Insolvenzverwalter verlangt eine Milliarde Euro Schadensersatz

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Im Gefolge des Zusammenbruchs der Immobilien- und Handelsgruppe Signa geraten ehemalige Organe stärker unter Druck. Denn der Insolvenzverwalter der wichtigen Gesellschaft Signa Prime Selection AG (SPS) verschärft sein Bemühen, Geld für die Gläubigerschaft aufzutreiben. Vier ehemalige Vorstandsmitglieder und zwölf frühere Aufsichtsräte erhielten kurz vor dem Jahreswechsel und damit gut ein Jahr nach Insolvenz Haftungsschreiben des Anwalts Norbert Abel. Abel macht sie darin für mindestens eine Milliarde Euro an Schaden verantwortlich.

Konkret wirft der Insolvenzverwalter den ehemaligen Führungskräften Manuel Pirolt, Timo Herzberg, Tobias Sauerbier und Claus Stadler sowie den Aufsichtsräten, darunter der seinerzeitige sozialdemokratische Kanzler Alfred Gusenbauer, schwere Verfehlungen, Pflichtverletzungen und Insolvenzverschleppung vor. Es werde davon ausgegangen, dass Signa Prime spätestens seit dem 31. März 2022 und damit eineinhalb Jahre vor der Zahlungsunfähigkeit materiell insolvent war. Das hätte sowohl den Aufsichtsräten als auch den Mitgliedern des Vorstands bekannt sein und zu den entsprechenden Schritten – Stellung eines Insolvenzantrags – führen müssen, geht aus einem Anwaltsschreiben hervor. Angesprochen sind Führungskräfte, die ihre Funktion im Zeitraum 1. Januar 2022 bis zur Insolvenzeröffnung am 29. Dezember 2023 innehatten. Der Vorstand habe dadurch bewirkt, dass sich der Betriebsverlust der Signa Prime zulasten der Gläubiger erhöht habe und dass die Insolvenzmasse geschmälert worden sei. Sohin sei auch die Insolvenzquote entsprechend reduziert worden und ein Quotenschaden entstanden.

Zunächst habe erkennbar kein taugliches Controlling und keine taugliche Finanzplanung vorgelegen, hält Abel auch in einem Schreiben an Pirolts Anwalt Michael Rohregger weiter fest. Dessen Mandant sei in den Jahren vor Insolvenzeröffnung ebenfalls Mitglied des Vorstands der Schuldnerin gewesen und habe seine „diesbezüglichen Pflichten während des Bestellzeitraums schuldhaft verletzt“.

Scharfe Kritik am Kontrollgremium

Der Insolvenzverwalter forderte die ehemaligen Organe der Signa Prime auf, deren Haftung anzuerkennen. Diese Summe setzt sich den Angaben zufolge durch rechtswidrige Zahlungen, Kredite innerhalb des Unternehmens und nicht eingeforderte Rückzahlungen zusammen. Als Frist für den Eingang des Haftungsanerkenntnisses ist der 20. Januar gesetzt.

Zur Liquiditätsplanung der Schuldnerin seien lediglich kursorische, nicht revisionssichere und den Ansprüchen an ein Großunternehmen keinesfalls entsprechende „Bierdeckel-Kalkulationen aktenkundig (im rudimentären Excel-Format)“. Trotz Kenntnis der Liquiditätsprobleme habe die Signa Prime Selection AG allein im Jahr 2023 Zahlungen an die Signa ­Prime Holding GmbH – die sich ebenfalls in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand und materiell insolvent war – in Höhe von gut einer Viertelmilliarde Euro in Form von „großteils nachrangigen (!) Up­stream Loans“ geleistet. Die Gewährung dieser Zahlungen an „den – nicht konzernverbundenen – Mehrheitsaktionär stellt überhaupt ein Unikum in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte dar“, hielt Abel fest. Der Vorstand habe nachhaltig seine Sorgfaltspflichten gemäß Aktiengesetz verletzt.

Klare Worte richtet der Insolvenzverwalter auch an die früheren Mitglieder des Kontrollgremiums: „Tatsächlich hat der gesamte Aufsichtsrat es jedoch unterlassen, den Vorstand der SPS ordnungsgemäß zu überwachen.“ Neben einer ganzen Reihe von Tätigkeiten respektive Unterlassungen hätten es die Mitglieder des Aufsichtsrates verabsäumt, auf die Stellung eines Insolvenzantrages durch den Vorstand hinzuwirken, „obwohl für sorgfältige Aufsichtsratsmitglieder jedenfalls bereits im Laufe des Jahres 2022 erkennbar gewesen wäre, dass die SPS längst materiell insolvent ist“. Sie hätten ihre „Pflichten schuldhaft verletzt“.

Aufgrund der Komplexität der Struktur der insolventen Signa Prime sei nicht auszuschließen, dass nach zusätzlichen Erkenntnissen weitere Haftungsansprüche geltend gemacht würden – „die Untersuchung ist noch im Gange“. Mangels Tätigwerdens der einzelnen Vorstandsmitglieder beziehungsweise des gesamten Vorstandes hafte dieser solidarisch für sämtliche Schäden, die der Gesellschaft aus der Insolvenzverschleppung entstanden seien. Auch jedes der zwölf Aufsichtsratsmitglieder hafte solidarisch für den im Vermögen der Signa Prime entstandenen Schaden. Neben den nun erhobenen Haftungsansprüchen hat Abel auch schon Honorarzahlungen an die ehemaligen Manager zurückverlangt und diese zum Teil auch schon erhalten.

SPS ist jene Gesellschaft im Konglomerat der Gruppe, in der besonders werthaltige Objekte geparkt sind. Dazu gehören neben dem Elbtower in Hamburg die Alte Akademie und das Carsch-Haus. Der Verkaufsprozess der Signa-Immobilien hat sich bisher etwas hingezogen. Dies hängt auch mit der Änderung der Verfahrensart zusammen. Statt Sanierung findet nun ein Konkurs statt. Damit könnten Gläubiger weniger aus der Insolvenzmasse bekommen als ursprünglich gedacht. Zudem sei die Erholung des Immobilienmarktes noch nicht eingetreten, heißt es in dem Bericht an die Gläubiger von Dezember.