Joe Biden kann die Demokraten in der Trump-Zeit nicht führen

16

Joe Biden hat in seiner letzten Ansprache vor den neuen „Räuberbaronen“ gewarnt, also vor einer korrupten Clique manipulativer Tech-Milliardäre. Der scheidende Präsident verlangte zudem eine Verfassungsänderung, um die vom Supreme Court faktisch für Donald Trump eingeführte Präsidentenimmunität aufzuheben. Doch wer hört Biden noch zu?

Die Amerikaner haben soeben einen Präsidenten gewählt, vor dem Biden sie mit Faschismus-Vorwürfen gewarnt hatte. Und eine verfassungsändernde Mehrheit könnte in dem gespaltenen Land nur ein Zauberer schmieden.

Biden hat sich für einen solchen Politmagier gehalten. Als er den Amerikanern inmitten des Trump-Chaos die Rückkehr zur Normalität versprach, schien er aufrichtig zu glauben, die Amerikaner miteinander und mit ihren Institutionen versöhnen zu können. Die Wähler waren realistischer. Sie versammelten sich 2020 nicht hinter einem Heiler, sondern hinter einem erklärten Übergangskandidaten.

Bidens Übergang? Von Trump zu Trump

Bidens „Normalität“ sollte nurmehr ein Zwischenschritt sein auf dem Weg zu neuen Kandidaten mit neuen Ideen für ein großartiges Amerika, in dem sich die Bürger wieder verstanden und vertreten fühlen. Biden aber hat nur den Übergang von Trump zu Trump zuwege gebracht.

Das heißt keineswegs, dass er innenpolitisch auf ganzer Linie versagt hätte. Wirtschaftlich kamen die USA besser aus der Pandemie als der Rest der Welt. Die Erneuerung der Infrastruktur wird endlich angepackt; Trump war daran gescheitert und profitiert nun davon. Trotz aller Begeisterung für Kohle, Öl und Gas wird er womöglich auch das Rad der grünen Transformation nicht völlig zurückdrehen, und sei es unter dem Druck des „Tech-industriellen Komplexes“, vor dem Biden nun warnte. Denn Trump könnte auch bei den von ihm verteufelten Elektroautos, Solar- und Windkraftwerken die Früchte ernten, die Biden säte.

Dennoch kann man nur den Kopf schütteln, wenn Biden stur beteuert, dass er Trump bezwungen hätte. Der Demokrat kündigt an, sich weiter einzumischen – als hätte er vergessen, dass ihn die Demokraten schon im Sommer abgesägt hatten. Er wird die Partei nicht führen können, genauso wenig wie die gescheiterte Kamala Harris.

Zwei, die morgen von gestern sind: Joe Biden umarmte nach seiner Fernsehansprache im Oval Office seine Vizepräsidentin Kamala Harris.
Zwei, die morgen von gestern sind: Joe Biden umarmte nach seiner Fernsehansprache im Oval Office seine Vizepräsidentin Kamala Harris.AP

Als höchste Demokraten vom Dienst werden die Minderheitsführer im Kongress, Hakeem Jeffries und Chuck Schumer, austarieren müssen, wie weit sie den Republikanern entgegenkommen. Ihr Einfluss auf die Gesetzgebung steigt in dem Maße, in dem die Republikaner untereinander zanken. Schon bald könnte Trump Hilfe zur Erhöhung der Schuldenbremse brauchen. Die Entscheidung, welchen Preis die Demokraten dafür verlangen, dürfte allerdings ihre Bruchlinien offenlegen.

Denn die großen Fragen werden sie nicht so bald verbindlich beantworten: Haben sie die Arbeiterschaft zugunsten einer Bildungselite verraten? Haben sie sich identitätspolitisch verrannt? Wie viel Globalisierung darf, wie viel Abschottung muss sein? Demokratische Abgeordnete, Senatoren und Gouverneure werden darauf jeweils die Antwort geben, von der sie sich in ihrem Wahlkreis oder Bundesstaat den größten Nutzen versprechen. Die nationale Klärung beginnt erst 2027 mit dem Vorwahlkampf für die nächste Präsidentenwahl.

Die Resistance weicht der Resignation

Bis dahin werden Trump und die Republikaner Amerika verändern, und mit einer Massenbewegung dagegen müssen sie vorerst nicht rechnen. Die Köpfe der „Resistance“ von 2017 bekunden heute Resignation. Vor acht Jahren war die Parole „Not My President“ populär: Trumps Sieg wurde als Unfall betrachtet, schuld daran war wahlweise Russland, das FBI oder eine vermeintlich rassistische, frauenfeindliche Redneck-Wählerschaft, die nicht das „wahre Amerika“ repräsentiere. Nach einem achtjährigen Reality-Check sehen viele Trump-Gegner ein, dass sie nur dessen böses Spiel nach der Niederlage von 2020 wiederholen würden, wenn sie ihm auch diesmal die Legitimität absprächen. So profitiert Trump von einer ihm fremden Verfassungstreue der Mitbürger, die er verachtet.

Die härteste Prüfung für die Demokraten wird die Einwanderungspolitik. Sie müssen mit darüber wachen, dass die Regierung die Humanität nicht aus dem Auge verliert. Sie dürfen sich aber nicht wieder in ein Schwarz-Weiß-Schema pressen lassen, in dem sie die Pro-Migration-Partei sind und vor Problemen die Augen verschließen. Hier werden sich demokratisch dominierte Bundesstaaten positionieren. Das wegen seiner Lage und Größe besonders gefragte Kalifornien geht wegen der Feuerschäden in Los Angeles allerdings als Bittsteller geschwächt in die Ära Trump II.

Dessen Gegner sind gut beraten, konstruktiv Oppositionsarbeit zu leisten und „Widerstand“ nur dann zu orchestrieren, wenn der Präsident die Grundfesten der liberalen Demokratie beschädigt. Eine neuerliche Dauerempörung führte dagegen bloß zu weiterer Abstumpfung. Und die wäre das größte Geschenk für Trump und seine Möchtegern-Oligarchen.