Windräder sind mittlerweile in vielen Ländern ein zentraler Bestandteil der Stromversorgung, doch nicht überall beliebt. Für Friedrich Merz sind sie eine „Übergangstechnologie“, so der CDU-Kanzlerkandidat Ende November, die „hässlich“ seien und „nicht in die Landschaft passen“. Der künftige US-Präsident Donald Trump hat vergangene Woche angekündigt, keine neuen Windräder mehr zu genehmigen. Und auch im österreichischen Bundesland Kärnten hat sich am Sonntag bei einer Volksbefragung eine knappe Mehrheit gegen neue Windräder auf Bergen und Almen ausgesprochen.
Eine neue Dimension der Radikalität stellen gleichwohl die Aussagen von Alice Weidel am Wochenende dar. Die AfD-Kanzlerkandidatin hatte mit einer Rede auf dem zweitägigen Parteitag in Riesa für Empörung gesorgt, als sie ankündigte, Windräder abzureißen, wenn die Partei am Ruder sei: „Nieder mit den Windmühlen der Schande“, rief sie unter tosendem Applaus der Delegierten.
Aussagen, die am Montag heftige Kritik nach sich zogen. Der Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie Offshore (BWO), Stefan Thimm, bezeichnete sie als „indiskutabel“, die Chefin des Branchenverbands BDEW, Kerstin Andreae, als „völlig destruktiv“. Windkraftanlagen seien nicht nur „eine der effizientesten und klimafreundlichsten Technologien zur Stromerzeugung“, so Andreae. Sie hätten auch wesentlich dazu beigetragen, die Versorgung während der Energiekrise zu sichern.
Ergänzt Stromerzeugung aus Photovoltaik
Windräder sind die wichtigste Quelle der Stromerzeugung in Deutschland: Dem BDEW zufolge trug die Windkraft an Land im vergangenen Jahr 23,5 Prozent (115 Terawattstunden) zur Bruttostromerzeugung bei, die Windkraft auf See 5,5 Prozent (26,7 Terawattstunden). „Zur Erinnerung: Die Windkraft an Land ist ein wesentlicher Pfeiler der Stromversorgung“, schrieb Wolf-Peter Schill vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im sozialen Netzwerk Bluesky. Er verwies darauf, dass die Windkraft die Stromerzeugung aus Photovoltaik (PV) „im Tages- und Saisonverlauf hervorragend“ ergänze. PV habe ihr Erzeugungsmaximum im Sommer, die Windkraft in Mitteleuropa dagegen im Winter. Im Tagesverlauf schwanke die Windstromerzeugung zwar weniger regelmäßig als die aus PV, aber trage im Mittel dennoch „deutlich zur Deckung der Last in den Abend-, Nacht- und Morgenstunden bei, wenn die PV nichts oder wenig erzeugt“.
Auch deshalb sollen Windräder im deutschen Stromsystem noch wichtiger werden: Bis zum Jahr 2030 sollen Windparks mit einer Leistung von 115 Gigawatt an Land und 30 Gigawatt auf See installiert sein, so steht es im Erneuerbare-Energien-Gesetz. Gerade der Ausbau an Land hing in den vergangenen Monaten deutlich hinter dem vorgesehenen Ausbaupfad hinterher.
Doch Forscher Schill verwies auf jüngste Zahlen, wonach seit Frühjahr 2024 deutlich mehr Windräder genehmigt wurden als in den vergangenen Jahren. „Es geht endlich voran!“, schrieb er. „Jetzt wieder zu bremsen wäre einfach Wahnsinn.“ Er führte zudem an, dass die Windkraft an Land die Energiewende insgesamt günstiger mache und zumindest bislang „von den Wertschöpfungsketten her nicht stark auf China angewiesen“ sei. Auch BWO-Chef Thimm griff dieses Argument auf: „Wenn deutsche Unternehmen nicht die Technologien zur Bekämpfung des Klimawandels entwickeln und exportieren, werden andere Länder diese Marktführerschaft übernehmen.“
Kritisch im eigenen Wohnumfeld
Weidels Äußerung steht im offenen Widerspruch zu den Beteuerungen der Politikerin in der gleichen Rede, für Technologieoffenheit zu stehen und die Eigentumsrechte der Bürger schützen zu wollen. Später erklärte sie, missverstanden worden zu sein. Ihre Aussage habe sich nur auf den Reinhardswald in Hessen bezogen, betonte sie. Im CDU-regierten Hessen werde der sogenannte Märchenwald abgeholzt „für Windmühlen, die über 240 Meter hoch sind“.
Grundsätzlich schloss Weidel gegenüber der Deutschen Presseagentur Windkraft als Energiequelle nicht aus, aber ohne Subventionen. Im gerade beschlossenen Parteiprogramm heißt es hingegen: „Weitere Schädigungen unserer Natur im Namen eines vermeintlichen Klimaschutzes müssen unter allen Umständen verhindert werden.“ Zum Kreis der Verfasser dieser Passage gehört der AfD-Parteichef von Thüringen, Björn Höcke, der den Bau von Windrädern mit dem Verlust von Heimat gleichsetzt. Er bezeichnete die Windindustrie als „ökologischen Wahnsinn und inhuman“.
In Umfragen beurteilen mehr als drei Viertel der befragten deutschen Haushalte den stärkeren Ausbau von erneuerbaren Energien als wichtig oder sehr wichtig. Dabei wird oft geäußert, dass der Windkraftausbau zwar allgemein unterstützt, im eigenen Wohnumfeld aber eher kritisch betrachtet wird. „Dies könnte aber auch damit zusammenhängen, dass Bürger die Bereitschaft zur Unterstützung von Windanlagen unter ihren Mitbürgern einfach falsch einschätzen“, sagt Andreas Löschel, Professor für Umwelt- und Ressourcenökonomik an der Ruhr-Universität Bochum.
„Negative Auswirkungen und der lokale Widerstand werden stark überschätzt und sind in der Realität meist nicht so groß. Windkraftgegner scheinen eine stark wahrgenommene Minderheit zu sein.“ Durch eine entsprechende Beteiligung insbesondere im Planungsprozess steige die Akzeptanz einer Anlage im Wohnumfeld sogar noch. Allerdings zeige sich auch, dass Windkraftgegner auch durch Beteiligung ihre Position nicht änderten.