, sich seinerseits in die amerikanischen Präsidentschaftswahlen einzumischen. Er musste, nachdem Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf Distanz ging, auch schnell zurückrudern. Breton schade mit seiner Profilierungssucht der Sache des DSA, hieß es anschließend aus der Kommission.

Tatsächlich ist das DSA kaum geeignet, gegen Musks Wahlwerbung für die AfD vorzugehen. Es bietet nur eine Handhabe, wenn Desinformation oder Hass verbreitet werden, um Wahlen zu beeinflussen. Meinungsäußerungen, und seien sie noch so unbequem, fielen nicht darunter, heißt es in Brüssel. Im Gegenteil: Im Gesetzgebungsprozess betonte Kommissionsvizepräsidentin Věra Jourová stets, DSA soll keine Zensurstelle sein.