Die amerikanische Luftwaffe hadert mit ihren Flugzeugen der nächsten Generation, die viel mehr sein sollen als nur Flugzeuge. Die Systeme der Next Generation Air Dominance (NGAD) sollen die Überlegenheit der USA in der Luft stärken; und es der amerikanischen Luftwaffe ermöglichen, in einem stark umkämpften Raum zu bestehen. Bemannte und unbemannte Flugzeuge, die koordiniert in feindliches Gebiet eindringen – mit besseren Sensoren, größerer Reichweite, moderneren Waffen. Doch zuletzt mehrten sich die Zweifel an dem Projekt. Das liegt nicht unbedingt an der technischen Machbarkeit, sondern vor allem an den hohen Kosten.
Der zivile Leiter der US-Luftwaffe, Frank Kendall, bezifferte den Preis eines Systems ursprünglich auf „mehrere Hundert Millionen Dollar“. Dabei sind die Betriebs- und Wartungskosten wohl nicht eingerechnet. Selbst für das Land mit den höchsten Militärausgaben der Welt ist das eine beträchtliche Summe. Zum Vergleich: Das bis dato teuerste Flugzeug der amerikanischen Luftwaffe, die F-35, kostet etwa zwischen 80 und 100 Millionen Dollar pro Stück.
Im Dezember verschob die Luftwaffe die Entscheidung über die Zukunft der Flugzeuge auf die Amtszeit der neuen Regierung. Es werde jedoch sichergestellt, dass „der Entscheidungsspielraum für das NGAD-Programm intakt bleibt“, hieß es. Ob oder wie Donald Trump als Präsident das Projekt weiterführt, das das „Herzstück“ der Luftwaffe werden sollte, ist vollkommen offen. Alle Kandidaten für Toppositionen im Pentagon hat Trump nominiert – nur wer die Stelle des zivilen Leiters der Luftwaffe übernehmen soll, ist noch unklar.
Elon Musk: „China holt nicht nur auf, China überholt uns“
Die jüngsten Äußerungen von Elon Musk zur Zukunft von Kampfflugzeugen könnten zumindest ein Indiz für den künftigen Kurs sein: Der designierte Trump-Berater schrieb auf seiner Plattform X, dass „einige Idioten immer noch bemannte Kampfjets wie die F-35 bauen“. Dazu postete er ein Video von einem koordinierten Manöver etlicher – wohl chinesischer – Drohnen. Bemannte Kampfflugzeuge, schrieb er, seien im Zeitalter der Drohnen „ohnehin obsolet“. „Dabei werden nur Piloten getötet.“
Das ließ vermuten, dass Musk kein großer Fan des NGAD-Programms ist, das auf bemannte und unbemannte Systeme setzt. Später aber schwärmte er über neue, angeblich hochmoderne chinesische Kampfflugzeuge, von denen erstmals im Dezember Bilder auftauchten. Es ist nicht bekannt, ob es sich um bemannte oder unbemannte Flugzeuge handelte. „Diese Jets sind so etwas wie die Schweizer Armeemesser der Lüfte“, sagte Musk.
Er hob die angeblich hohe Geschwindigkeit, verbesserte Tarnkappentechnik und Bewaffnung hervor. „China holt nicht nur auf, China überholt uns – das ändert alles.“ Washington dürfe sich nicht auf den existierenden Flugzeugen ausruhen. Es müsse in die neue Generation investiert werden, „als ob unser Leben davon abhängt“. Bislang existierten die neuen Flugzeuge nur „auf ein paar hübschen Power-Point-Folien“, behauptete Musk. Tatsächlich haben amerikanische Prototypen schon vor Jahren erste Testflüge absolviert.
Das erste Flugzeug der sechsten Generation
Die NGAD-Kampfflugzeuge wären die ersten der sogenannten sechsten Generation. Viele Details dazu sind geheim. „Es ist nicht wirklich ein Kampfflugzeug. Es ist eher ein Kampfsystem, wenn man so will“, sagt Kelly Grieco, die sich an der Denkfabrik Stimson Center in Washington mit modernem Luftkampf auseinandersetzt. Die Idee: Der Pilot des bemannten Flugzeugs kontrolliert im Kampf das unbemannte System. Dieses würde dann unterschiedliche Aufgaben übernehmen, um dem Piloten das Leben einfacher zu machen: mit Aufklärung, elektronischer Kriegsführung, Waffen, eventuell sogar über Luftbetankung, sagt Grieco.
An dem genauen Konzept werde noch gearbeitet. „Aber die Idee ist, dass das unbemannte System weit vor dem bemannten in den umkämpften Luftraum fliegt und Daten zurücksendet.“ Es gehe insbesondere darum, die Reichweite über dem Indopazifik zu erhöhen. „Weil wir das als unser primäres Einsatzgebiet betrachten“, so die amerikanische Expertin.
Die Indopazifikregion ist zum zentralen Schauplatz im Ringen zwischen Washington und Peking geworden. Allerdings gebe es dort große Distanzen zwischen den US-Basen, sagt Grieco, teils mehr als 1000 Seemeilen. Es werde „sehr schwierig“, in dieser Region zu operieren, wenn ein durchschnittliches Kampfflugzeug nur etwa die Hälfte dieser Reichweite habe. Die meisten Flugzeuge seien für europäische Szenarien entwickelt worden, wo es viele Stützpunkte gebe. Über dem Indopazifik seien die USA derzeit auf Luftbetankung angewiesen. Tankflugzeuge seien jedoch groß, langsam und daher ein „attraktives Angriffsziel“.
Jetzt muss Trump entscheiden
Hohe Kosten, andere Prioritäten im Budget der Luftwaffe und Konkurrenz durch billigere Technologien haben das Projekt stagnieren lassen. Bereits im Sommer wurde das NGAD-Konzept von der Luftwaffe infrage gestellt. Es werde „pausiert“, sagte damals Kendall, der zivile Leiter der Luftwaffe. Man nehme sich „jetzt ein paar Monate Zeit, um herauszufinden, ob wir das richtige Design haben, und um sicherzustellen, dass wir auf dem richtigen Kurs sind“. Diese Entscheidung wurde nun Trump überlassen.
Ursprünglich sollten die NGAD-Flugzeuge ab den frühen 2030er-Jahren die F-22 Raptor ablösen, die seit 2005 im Dienst sind. Mit der sechsten Generation wollte Washington eine Duftmarke setzen – besonders im Rüstungswettlauf mit China. Bislang verfügt Amerika nur über Flugzeuge der vierten und fünften Generation. Die Trennlinien zwischen den Kampfflugzeuggenerationen sind nicht eng definiert. Als Modelle der fünften Generation gelten Flugzeuge mit Tarnkappentechnik und besseren Sensoren, die der künftigen sechsten Generation sollen unter anderem im Verbund mit unbemannten Systemen und Künstlicher Intelligenz kämpfen.
Während deren Entwicklung bei der US-Luftwaffe stockt, sorgten die jüngsten Videos und Bilder neuartiger chinesischer Kampfflugzeuge für Aufsehen. Fachleute und Medien spekulierten, dass es sich um Prototypen der sechsten Generation handeln könnte. Die veröffentlichten Bilder lassen darüber allerdings keinen sicheren Rückschluss zu. Man sieht die Flugzeuge nur aus der Ferne und kann nicht ins Innere der Cockpits sehen.
Neue chinesische Flugzeuge als „Weckruf“ für die US-Luftwaffe
Dennoch sprach der Finanzanalyst der Deutschen Bank für Luftfahrt und Verteidigung in New York, Scott Deuschle, von einem „Weckruf“ für die US-Luftwaffe. Dieser folge auf „mehrere Jahre der Untätigkeit der US-Luftwaffe in Bezug auf die Beschaffung von Flugzeugen der sechsten Generation, mit Ausnahme der B-21“, so Deuschle. Die B-21 Raider ist ein strategischer Langstreckenbomber in Entwicklung und wird ebenso zur sechsten Generation gezählt.
Deuschle kritisierte auch die aktuelle Luftwaffenflotte der USA – im Speziellen die F-35, die als eines der modernsten Flugzeuge der Welt gilt: Dass China möglicherweise bereits Fähigkeiten der sechsten Generation einsetze, „bevor die F-35 die volle Block-4-Fähigkeit erreicht hat, ist ein bedauerlicher Umstand“. Mit dem Block-4-Update sollen die F-35 in vielen Bereichen verbessert werden, darunter die elektronische Kriegsführung. Doch seit Jahren gibt es auch damit Probleme, die Kosten sind in die Höhe geschossen.
Hat die chinesische Luftwaffe die amerikanische also abgehängt? So weit würde Kelly Grieco nicht gehen. Die Militäranalystin sagt, dass Peking dabei sei, den technologischen Vorsprung Washingtons aufzuholen. So verfüge die chinesische Luftwaffe über Luft-Luft-Raketen mit größerer Reichweite. Es gehe aber nicht allein um die Technologie, sagt Grieco. „Es geht auch um die Ausbildung und den Glauben an seine Fähigkeiten.“ Zwar berichteten US-Piloten, dass chinesische Piloten sich verbesserten. „Ich bin allerdings skeptisch, ob sie so gut wie die amerikanischen Piloten sind.“ Diese würden „extrem gut“ ausgebildet.