Illegale Flüchtlinge: Großbritannien beginnt außenpolitische Offensive

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Großbritannien will seine diplomatischen Aktivitäten in der Welt neu aufstellen und den illegalen Flüchtlingsüberfahrten an die englische Küste mit einem neuen Sanktionsregime begegnen. Es soll die Hintermänner der Strukturen organisierter Kriminalität in Europa und im Nahen Osten treffen. Der britische Außenminister David Lammy kündigte am Donnerstag in London an, unter anderem sollten Bankguthaben der Betreffenden eingefroren und Einreisen in das Vereinigte Königreich verwehrt werden.

Offenbar sollen jene gezielt gegen einzelne Personen gerichtete Maßnahmen, die Großbritannien schon länger gegen russische Oligarchen und einige diktatorische Herrscher anwendet, nun auf kriminelle Menschenhändler übertragen werden. Konsultationen mit der Europäischen Union oder einzelnen europäischen Ländern über gemeinsame Sanktionsmöglichkeiten haben zuvor offenbar nicht stattgefunden. Der Außenminister sagte, Großbritannien werde „das erste Land der Welt sein, das eine solche Gesetzgebung auf den Weg bringt“.

Mehr KI im Außenministerium

Lammy kündigte am Donnerstag, sechs Monate nachdem er im Zuge des Wahlsiegs von Labour das Amt des Außenministers übernahm, zudem einen grundlegenden Umbau des Ministeriums an. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz müsse forciert werden, um mehr Personal von Schreibtischtätigkeiten in der Zentrale zu befreien und den Einsatz in aller Welt zu verstärken.

Lammy verglich die Lage der Welt mit der Situation am Ende des Zweiten Weltkrieges: Wie damals müsse sich die Welt auf neue Gegebenheiten einstellen. Es werde kein Zurück zur konfliktarmen Zeit nach dem Ende der Sowjetunion geben; die Zahl der Flüchtlinge und die Zahl der bewaffneten Konflikte dieser Welt hätten Rekordniveaus erreicht.

Die britischen Diplomaten in aller Welt sollen nach dem Willen Lammys auch stärker dazu beitragen, das wirtschaftliche Wachstum im Vereinigten Königreich wieder in Gang zu bringen. Es gelte, mehr Diplomaten zu gewinnen, die Erfahrungen aus Tätigkeiten in der Privatwirtschaft vorweisen könnten.

Lammy will „strategische Stabilität“ wahren

Auch an der Verwaltungsspitze des Ministeriums wird es einen Wechsel geben. Staatssekretär Sir Oliver Robbins, der unter Premierministerin Theresa May die Austrittsverhandlungen Großbritanniens mit der EU führte, übernimmt die Führung des Hauses.

Lammy stellte seine Außenpolitik unter das Motto eines „pragmatischen Realismus“. Es gelte, die Mechanismen des „langfristigen Denkens“ aus der Zeit des Kalten Krieges wieder neu zu lernen. Gemeinsam mit Europäern und den Vereinigten Staaten müsse Großbritannien sich weltweit stärker engagieren, um die „strategische Stabilität“ zu wahren. Lammy wertete die Äußerungen des designierten amerikanischen Präsidenten Donald Trump, er könne eine Akquirierung Grönlands mit Gewalt nicht ausschließen, als „destabilisierend“. Er interpretierte sie aber eher verständnisvoll, statt sie, wie Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron, rundheraus abzuweisen.

Lammy sagte, nicht immer stimmten Trumps Taten mit seinen Worten überein. Es gebe ja die Erfahrung aus Trumps erster Amtszeit, „dass die Intensität seiner Rhetorik und die Unvorhersehbarkeit seiner Äußerungen destabilisierend sein kann“. Das sei „eines seiner Markenzeichen“. Trump habe mit den Bemerkungen über Grönland seine Sorge ausdrücken wollen, dass russische Aktivitäten in der Arktis zunähmen; er müsse an seinen Taten, nicht an seinen Worten gemessen werden.

Wie schon der britische Premierminister Keir Starmer erinnerte Lammy an ein Treffen beider mit Trump im vergangenen September, um die gute Qualität des Verhältnisses der Labour-Regierung mit Trump zu illustrieren. Trump sei damals ein „extrem generöser“ Gastgeber gewesen, der sich „sehr herzlich“ über Großbritannien geäußert habe.