Die Erinnerungslücken des Bundeskanzlers und früheren Ersten Bürgermeisters der Hansestadt sind in Hamburg mittlerweile legendär, „scholzen“ lautet das in dem Zusammenhang entstandene Verb. Um diese Erinnerungslücken wird es auch an diesem Freitag im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft zur Cum-Ex-Steuergeldaffäre wieder gehen.
Zum dritten Mal wird Olaf Scholz (SPD) dort befragt. Die ersten Male hatte der Kanzler immer wieder Erinnerungslücken geltend gemacht.
In dem Untersuchungsausschuss steht die Frage im Zentrum, ob Scholz Einfluss nahm auf die Entscheidung der Hamburger Steuerverwaltung, zunächst auf die Rückforderung von 47 Millionen Euro von der Hamburger Privatbank Warburg zu verzichten. Die Bank beteiligte sich über Jahre an illegalen Cum-Ex-Geschäften. Dabei ließen sich die Beteiligten eine nur einmal angefallene Kapitalertragssteuer mehrfach erstatten.
Scholz hatte damals Kontakt zu den beiden Mehrheitseigentümern der Bank, Christian Olearius und Max Warburg. Danach verzichtete die Stadt darauf, das Geld einzufordern. Die Finanzbehörde wurde damals vom heutigen Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) geleitet.
Bekannt geworden waren Treffen von Scholz mit Olearius nur, nachdem dessen Tagebuch beschlagnahmt worden war. Nach dem Bekanntwerden schwieg Scholz zunächst, berief sich dann auf Erinnerungslücken und musste die Treffen dann doch zugeben.
Mal erinnert er sich an Gespräche, mal nicht
Befragt worden war er dazu auch in einer nicht öffentlichen Sitzung des Finanzausschuss des Bundestags im Juli 2020. Das Sitzungsprotokoll war als Verschlusssache eingestuft worden. Mittlerweile ist es „entstuft“ und liegt der F.A.Z. vor. Daraus geht hervor, dass Scholz durchaus konkrete Erinnerungen an die Vorgänge hatte.
So gab er demnach etwa an, dass über viele Dinge gesprochen worden sei und er sich lediglich die Sicht der Dinge von Olearius angehört habe. Auch sei er sich sicher, dass es keine Vorbereitung für das Gespräch gegeben habe. Zuvor hatte Scholz in mehreren Gremien gesagt, er habe keine eigenen Erinnerungen an die Gespräche. Seine Aussagen im Vergleich dürften ihm nun vorgehalten werden.
Bemerkenswert ist auch, dass Scholz im Finanzausschuss fast wortgleich antwortete wie rund zehn Monate später im Untersuchungsausschuss in Hamburg. Für die CDU ergibt sich daraus der Verdacht, zur Abfassung des Hamburger Statements könnte das Protokoll der doch eigentlich nicht öffentlichen Sitzung angefordert worden sein.
Seit rund vier Jahren versucht der Untersuchungsausschuss, Licht in die Vorgänge zu bringen, bisher mit überschaubarem Erfolg. Aus Sicht des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Fraktion, Richard Seelmaecker, liegt das daran, dass von der SPD „gemauert und nicht aufgeklärt“ wird. Am Vorwurf, es habe politische Einflussnahme auf Entscheidungen im Steuerfall gegeben, hält die CDU fest. Aus Sicht der SPD hingegen ist der Vorwurf durch den Untersuchungsausschuss längst widerlegt.
Eine Verbindung zu den „Panama Papers“?
Am Freitag steht noch einmal die Warburg Bank im Vordergrund, eigentlich aber beschäftigt sich der Untersuchungsausschuss nun vor allem mit der HSH Nordbank, die mittlerweile Hamburg Commercial Bank heißt. Auch die hatte jahrelang illegale Cum-Ex-Geschäfte betrieben, auch schon zu Zeiten, als die Stadt noch von der CDU regiert wurde. Rund 126 Millionen Euro zahlte die Bank einst deswegen an die Steuerverwaltung zurück.
Doch die Bank soll auch in Cum-Cum-Geschäfte verwickelt gewesen sein, bei denen es noch einmal um deutlich mehr Geld ging. Dabei wurden Aktien zwischen Akteuren im Ausland und deutschen Banken hin und her geschoben, um illegal Kapitalertragssteuern zurückerstattet zu bekommen. Fraglich ist, warum das nicht unterbunden wurde.
Wie die Zeitschrift „Stern“ nun berichtete, hatte die Bank zwischen 2003 und 2012 bis zu 275.238.859 Euro Steuergeld durch Cum-Cum-Geschäfte erhalten. Vor dem Hintergrund der „Panama Papers“, mit denen 2016 umfangreich Geldwäsche öffentlich gemacht worden war, soll Scholz laut „Stern“ seinen damaligen Finanzsenator Tschentscher gefragt haben, ob es „Bezüge zu Hamburg“ gebe, Tschentscher solle doch vorsorglich auch die HSH Nordbank dazu befragen. Tschentscher antwortete demnach, der Chef der HSH Nordbank habe „bekräftigt, dass die HSH keine weiteren Themen im Keller habe“.