ÖVP offen für Koalitionsgespräche mit FPÖ

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Österreichs konservative Kanzlerpartei ÖVP ist offen für Verhandlungen mit der rechten FPÖ über eine Regierungskoalition. Die ÖVP wolle solche Gespräche führen, wenn sie dazu eingeladen werde, sagte der designierte Parteichef Christian Stocker.

Ebenfalls am Nachmittag kündigte Bundespräsident Alexander Van der Bellen an, er werde am Montag mit FPÖ-Chef Herbert Kickl über eine Regierungsbildung reden. Er habe den Eindruck, dass die Stimmen in der ÖVP, die eine Zusammenarbeit mit Kickl ausschließen, deutlich leiser geworden seien. „Das wiederum bedeutet, dass sich möglicherweise ein neuer Weg auftut.“ Zunächst werde Nehammer im Amt bleiben, bevor er dann im Lauf der kommenden Woche einen neuen Kanzler einer Übergangsregierung mit dem Amt betrauen werde, so Van der Bellen.

Ende September hatte die rechte FPÖ die jüngste Parlamentswahl gewonnen. Die ÖVP versuchte daraufhin, mit der sozialdemokratischen SPÖ und den liberalen Neos eine Koalition von Mitte-Parteien zu schmieden. Damit sollten die Rechtspopulisten von der Macht ferngehalten werden. Die Koalitionsverhandlungen scheiterten. Karl Nehammer blieb dennoch bei seiner Position, nicht mit der FPÖ unter deren Chef Herbert Kickl regieren zu wollen. Am Samstag kündigte Nehammer Rückzug als Kanzler und als Chef der ÖVP an. Damit machte er den Weg für neue Optionen frei. Parteisekretär Christian Stocker wurde am Sonntag beauftragt, die Führung der ÖVP zu übernehmen.

Der ÖVP-Vorstand traf sich am Sonntag zu Beratungen im Bundeskanzleramt. Sollte die ÖVP doch nicht als Juniorpartner in eine Koalition mit der FPÖ unter Kickl eintreten wollen, blieben wohl nur Neuwahlen. Die andere offene Frage in der ÖVP lautet, wer in Zukunft die Partei führt.

Der bisherige ÖVP-Generalsekretär Stocker solle als Interimsvorsitzender die Lage beruhigen und die nächsten Schritte steuern, hieß es. Stocker, ein Rechtsanwalt aus Wiener Neustadt, ist seit 2019 Abgeordneter im Nationalrat und seit 2022 Generalsekretär der Partei. Als Dauerlösung ist der Vierundsechzigjährige jedoch nicht vorgesehen.

Ein FPÖ-erfahrener Vizekanzler der ÖVP?

Als möglicher Vizekanzler in einer „blau-türkisen“ FPÖ-ÖVP-Regierung gilt der nach außen bislang wenig bekannte Wirtschaftskammerfunktionär Wolfgang Hattmannsdorfer. Er hat einige Jahre mit der FPÖ im Bundesland Oberösterreich regiert. Bekannter sind zwei andere Namen: Die frühere Europaministerin Karoline Edtstadler – und der frühere Parteichef und Kanzler Sebastian Kurz. Edtstadler hatte sich nach der Wahl im September von Nehammer politisch gelöst und erklärt, sich aus der Bundespolitik zurückzuziehen. Doch gilt sie auch als politisch ehrgeizig und hat eine Rückkehr nicht ausgeschlossen.

Kurz, der 2021 wegen einer Inseratenaffäre als Bundeskanzler zurücktreten musste, ist seither geschäftlich tätig. Er hat zwar immer wieder erklärt, er habe mit der Politik abgeschlossen und sei zufriedener Unternehmer. Doch meldete er sich auch immer wieder öffentlich zu Wort. Und er hielt den Kern seines einstigen politischen Zirkels auch in seinem Firmenbüro zusammen: Mitarbeiter, Strategen und politische Mitstreiter wie die früheren Minister Gernot Blümel und Elisabeth Köstinger.

Das wären wohl die Bedingungen von Kurz

In der „Kronen-Zeitung“ wurde nun aus dem Umfeld von Sebastian Kurz kolportiert, dass er nicht zur Verfügung stehe. Wobei die Absage nicht ohne Einschränkung ist. Erstens heißt es: „Vorerst“. Und zweitens heißt es: „nicht als Vizekanzler unter Herbert Kickl“. Als Parteivorsitzender die ÖVP in Neuwahlen zu führen wäre mit diesen Worten für Kurz keineswegs ausgeschlossen.

Allerdings konnte man, wenn man sich in seinem Umfeld umhörte, schon früher schließen, dass Kurz nur dann zu einem Comeback bereit wäre, wenn die eigene Partei ihn nachdrücklich und geschlossen darum bitten würde und ihm wie schon 2017 wieder vollkommen freie Hand für Richtung und Personal gäbe. Dass immer noch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen ihn im Gang sind, wird als weniger hinderlich angesehen. Erstens können die sich noch lange hinziehen. Und zweitens zeigt ein Blick in die Vereinigten Staaten und das Beispiel Donald Trump, dass das einem Wahlsieg nicht entgegenstehen muss.