Womit meint Trump es wirklich ernst?

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Die Welt wird sich wieder auf Mitteilungen wie solche einstellen müssen: „Viel zu lange haben wir uns darauf verlassen, dass wir unsere großartigen Leute über den Internal Revenue Service (IRS) besteuern. Durch lasche und erbärmlich schwache Handelsabkommen hat die amerikanische Wirtschaft der Welt Wachstum und Wohlstand beschert, während wir uns selbst besteuert haben. Es ist an der Zeit, das zu ändern. Ich kündige heute an, dass ich den EXTERNAL REVENUE SERVICE einrichten werde, um unsere Zölle, Abgaben und alle Einnahmen aus ausländischen Quellen einzutreiben. Wir werden damit beginnen, diejenigen zur Kasse zu bitten, die mit uns Handel treiben und Geld verdienen, und sie werden ENDLICH ihren gerechten Anteil zahlen. Der 20. Januar 2025 wird das Geburtsdatum des External Revenue Service sein. MACHEN SIE AMERIKA WIEDER GROSS!“

Der Sprachduktus ist vertraut, Donald Trump hat wieder zugeschlagen auf seinem eigenen Kanal Truth Social. Und wie schon in der ersten Wahlperiode stellt sich für Betroffene und Beobachter die Frage, wie ernst der Beitrag zu nehmen ist.

„Der Rest der Welt lacht uns aus“

Gelegentlich wird Trump als Ignorant dargestellt, der wenig versteht. Häufiger gilt er als prinzipienloser Populist, der allein von selbstsüchtigen Motiven geleitet ist. Das ist vermutlich falsch. Tatsächlich hat er schon vor 40 Jahren Grundüberzeugungen öffentlich gemacht, an denen er bis heute festgehalten hat, wenn sie auch gelegentlich in neuem Gewande daherkommen.

Das zeigt ein verblüffend aufschlussreiches langes Interview, dass Trump dem „Playboy“-Magazin im Jahre 1990 gegeben hat. Das belegen aber auch Anzeigen, die er damals in großen Zeitungen schaltete, um Amerika auf einen anderen wirtschaftspolitischen Kurs zu bringen.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.


Aus seinen Beiträgen in der damaligen Zeit lassen sich die Prinzipien und Grundvorstellungen herausdestillieren, von denen er bis heute nicht abgerückt ist und vermutlich auch nicht mehr abrücken wird, weil Menschen in hohem Alter sich nicht zu ändern pflegen. Zu seinen Vorstellungen gehört, dass Amerika im Niedergang begriffen ist und alles dafür getan werden muss, es zu seiner alten Stärke zurückzuführen. „Ich hasse es, dieses Land vor die Hunde gehen zu sehen. Der Rest der Welt lacht uns aus“, sagte er dem „Playboy“.

Warum Trump auf Grönland schielt

Diese Sichtweise spiegelt sich im Wahlkampfslogan „Make America Great Again“, der authentisch Trump verkörpert, wie kaum ein anderer es könnte. Er ist vermutlich nicht die Geistesgeburt eines Wahlkampfexperten. Größe bedeutet vor allem Stärke in militärischer, wirtschaftlicher und geostrategischer Hinsicht. Aktuell beschäftigt Trump Grönland, das er gerne den USA einverleiben würde. Seine Äußerungen dazu werden in den einschlägigen Talkshows von Entertainern professionell veralbert, als ob der Politiker nicht wisse, worüber er spreche.

Die geopolitische Realität sieht anders aus. In den USA wächst unter Militärexperten der Eindruck, dass die Insel in der Obhut Dänemarks relevant werden könnte und dass Amerika den Russen hinterherhinkt in der Etablierung militärischer Präsenz in der Arktis, die wichtiger werden könnte, wenn durch abschmelzendes Eis neue See- und Handelswege entstehen. Weil die Grönländer gerade selbst nach Unabhängigkeit von Dänemark streben, ist der Zeitpunkt für die Formulierung amerikanischer Interessen zumindest nicht absurd.

Es passt zu Trump, dass er in der Verfolgung des Prinzips der Stärke einen Stein ins Wasser wirft und die Wellen studiert. Dass er auf Nachfrage eines Journalisten militärische Gewalt in der Durchsetzung des Ziels nicht ausschließt, offenbart den Unterhändler, der seine Trümpfe nicht preisgibt, und weniger den Militaristen, der einen NATO-Partner attackieren will.

Ein Playboy-Interview von 1990

Trumps Aussagen zum Panamakanal, die öffentlich genauso mit einer Mischung aus Empörung und Veralberung aufgenommen wurden, fügen sich ebenfalls ins Bild einer Politik, die Stärke anstrebt. Denn dass er einen der wichtigsten Handelswege der Welt wieder in amerikanische Hand bringen will, ist so abwegig nicht.

Der von den USA gebaute und finanzierte Kanal ist seit 1999 unter Panamas Kontrolle. China hat zwei Häfen an strategischer Stelle platziert und gewinnt wachsenden Einfluss in der Region, während Panama die Durchfahrgebühren erhöht. In den USA wachsen deshalb die Zweifel, dass sich Panama an die Verträge hält, die Voraussetzung dafür waren, dass die USA 1977 unter Jimmy Carter den Kanal an Panama abtraten. Zusätzlich inspiriert haben dürfte Trump die Rolle Carters, den er zu den besonders schwachen Präsidenten zählt.

Ein Container-Schiff im Panama-Kanal
Ein Container-Schiff im Panama-KanalAFP

Die zweite Konstante in Trumps Weltbild ist die Sichtweise, dass alle Länder, aber vor allem Bündnispartner, Amerika über den Tisch ziehen und sich einen schönen Lenz auf Amerikas Kosten machen. Im „Playboy“-Interview von 1990 antwortete Trump auf die Frage, was einen guten Präsidenten ausmacht: „Er würde sehr stark an extreme militärische Stärke glauben. Er würde niemandem vertrauen. Er würde den Russen nicht vertrauen, er würde unseren Verbündeten nicht vertrauen; er würde ein riesiges Militärarsenal haben, es perfektionieren und verstehen. Ein Teil des Problems ist, dass wir einige der reichsten Länder der Welt umsonst verteidige . . . Wir werden auf der ganzen Welt ausgelacht, weil wir Japan verteidigen.“

Die Haltung findet sich wieder in der frischen Forderung, dass die NATO-Partner ihre Ausgaben auf 5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufstocken sollten. Die Botschaft, dass die Alliierten immer noch zu wenig tun und immer noch zu sehr auf amerikanische Militärpräsenz bauen, ist unverändert. Die 5 Prozent vom BIP muss man weniger ernst nehmen, weil sie selbst die USA finanziell überfordern würde. Höhere Militärleistungen der Europäer fordern amerikanische Regierungen schon lange, wenn früher die Kritik auch konzilianter war.

Eine Steuer auf jeden Mercedes?

In Trumps Kopf mischen sich die militärstrategischen Fragen schon seit Langem mit dem Handel. Vereinfacht lautet seine Logik, dass die USA Länder wie Japan und Deutschland militärisch beschützen, wodurch diese Länder Mittel für industriepolitische Maßnahmen zur Stärkung ihrer Produzenten freibekommen. Diese machen dann dank staatlicher Rückendeckung amerikanischen Unternehmen das Leben schwer.

Beleg gefällig? „Die Japaner haben ihre großartigen Wissenschaftler, die Autos und Videorekorder herstellen, und wir haben unsere großartigen Wissenschaftler, die Raketen herstellen, damit wir Japan verteidigen können. Warum werden uns unsere Kosten nicht erstattet? Die Japaner betrügen die USA mit einem echten Trick: Zuerst nehmen sie mit ihren Konsumgütern unser ganzes Geld, und dann stecken sie es wieder in den Kauf von ganz Manhattan.“ So lautet das Zitat aus dem „Playboy“ von 1990.

Unverbrüchlich bleibt auch seine Idee, dass Länder, die einen Handelsüberschuss mit den USA erzielen, das Land betrügen und deshalb mit Zöllen bestraft werden müssen. Das erklärt seine Drohung aus der ersten Amtszeit, Autoimporte mit Zöllen zu belegen. Er konnte das nicht mehr durchsetzen, hat deshalb den Gedanken aber noch lange nicht aufgegeben. „Ich würde eine Steuer auf jeden Mercedes-Benz erheben, der in dieses Land einfährt, und auf alle japanischen Produkte, und wir hätten wieder wunderbare Verbündete“, sagte er schon vor 35 Jahren.

Trump agiert keineswegs erratisch und chaotisch

Seine ganz frische Ankündigung, einen „External Revenue Service“ einzurichten, der Importzölle eintreibt, passt in dieses Bild. Am ersten Tag seiner Präsidentschaft wird er im großen Umfang Einfuhrzölle dekretieren. Ob er allerdings auch die Einkommensteuer abschafft und sie durch Zolleinnahmen zu ersetzen versucht, bleibt abzuwarten. Nicht dass er den Gedanken aufgibt, aber Trump beugte sich schon in der ersten Amtszeit den Realitäten. Die Grenzmauer zu Mexiko wurde nicht gebaut. Den Gedanken findet er immer noch gut.

Trumps vierte Grundvorstellung ist, dass akademisierte Eliten von rechts und links den kleinen Mann in Amerika im Stich gelassen haben. Seiner eigenen Partei hält er vor, für den weitreichenden Verlust von Arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe und für zwei verheerende militärische Abenteuer im Nahen Osten verantwortlich zu sein.

Diese Vorstellung zeigt sich, wenn er der Gewerkschaft der Hafenarbeiter hilft, einen Tarifabschluss herauszuschlagen, der die Automatisierung der Häfen stoppt. Er bezweifelt auch schon lange, dass Karrierepolitiker gute Abkommen für Amerika aushandeln. Schon 1990 schlug er vor, den Finanzinvestor Carl Icahn zum Unterhändler der Regierung zu machen. Er machte in diesen Wochen seinen Freund, den schwerreichen Immobilienentwickler Steve Witkoff, zum Unterhändler für den Nahen Osten und schreibt ihm jetzt zu, bei der Aushandlung des Waffenstillstands in Gaza eine zentrale Rolle gespielt zu haben.

All diese Beispiele zeigen, dass Trump keineswegs erratisch und chaotisch agiert, sondern seine Vorstöße auf Grundüberzeugungen basieren, die er seit vielen Jahren hat. Womöglich muss man sie ernster nehmen, als viele glauben mögen.