Warum Deutschlands Damen plötzlich vorne sind

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Im Biathlon-Weltcup vollzieht sich eine kleine Sensation. Die deutsche Damen-Mannschaft erlebt eine ungeahnte Renaissance. Das liegt an einer erfahrenen, aber vor allem an jungen Athletinnen.

Selten hat die Beste der Welt so geschimpft. “Es hat geregnet wie Hölle. Und dann stapfst Du durch diese nasse Pampe”, haderte Franziska Preuß in ihrem eigentlich gar nicht aggressiven bayerischen Sprachduktus.

Die Bedingungen des ersten Biathlon-Weltcuprennens 2025 ärgerten die 30-Jährige massiv. Hintergrund: Eine neue Startreihenfolge, die die Rennen TV-freundlicher machen soll, lässt die Topathletinnen seit dieser Saison später als sonst und manchmal zu schlechteren Bedingungen starten (mehr zu der neuen Startregel lesen Sie hier).

Dabei hat Preuß mit Blick auf den bisherigen Saisonverlauf alles andere als Grund zur Klage: Mit 599 Punkten führt sie trotz eines eher schwächeren Auftritts beim Weltcup im thüringischen Oberhof die Gesamtwertung an – deutlich vor Lou Jeanmonnot.

Die Französin liegt vor dem zweiten Weltcup des Jahres, der am 15. Januar im bayerischen Ruhpolding beginnt (ab 14.10 Uhr im Liveticker von t-online), satte 116 Punkte hinter Preuß. Einen derartigen Abstand gab es zu diesem Zeitpunkt lange nicht mehr – und das verwundert nicht nur die deutsche Biathlon-Szene.

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Uschi Disl (Quelle: IMAGO/MATHIAS BERGELD/imago)

Die gebürtige Bayerin wurde zwischen 1990 und 2006 zu einer Institution im Biathlon-Weltcup. Mit zwei Gold-, vier Silber- und drei Bronzemedaillen gehört sie zu den erfolgreichsten deutschen Winterolympionikinnen. Heute wohnt sie mit ihrer Familie im schwedischen Mora und ist Expertin beim schwedischen Radio.

Das deutsche Biathlon-Idol Uschi Disl konstantiert im Gespräch mit t-online: “Franziska Preuß ist so gut wie nie zuvor. Im Moment ist sie in unglaublicher Form – und die kompletteste Athletin im Weltcup.” Die zweifache Olympiasiegerin Disl lebt seit über einem Jahrzehnt in Schweden und kommentiert die Rennen für das dortige Radio.

In den vergangenen Jahren haben meistens Athletinnen aus Skandinavien, Frankreich und Italien das Geschehen im Weltcup der Skijägerinnen dominiert. Doch das hat sich in dieser Saison verändert: Mit Vanessa Voigt auf dem zehnten, der erst 20-jährigen Selina Grotian auf dem achten und eben Preuß auf dem ersten Platz rangieren gleich drei Athletinnen des Deutschen Skiverbandes (DSV) in den Top-10 der Weltcupgesamtwertung.

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Franziska Preuß hat in dieser Saison gut lachen. (Quelle: IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/Axel Kohring/imago)

Preuß stand bisher bei sechs Einzelrennen auf dem Podium, was selbst die kühnsten Optimisten nicht erwartet hätten. “Sie läuft sehr gut, auch wenn sie nicht Bestzeiten am Fließband liefert – aber die braucht’s auch nicht, weil sie extrem gute Schießprozente hat und da sehr stabil ist. Franziska trifft im Grunde fast immer”, analysiert die zweifache Olympiasiegerin Disl.

Eine derartige Leistungsexplosion war vor der Saison nicht unbedingt abzusehen. Gesundheitliche Probleme setzen der talentierten Preuß immer wieder zu, weshalb sie die Saison 2023/24 vorzeitig beenden musste. Über Jahre verhinderte das labile Immunsystem der Bayerin, dass sie ihr volles Potenzial ausschöpfen konnte.

“Franziska Preuß war eigentlich immer gut, nur hatte sie ständig gesundheitliche Probleme, war oft krank”, erklärt Weltcup-Kennerin Disl. Im vergangenen Jahr ließ sich Preuß dann an den Nasennebenhöhlen operieren und ist seitdem gesundheitlich stabiler denn je.

“Es ist im Hochleistungssport einfach so: Wenn man topfit ist, kann man auch die Leistung halten. Und das sieht man jetzt bei Franziska”, erklärt Ex-Athletin Disl und fügt an: “Von daher sind ihre Erfolge für mich nicht überraschend.”

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Julia Tannheimer: Die 19-Jährige hat es – inklusive der Staffeln – in dieser Saison bereits sechsmal in die Top-10 geschafft. (Quelle: IMAGO/Steffen Proessdorf/imago)

Ganz anders sieht das bei den jüngeren deutschen Athletinnen aus. Vor allem Selina Grotian und die 19-jährige Julia Tannheimer haben in dieser Saison einen unerwarteten Leistungssprung gemacht. Während Tannheimer in den Einzeldisziplinen dreimal in die Top-10 lief, holte Grotian vor Weihnachten sogar ihren ersten Weltcupsieg. Und das mit erst 20 Jahren.

Schnell wurden in der Öffentlichkeit Vergleiche mit der 2018 zurückgetretenen Laura Dahlmeier laut. Die ehemalige Topathletin Disl stellt sich diesen allerdings entschieden entgegen: “Es ist mühselig, darüber zu reden, ob sie die neue Laura Dahlmeier wird oder nicht”, sagt Disl.