Merkel spricht als Zeugin im Ausschuss zu Afghanistan

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Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vor dem Untersuchungsausschuss zur Klärung der Umstände des Bundeswehrabzugs aus Afghanistan ausgesagt. Sie nahm zu Beginn ihrer Vernehmung in einer ausführlichen Erklärung Stellung und unterteilte das Geschehen in drei Phasen.

Die erste begann sie mit dem Abschluss und den Folgen des sogenannten Doha-Abkommens, das Amerika und die Taliban ohne Beteiligung ihrer westlichen Alliierten oder der Regierung in Kabul geschlossen hatten. Merkel sagte, dass zu ihrer Erleichterung Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und die Bundeswehr den Abzug der Streitkräfte aus Afghanistan „sehr präzise“ geplant und durchgeführt hätten.

Merkel beschrieb aus ihren Erinnerungen, wie dann die letzte Phase begann: Sie sei am 13. August 2021, am letzten Tag ihres Sommerurlaubs, von Braun und anschließend von Kramp-Karrenbauer telefonisch informiert worden, dass sich die Lage in Kabul zuspitze. Sie habe am folgenden Morgen der Verteidigungsministerin „grünes Licht für die detaillierte Vorbereitung einer Evakuierungsoperation gegeben“. Einen Tag später sei der afghanische Präsident Aschraf Ghani aus Kabul geflohen, die Taliban übernahmen die Kontrolle, und am Flughafen kam es zu chaotischen Szenen.

Die Ziele waren „zu anspruchsvoll“

Merkel sagte, das sei eine „bittere und dramatische Entwicklung“ gewesen, „die internationale Gemeinschaft war auf der Flucht vor den Taliban“. Unter „schwierigsten Umständen“ habe die Bundeswehr Außergewöhnliches geleistet.

Angela Merkel tritt als Zeugin im Untersuchungsausschuss auf.
Angela Merkel tritt als Zeugin im Untersuchungsausschuss auf.dpa

Die Unterstützung Amerikas beim Kampf gegen den Terror in Afghanistan sei auch im Rückblick richtig gewesen. Doch bei allen anderen Zielen – Demokratisierung, Sicherung von Freiheitsrechten besonders für Frauen – „müssen wir, muss die internationale Gemeinschaft feststellen, gescheitert zu sein“. Die Ziele für das Land seien „zu anspruchsvoll gesetzt“ gewesen, sagte Merkel. Sie warb zugleich dafür, den Menschen in Afghanistan weiter humanitäre Hilfe zukommen zu lassen.

Der frühere Kanzleramtsminister Braun wies vor dem Ausschuss den Vorhalt zurück, das Kanzleramt sei im Frühjahr 2021 zu lange nicht aktiv geworden. Im Gegenteil habe er intensiv versucht, Ressortprobleme zu beheben, die insbesondere über die Frage der Aufnahme von früheren Ortskräften bestand. Braun, heute Vorsitzender des Haushaltsausschusses, sprach in diesem Zusammenhang von „ressortspezifischen Sichtweisen“ etwa zwischen Auswärtigem Amt und Innenministerium.

Helge Braun (CDU), ehemaliger Kanzleramtsminister, im Afghanistan-Untersuchungsausschuss
Helge Braun (CDU), ehemaliger Kanzleramtsminister, im Afghanistan-Untersuchungsausschussdpa

Braun schilderte, die „Autorität der Kanzlerin“ habe zu einer großzügigeren Regelung für Ortskräfte und deren Angehörige geführt. Allerdings könne, so Braun, „nicht jeder, der mit deutschem Geld etwas Gutes für sein Land tut“, hinterher mit Aufnahme in Deutschland rechnen. Der frühere Kanzleramtschef beschrieb das westliche Engagement als insgesamt erfolgreich.

Braun: Die Lage in Afghanistan hat sich verbessert

Der Terrorismus sei zurückgedrängt worden, die Lebenssituation in Afghanistan habe sich stark verbessert, so sei etwa, was ihn als Arzt besonders freue, die Kindersterblichkeit stark gesunken. Ihm selbst sei „sehr frühzeitig“ klar geworden, dass die Taliban die Macht in Afghanistan wieder übernehmen würden. Die Geschwindigkeit habe alle überrascht.

Merkel, die von 2005 bis 2021 über die längste Zeit des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr die Regierungsgeschäfte geführt hat, soll neben Braun die letzte Zeugin sein, die von den Parlamentariern befragt wurde. Der Ausschuss hat sich vor allem mit den letzten Wochen und Tagen vor dem Fall Kabuls befasst. Zudem sollte eine Enquetekommission des Bundestags die gesamte Spanne des deutschen Engagements am Hindukusch aufarbeiten.