Vom Ozean zurück in die Aufzuchtstation

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Laichen mit Hilfe

Deutsche Wildlachse: Vom Ozean zurück in die Aufzuchtstation

Aktualisiert am 25.11.2024Lesedauer: 4 Min.

Lachse in der SiegVergrößern des Bildes

Das sogenannte “Laichkleid” des männlichen Wildlachses hilft ihm, eine Partnerin anzuziehen. (Quelle: Oliver Berg/dpa/dpa-bilder)

Wildlachse legen Tausende Kilometer zurück, um ihre alte Heimat in Rhein und Elbe zu erreichen – doch nur wenige schaffen es, sich fortzupflanzen. Menschen helfen bei der Partnerwahl.

“Fiiiiiiiisch, Fisch!” ruft Dennis Bock über das Rauschen des Wehrs hinweg. Rasch taucht er seinen Kescher in das dunkelgrüne Wasser. Kurze Zeit später zappelt ein kräftiges, muskelbepacktes Wesen in den Händen des 48 Jahre alten Fischwirts: Es ist ein echter Wildlachs.

Knapp 80 Zentimeter lang, im braunrot und orange schimmernden Laichkleid, liegt der Fisch vor ihm in einer Wanne. Ein echtes Prachtexemplar. Es sind Bilder, die man sonst eher aus der Wildnis in Alaska kennt. Doch hier befinden wir uns mitten in Nordrhein-Westfalen, an einem Zufluss von Sieg und Rhein – unweit des Flughafens Köln-Bonn und weniger als 30 Kilometer entfernt vom Zentrum Kölns.

Der Wildlachs in Bocks Händen ist Teil des Wanderfischprogramms Nordrhein-Westfalen. Es ist der Versuch, ein Stück echte Wildnis zurück in Deutschlands und Europas ehemals größten Lachsfluss zu bringen: den Rhein.

Der Lebenszyklus eines Wildlachses gleicht einem Märchen. “Den hier haben wir wahrscheinlich vor drei, vier Jahren als Setzling ausgesetzt”, sagt Bocks Kollege Sven Wohlgemuth vom Wildlachszentrum Rhein-Sieg.

Lachse in der SiegVergrößern des Bildes
Ihren markanten Laichhaken am Unterkiefer nutzen männliche Wildlachse im Kampf mit Rivalen. (Quelle: Oliver Berg/dpa/dpa-bilder)

Seitdem sei der Lachs den Rhein hinunter in die Nordsee geschwommen und weiter Richtung Arktis gezogen. Dort, vor den Küsten Grönlands, Islands oder Norwegens, habe er sich an Heringen groß gefressen. Nach einigen Jahren im Ozean machte sich der Wildlachs dann auf den Heimweg in sein Laichhabitat, um sich jetzt im November oder Dezember im seichten Kies flussaufwärts fortzupflanzen.

Es ist eine beschwerliche Reise. Zwischen 3.000 und 5.000 Kilometer legen die Lachse auf ihrem Weg zurück – vorbei an Haifischen, Robben, Wehren und rotierenden Schiffsschrauben. Nur einer von mehr als 3.000 Junglachsen schafft es zurück.

“Manchmal wünsche ich mir, die Lachse könnten Bücher schreiben, so viele Geschichten hätten die uns zu erzählen”, sagt Wohlgemuth. Er zeigt auf einen dunklen, hufeisenförmigen Abdruck auf beiden Seiten des gerade gefangenen Fisches. “Ein Wels-Biss.”

Im vergangenen Jahrhundert war der Lachs, gerne “König der Fische” genannt, in Deutschland vollständig ausgestorben – schuld waren Verschmutzung, Verbau der Gewässer und Überfischung. Seit den 1990er Jahren gibt es Bemühungen, ihn wieder anzusiedeln, vor allem an Rhein, Elbe und Weser.

Hindernisse wie Wehre und Wasserkraftanlagen wurden mit Fischtreppen ausgestattet, um den Lachsen den Aufstieg in ihre Laichgebiete zu ermöglichen. Außerdem werden jedes Jahr Rückkehrer eingefangen, um aus ihren Eiern Hunderttausende Junglachse auszubrüten und im Frühjahr in den Flüssen auszusetzen.

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Damit nicht zu viele Lachseier gefressen werden oder verloren gehen, übernehmen Menschen die Aufzucht. (Quelle: Oliver Berg/dpa/dpa-bilder)

Niedrige Wasserstände erschweren die Wanderung

Nach Einführung der Wanderfischprogramme kehrten deutlich mehr Lachse zurück. Die Wildlachsstation Siegburg spricht von durchschnittlich 200 Rückkehrern in den Rheinzuflüssen des Bundeslandes seit der Jahrtausendwende, im Jahr 2007 habe man sogar mehr als 500 gezählt.

Auch an der Elbe hatten die Maßnahmen Erfolg, wie Daten der North Atlantic Salmon Conservation Organization für Deutschland zeigen. Forschende gehen davon aus, dass nur etwa ein Drittel der Rückkehrer erfasst wird.

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Fischwirt Dennis Bock (links) und Fischwirtschaftsmeister Sven Wohlgemut helfen deutschen Wildlachsen bei der Fortpflanzung. (Quelle: Oliver Berg/dpa/dpa-bilder)

Doch in den Dürrejahren 2018 und 2019 brachen die Zahlen überall in Deutschland massiv ein und konnten sich seitdem nicht erholen. In diesem Jahr wurden in Nordrhein-Westfalen, wo deutschlandweit die meisten Lachse aufgegriffen werden, bisher nur 72 Rückkehrer gezählt.