Ein Jahr Schwarz-Rot: FDP beklagt Aufschieberitis

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Ein Jahr nach der Bildung der schwarz-roten Koalition stellt die FDP-Fraktion im Hessischen Landtag die Diagnose der Prokrastination: Die „Aufschieberitis“ von CDU und SPD, den Mangel an Ideen und Ambitionen, könne sich das Land nicht mehr leisten – so lautet das Fazit der beiden Fraktionsvorsitzenden Wiebke Knell und Stefan Naas. Wie zuvor die Grünen, so nehmen auch die Liberalen Anstoß an dem in dieser Woche von der hessischen CDU bei einem Parteitag in Alsfeld erhobenen Anspruch, ein Vorbild für Berlin zu sein. Tatsächlich handele es sich um eine „Koalition des Stillstands“, die falsche Prioritäten setze.

„Schwarz-Rot beschäftigt sich mehr mit PR als mit realer Politik. Sei es in der Bildung, in der Wirtschaft oder bei der Infrastruktur – die Probleme werden nicht gelöst, sondern ignoriert“, äußern Knell und Naas. Das zeige sich vor allem in der Wirtschaftspolitik. Minister Kaweh Mansoori (SPD) habe inmitten einer Wirtschaftskrise keine Antworten. „Anstatt auch nur einen einzigen Gesetzesvorschlag vorzulegen, schmeißt der Schnüffelminister mit viel Getöse seine Staatssekretärin aus dem Amt und widmet sich einer Diffamierungskampagne.“

„Dringender Aufholbedarf“ bei Infrastruktur

Damit spielen die Liberalen auf die gerichtliche Auseinandersetzung zwischen dem Ministerium und der in den einstweiligen Ruhestand versetzten Staats­sekretärin Lamia Messari-Becker an. Sie findet demnächst in einem Untersuchungsausschuss ihre Fortsetzung, dessen Einsetzung die Opposition im Oktober des vergangenen Jahres im Landtag erzwungen hatte.

„Dringender Aufholbedarf“ besteht aus der Sicht der FDP beim Thema In­frastruktur. „Die Fehler der grünen Verkehrspolitik wurden nicht korrigiert: Straßen und Brücken verfallen, der ÖPNV bleibt chronisch unterfinanziert, und beim Neu- und Ausbau von Straßen und Radwegen gibt es wenig Fortschritt.“ Es sei ein schwerer Fehler der Union gewesen, den Sozialdemokraten dieses wichtige Schlüsselministerium zu überlassen. „Rot kann keine Wirtschaft“ lautet die Diagnose der FDP. Die Libe­ralen vermissen zudem den Abbau von Bürokratie. „Stattdessen haben wir zwei zusätzliche Ministerien, vier neue Staatssekretäre und Hunderte neue Stellen in den Ministerien bekommen. Das ist kein Bürokratieabbau, sondern Bürokratieaufbau.“

Auch die schwarz-rote Bildungspolitik sei ein Sinnbild für den Stillstand, die Probleme verschärften sich sogar. „Kul­tus­minister Armin Schwarz verwaltet bestenfalls den Status quo, während die eklatanten Herausforderungen wie der massive Lehrkräftemangel unbeantwortet bleiben.“ Anstatt Lösungen zu präsentieren, betreibe der Minister mit Genderdebatten und der Einführung von Blockflötenunterricht an einzelnen Schulen lediglich eine Form der Symbolpolitik, die Hessens Schulen nicht weiterbringe.

„Für die Zukunft der Bildung in Hessen sehen wir Schwarz

Angesichts der mehr als 1000 unbesetzten Lehrerstellen in Hessen sei die Prioritätensetzung der Landesregierung unverständlich, finden Knell und Naas. Ihnen fehlt ein klarer „Plan, wie Unterrichtsausfälle reduziert und die Ganztagsförderung erfolgreich umgesetzt wer­den sollen.“ Nötig sei außerdem ein Konzept zur Stärkung der Qualität von Haupt- und Realschulabschlüssen. Aber auch dazu gebe es keine Antwort. „Für die Zukunft der Bildung in Hessen sehen wir, wie der Minister sich nennt: Schwarz.“

Die Probleme im Land ließen die Landesregierung offensichtlich unberührt. Außerdem begehe sie in mehreren Fällen Wortbruch. Als Beispiel nennen Naas und Knell das sogenannte Hessengeld: Die den Bürgern vor der Wahl versprochene Entlastung für Käufer von Immobilien erweise sich jetzt als Mogel­packung. Die CDU habe auf ihren Wahlplakaten versprochen, dass die Grund­erwerbsteuer „aufs Haus geht“. Jetzt aber müssten Immobilienkäufer die Steuer beim Kauf dennoch in voller Höhe zahlen. Das Hessengeld erhielten sie aber nicht sofort, sondern über zehn Jahre gestreckt.

Schließlich habe die Landesregierung auch das Vertrauen der Beamten verspielt, indem sie die versprochene Besoldungserhöhung verschoben habe, meinen die Liberalen. „Echter Respekt gegenüber Einsatzkräften sieht anders aus.“