Warum will Donald Trump Grönland?

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„Wir brauchen Grönland für die nationale Sicherheit“, sagte der angehende amerikanische Präsident Donald Trump am Dienstag. Um das zu erreichen, schloss er weder militärische Gewalt noch Strafzölle aus. Damit erschütterte er Dänemark, das sich als einen von Amerikas engsten Verbündeten sieht. Das Königreich droht nun Grönland zu verlieren: Ziemlich sicher in die Unabhängigkeit. Vielleicht auch an Amerika. Warum aber Trump so handelt, darüber wird in Kopenhagen nun gerätselt. Denn eigentlich verfüge Amerika über Grönland doch längst, heißt es.

Trumps Äußerungen seien so, als könne man den Einsatz militärischer Gewalt in „Den Store Bagedyst“ nicht ausschließen, einer sehr dänischen, friedlichen Fernsehsendung, in der Hobbybäcker gegeneinander antreten. „Das macht nicht viel Sinn“, sagte dazu am Mittwoch Peter Viggo Jakobsen, Professor an der Königlich Dänischen Verteidigungshochschule. „Bisher haben die USA in Grönland militärisch weitgehend bekommen, was sie wollten, indem sie nett gefragt haben.“

F.A.Z.

Im Detail aber sind die militärischen Aktivitäten der USA in Grönland Einschränkungen unterworfen. Vielleicht zielt Trump auf deren Abschaffung. Im Jahr 1951 handelten die USA mit Dänemark ein Verteidigungsabkommen zu Grönland aus. Es waren sehr ungleiche Verhandlungen: die Großmacht gegen das kleine Königreich, das kurz zuvor der deutschen Okkupation entkommen war. Schon während der Besatzung hatte Dänemarks Vertreter in Washington, Henrik Kauffmann, mit den USA ein Übereinkommen abgeschlossen, das diesen fast unbeschränkten Zugang zu Verteidigungsanlagen in Grönland gewährte. Daran wollten die USA anknüpfen.

Die USA machten viele Zugeständnisse an Dänemark

Washington wollte ein Abkommen, dass ihm Grönlands Verteidigung alleine übertrug. Mit freiem Zugang zu den Militärbasen und ohne Einschränkungen an Land, im Wasser und in der Luft. Grönland diente dazu, die Sowjetunion abzuschrecken, von oder über die Insel sollten Verteidigungsschläge in einem möglichen Nuklearkrieg laufen. Dafür wurde im Dezember 1950 entschieden, die große Verteidigungsbasis Thule Air Base zu bauen. Die Zeit drängte, das half Dänemark.

Dem Königreich gingen viele der amerikanischen Forderungen zu weit, man wollte mehr dänische Souveränität behalten. Doch in vielen Punkten setzten sich die USA durch. Darunter: freier Zugang zu Militärbasen, wo die USA machen können, was sie wollen und Immunität genießen. Weiterhin freie Bewegung zu und zwischen den Anlagen, ebenso freie Überflüge.

Doch die USA machten auch Zugeständnisse, vor allem symbolischer Art. So behielt Dänemark die Souveränität über die Insel. Stets müssen beide Flaggen über den Militärbasen wehen. Auch heißt es im Vertrag, die USA „unterstützen“ Dänemark bei der Verteidigung vor Ort. Zudem wurde die Anzahl der militärischen Bereiche der USA beschränkt und für die meisten Aktivitäten der USA außerhalb der Militärbasen braucht es weitere Übereinkünfte. Auch behielt Dänemark die Marinebasis Grønnedal. 2004 wurde das Abkommen angepasst, nun verfügen die USA nur noch über eine Anlage, Thule Air Base. Wollen sie darüber hinaus militärisch tätig werden, müssen sie die dänischen Behörden informieren.

Vielleicht haben diese Einschränkungen Trump veranlasst, Druck auf Dänemark auszuüben. Der Forscher Jakobsen aber bezweifelt das. Er sagt, faktisch hätten die USA die militärische Kontrolle über Grönland. Er vermutet, dass es Trump eher um die seltenen Erden Grönlands gehen könnte und darum, den Zugriff Chinas darauf zu verhindern.

Die Grönländer sollen über ihre Zukunft bestimmen

In Kopenhagen ist man über Trumps Affront erschrocken. Die USA seien Dänemarks wichtigster Verbündeter, sagte eine ganz in schwarz gekleidete dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen am Dienstagabend. Zu den Drohungen mit militärischer Gewalt und Strafzöllen sagte sie: „Ich habe nicht die Vorstellungskraft, mir vorzustellen, dass wir so weit kommen werden.“ Dänemarks Ministerpräsidentin gilt als „Falkin“, die vehement auf eine Abschreckung Russlands setzt. Sie war eine der ersten, die Trump zur zweiten Amtszeit gratulierten. Nach dem Telefonat Anfang November sagte sie, Trump habe absolut Recht, von Europa mehr Verantwortung bei der Verteidigung zu fordern. „Wir haben das beherzigt.“

2019 hatte Frederiksen Trumps Forderung, Grönland zu kaufen, als „absurd“ bezeichnet. Darauf folgte Streit, der aber als ausgestanden gilt. Derlei Bewertungen vermied sie nun. Zur Zukunft Grönlands sagte sie, diese werde durch die Grönländer bestimmt und von niemandem sonst. Ein Meilenstein. Schließlich hatte man die Souveränitätsbestrebungen der autonomen Insel lange ignoriert. Das gilt nun nicht mehr. Mit diesen Äußerungen habe Frederiksen sich festgelegt, hinter diese Linie könnten auch künftige dänische Regierungen nicht mehr zurück, heißt es nun in Kopenhagen.

Trump Jr. gießt mit Besuch Öl ins Feuer

Ein Ausscheiden Grönlands aus dem Königreich gilt damit als wahrscheinlich. Dabei hatte man doch kürzlich das königliche Wappen dahingehend geändert, dass die Symbole Grönlands und der Färöer Inseln deutlich größer zu sehen sind. Dafür wurden sogar die drei Kronen der Kalmarer Union, seit Jahrhunderten Teil des Wappens, entfernt.

Doch die Unabhängigkeitsbestrebungen in Grönland halten an. Seit langem schon fühlt man sich ungerecht behandelt. Erleichterung immerhin gab es darüber, dass sich inmitten des politischen Sturms der Regierungschef Grönlands, Mute Bourup Egede, am Mittwochnachmittag doch noch mit König Frederik X. traf. Ein früheres Treffen hatte er zunächst abgesagt.

Öl ins Feuer goss Trumps Sohn Donald Trump Junior, der auf Geheiß seines Vaters einen Kurzbesuch in Grönland absolvierte. Die Grönländer liebten die USA, MAGA und Trump, sagte Trump Jr. in Nuuk. Viele Leute hätten ihm gesagt, Dänemark behandele sie als Bürger zweiter und dritter Klasse, in Dänemark scheine es eine Menge Rassismus zu geben.

Einen ironisch gemeinten Vorschlag zur Lösung des Streits machte am Mittwoch Rufus Gifford, der frühere amerikanische Botschafter in Kopenhagen. Dänemark solle seine Marktmacht bei Diabetes- und Abnehmspritzen nutzen und drohen, das Mittel Ozempic nicht mehr an die USA zu verkaufen, schlug er vor. Das Präparat der Firma Novo Nordisk ist in den USA sehr beliebt, auch Elon Musk nimmt es angeblich. „Das sollte Mar-a-Lago schnell zum Schweigen bringen“, schrieb Gifford auf Instagram.