Intervallfasten erfreut sich als Diät seit einigen Jahren großer Beliebtheit. Man verzichtet dabei in der Regel 16 oder 18 Stunden täglich auf Nahrung und darf in der restlichen Zeit des Tages essen, was man möchte. In manchen Varianten fasten die Anhänger sogar 24 Stunden und essen dann einen Tag lang normal. Eine in der Fachzeitschrift „Cell“ veröffentlichte Untersuchung aus China zeigt jetzt allerdings, dass diese Form des Fastens eine Kehrseite hat: langsameres Haarwachstum. Besonders ausgeprägt in Experimenten mit Mäusen.
Nun könnte man das Ergebnis abtun mit dem Satz: „Der Mensch ist keine Maus.“ Aber eine erste klinische Studie deutet darauf hin, dass dieser Effekt, wenn auch schwächer, ebenfalls bei Menschen auftritt, die 16 Stunden oder länger am Tag fasten. „Wir wollen niemanden davon abhalten, Intervallfasten zu praktizieren, weil es viele Vorteile hat“, sagt Bing Zhang von der Westlake University in Zhejiang in einer Erklärung. Es sei allerdings wichtig, sich im Klaren darüber zu sein, dass es möglicherweise auch unbeabsichtigte Folgen gebe.
Oxidativer Stress setzt den Stammzellen zu
Zhang und seine Kollegen interessierten sich in ihrer Forschung zunächst nicht für das Haarwachstum selbst, sondern für die Wirkung des Intervallfastens auf die Stammzellen des Körpers. Deren Aufgabe ist es, Gewebe zu regenerieren. Ein neuer Haarzyklus geht von den Stammzellen in den Haarfollikeln aus, die Erneuerung der Haut von den Stammzellen in der Epidermis. Um zu untersuchen, wie Intervallfasten diese Zellen beeinflusst, rasierten die Wissenschaftler Mäusen das Fell ab. Tiere, die dann drei Monate lang 16 Stunden täglich hungerten, brauchten 96 Tage, um ihr Fell zu regenerieren. Mäuse, die nach Belieben gefressen hatten, besaßen schon nach 30 Tagen ein neues Fell. Je länger die Tiere täglich fasteten – 16, 18 oder 24 Stunden –, desto länger dauerte der Regenerationsprozess. Dieser Effekt hatte nichts mit einer unterschiedlichen Kalorienaufnahme zu tun, denn am Ende hatten alle Mäuse gleich viel gefressen. Die Tiere hatten allerdings für die Nahrungsaufnahme unterschiedlich viel Zeit zur Verfügung. Auf die Stammzellen der Haut hatte das Intervallfasten dabei keinen Einfluss.
Wie lässt sich die Hemmung des Haarwachstums dann erklären? Die Forscher konnten zeigen, dass die Stammzellen in den Haarfollikeln durch die Fettverbrennung beim Intervallfasten geschädigt werden. Wenn keine Glucose mehr zur Verfügung steht, was nach längerem Fasten der Fall ist, deckt der Stoffwechsel seinen Energiebedarf durch die Verbrennung von Fett. Das passiert auch in den neben den Haarfollikeln gelegenen Fettzellen. Der oxidative Stress, der dabei entsteht, setzt den Stammzellen, die gerade einen neuen Haarzyklus beginnen, derart zu, dass sie sterben. Die Stammzellen der Epidermis können mit diesem oxidativen Stress besser umgehen und gehen nicht zugrunde.
Auch bei menschlichen Testpersonen wuchsen Haare langsamer
Zhang und seine Kollegen entfernten auch 49 menschlichen Probanden einen Quadratzentimeter Haare auf dem Kopf. Die Hälfte der Teilnehmer fastete elf Tage lang 18 Stunden täglich. Die anderen Teilnehmer durften so oft und so viel essen, wie sie wollten. Bei denen, die fasteten, wuchsen die Haare um 18 Prozent langsamer nach als bei denjenigen, die nach Belieben gegessen hatten.
Was bedeuten diese Ergebnisse für die Bewertung des Intervallfastens? Die Menschen seien sehr unterschiedlich, sagt Zhang. Deshalb könne sich das Intervallfasten auch unterschiedlich auf das Haarwachstum auswirken. Mäuse hätten zudem einen viel höheren Grundumsatz, sodass das Fasten und das Umschalten auf die Fettverbrennung bei den Tieren auch einen sehr viel stärkeren Effekt auf die Stammzellen in den Haarfollikeln hätten. „Beim Menschen sehen wir einen milderen Effekt“, sagt Zhang. „Es gibt Stammzellen, die absterben, aber viele überleben. Die Haare wachsen weiter, nur etwas langsamer.“
Die Wissenschaftler vermuten, dass die Verzögerung des Haarwachstums beim Fasten eine archaische Anpassungsleistung an das wechselnde Nahrungsangebot unserer Vorfahren ist. Weil Nahrung oftmals knapp war, wurden die Stoffwechselprozesse während der Evolution so optimiert, dass beim Fasten zuerst die überlebenswichtigen Organe versorgt werden. Haare gehören nicht dazu. Die Haut hingegen schon, weil sie eine wichtige Schutzfunktion hat und dafür sorgt, dass der Körper nicht austrocknet.