Verfahren gegen früheren KZ-Wachmann von Sachsenhausen läuft weiter

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In der Reihe von Prozessen gegen frühere KZ-Wachmänner könnte vor dem Landgericht Hanau eine weitere Verhandlung stattfinden. Dem inzwischen 100 Jahre alten Gregor F. wird dort vorgeworfen, im Konzentrationslager Sachsenhausen Beihilfe zum Mord in mindestens 3322 Fällen begangen zu haben.

Die Jugendkammer des Landgerichts hatte die Hauptverhandlung zunächst nicht eröffnet, weil ein medizinischer Sachverständiger F. für nicht mehr verhandlungsfähig hielt. Das zuständige Oberlandesgericht Frankfurt fand nun aber Mängel in dem medizinischen Gutachten, unter anderem weil der Sachverständige weder den Angeschuldigten selbst noch dessen Umfeld habe befragen können. Daher verwies das OLG den Fall an das Landgericht zurück, um weitere Ermittlungen anzustellen und dann neu über die Verhandlungsfähigkeit zu entscheiden.

Gregor F. war 1924 als Angehöriger der deutschen Minderheit im westrumänischen Arad geboren. Von Juli 1942 bis Februar 1945 diente er in einem SS-Wachbataillon im KZ-Sachsenhausen nördlich von Berlin. In dem Lager waren bis 1945 rund 200.000 Menschen interniert. Zehntausende starben aufgrund der unmenschlichen Lebensbedingungen oder wurden von der SS gezielt ermordet, darunter viele sowjetische Kriegsgefangene. Unter anderem hatte die SS in Sachsenhausen eine spezielle Genickschussanlage installiert, später kam eine Gaskammer hinzu.

2011 änderte sich eine Rechtspraxis

F. war 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten und wurde 1947 von einem Militärgericht zu 25 Jahren Haft verurteilt, von denen er zehn Jahre absaß. Das Landgericht hatte bislang nicht erkennen lassen, dass die Verurteilung einem weiteren Prozess im Weg steht.

Nach einer ersten Phase der juristischen Verfolgung von NS-Verbrechen nach dem Krieg hatte sich die deutsche Justiz in den Siebzigerjahren auf den Standpunkt zurückgezogen, man könne nur solche Täter belangen, denen konkrete eigene Taten nachweisbar sind.

Diese Praxis wurde erst 2011 durch das Urteil gegen John Demjanjuk, einen früheren Wachmann des Vernichtungslagers Sobibor, infrage gestellt. Daraufhin kam es zu einer Reihe von Prozessen gegen frühere SS-Angehörige, in denen die Richter klarstellten, dass jedes wissentliche Mitwirken an der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie juristisch als Beihilfe zum Mord zu bewerten ist. Inzwischen laufen nur noch wenige Ermittlungsverfahren gegen einzelne Personen, deren Verhandlungsfähigkeit wegen infrage steht.