Besser doch kein neues Superministerium

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Als CDU-Chef Friedrich Merz im Juni vergangenen Jahres beim „Tag der Industrie“ in Berlin auftrat, da ließ eine Ansage von ihm das Publikum aufhorchen. Aus der Bürgergeld-Debatte ziehe er eine „sehr konkrete organisatorische Schlussfolgerung“, sagte Merz. „Die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland muss raus aus der Sozialpolitik. Arbeitsmarktpolitik ist Wirtschaftspolitik.“

Er erinnerte daran, wie Wolfgang Clement von 2002 bis 2005 unter Gerhard Schröder (beide SPD) Minister für Wirtschaft und Arbeit war. Damals habe es „wirkliche Reformen“ in der Arbeitsmarktpolitik gegeben.

Entweder es müsse jemand ins Arbeitsministerium, der etwas von Wirtschaftspolitik verstehe. „Oder wir nehmen die Arbeitsmarktpolitik aus diesem Ministerium raus und tun sie ins Wirtschaftsministerium.“ Im Oktober sprach sich Merz auf einer Veranstaltung der Jungen Union ausdrücklich für Letzteres aus. Seine Begründung: „Wolfgang Clement wäre nie auf die Schnapsidee gekommen, ein Bürgergeld zu entwickeln.“

Heils Jobturbo zeigt wenig Wirkung

Doch um den so forsch ausgesprochenen Reformplan ist es in den vergangenen Wochen auffällig ruhig geworden. Der Veränderungswille in den Reihen der Union scheint nicht mehr ganz so ausgeprägt zu sein. Im Wahlprogramm von CDU/CSU ist von einer Zusammenlegung der beiden Ministerien keine Rede. Andere organisatorische Änderungspläne werden dagegen sehr wohl erwähnt, allen voran die Einführung eines eigenständigen Digitalministeriums. Zudem will die Union die Zuständigkeit für die Sportpolitik aus dem Innenministerium ins Kanzleramt holen, mit einem Staatsminister für Sport und Ehrenamt.

Offiziell beerdigen will die CDU das Superministerium für Wirtschaft und Arbeit zwar noch nicht. Aber die Aussagen zu dem Thema werden zunehmend ausweichend. „Natürlich hat der Gedanke, diese beiden Ministerien zusammenzuführen, viel für sich“, sagte der für Wirtschaftsthemen zuständige Fraktionsvize Jens Spahn kurz vor Weihnachten.

Aber die Frage, ob man die Ressortzuschnitte ändere, sei eine für die Zeit nach der Wahl. Dass das Digitalministerium im Wahlprogramm explizit genannt wird, erklärt Spahn damit, dass dies „etwas Neues“ sei.

Enttäuschung in der Wirtschaft

Ein anderer führender CDU-Politiker wird noch deutlicher, will damit aber nicht zitiert werden: Für „Wahnsinn“ hält er eine Zusammenlegung von Wirtschafts- und Arbeitsministerium. Die Zeit für eine solch komplexe Neuorganisation habe man nicht. Und wie umgehen mit den Abteilungen für Energie und Klimaschutz, die in den vergangenen Jahren ins Wirtschaftsministerium geholt wurden? Das Ministerium hat inzwischen zehn Fachabteilungen. Das Fazit des CDU-Manns: vielleicht doch besser so lassen wie gehabt.

In der Wirtschaft könnte der Rückzieher Enttäuschung auslösen. Nicht nur beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hatte man Merz’ Ankündigung im Sommer wohlwollend aufgenommen. Mehr als ein Drittel des gesamten Bundeshaushalts ist für die Ausgaben des Arbeits- und Sozialministeriums reserviert. Neben dem Bundeszuschuss zur Rente schlägt vor allem das Bürgergeld mit Gesamtkosten von rund 50 Milliarden Euro zu Buche.

Maßnahmen wie der „Jobturbo“ für Flüchtlinge von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zeigen bislang wenig Wirkung. Im Sommer einigte sich die Ampelkoalition zwar darauf, den Druck auf arbeitsfähige Bürgergeldbezieher zu erhöhen. Umgesetzt wurden die Maßnahmen aber nicht mehr.

Im Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums gibt es Sympathien für eine Zusammenlegung von Wirtschafts- und Arbeitsministerium. „Ich würde mir wünschen, dass man das noch einmal aufbricht“, sagt Beiratsmitglied Axel Börsch-Supan vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik. Er habe die Amtszeit von Wolfgang Clement miterlebt. „Das war eine Revolution, eine spannende Zeit.“ Am Anfang sei man sich auf den Fluren noch etwas misstrauisch begegnet. „Mit Schlips oder ohne, mit Pulli oder ohne“ – auch optisch sei klar gewesen, wer aus welchem Ministerium stammte. Nach kurzer Eingewöhnungszeit sei die Zusammenarbeit aber gut gewesen.

Einer, der noch näher dran war, ist Rezzo Schlauch. Der Grünenpolitiker war einer von Wolfgang Clements parlamentarischen Staatssekretären. Die Zusammenlegung von Wirtschaft und Arbeit fand er damals richtig. Zu oft hätten Wirtschafts- und Arbeitsministerium nicht mit-, sondern gegeneinander gearbeitet. Für die Umsetzung der Agenda 2010 sei dieser Ministeriumszuschnitt genau der richtige gewesen, sagt Schlauch.

Er erinnert sich aber auch an die Probleme dieser Zeit: „Die Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit hat Wolfgang Clement viel Zeit gekostet.“ Die wirtschaftspolitischen Termine habe der Minister oft an einen der Staatssekretäre delegieren müssen. Eine ähnliche Gefahr sieht Schlauch auch heute. „Das könnte zu schwerfällig werden. Die Transformation der Wirtschaft ist schon eine Riesenaufgabe für ein Ministerium.“

Söder will einen Bauernpräsidenten einbringen

Am 10. Januar will der CDU-Bundesvorstand eine „Agenda 2030“ beschließen. Am 3. Februar sollen auf dem Bundesparteitag weitere Details folgen. Im Mittelpunkt sollen die Inhalte und nicht die Personalfragen stehen. Die Schwesterpartei CSU sorgt aber dafür, dass hinter den Kulissen schon eifrig über die Besetzung der Ministerien im Fall eines Wahlsiegs geredet wird.

Im Landwirtschaftsministerium will CSU-Chef Markus Söder den Präsidenten des bayerischen Bauernverbands sehen. Für CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt reklamiert er ein „ganz großes und schweres Ministerium“.

Für das geplante neue Digitalministerium bringt die CSU Dorothee Bär in Stellung. Friedrich Merz hat allerdings durchblicken lassen, dass er sich auch eine externe Besetzung vorstellen könnte. Als mögliche Kandidatin wird in Berlin die Vorsitzende des Start-up-Verbands, Verena Pausder, gehandelt. Beim Steuerzahlerbund stößt der Plan der Union dagegen auf wenig Begeisterung. Präsident Reiner Holznagel warnte kürzlich in der „Bild“-Zeitung, ein Digitalministerium könne wenig bewegen und würde nur „den großen Verwaltungsapparat weiter aufblähen“.