So sieht sich Deutschland auf Trump vorbereitet

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An die erste Amtseinführung von Donald Trump vor acht Jahren kann Tobias Lindner sich gut erinnern. Damals war er als Sicherheitspolitiker der Grünen bei der Atlantik-Brücke in Berlin, zusammen verfolgte man die Rede des neuen Präsidenten auf dem Bildschirm. Trump hielt seine „America First“-Rede. Sie hinterließ Eindruck. Niemand habe wirklich geglaubt, dass Trump Kandidat wird oder gar die Wahl gewinnt und ins Weiße Haus einzieht, erzählt Lindner.

Heute ist er Staatsminister im Auswärtigen Amt. „Jetzt hat sich viel verändert, vor allem drei Dinge sind anders als vor acht Jahren“, sagt er. „Die Lage in Deutschland und Europa ist auch wegen des Krieges in der Ukraine eine andere, wir geben viel mehr für Verteidigung aus. Auch sind Trump und seine Leute besser vorbereitet auf die Übernahme der Macht. Aber auch wir sind besser vorbereitet.“

Ob das reicht, muss sich jetzt beweisen. Denn am Montag zieht Trump zum zweiten Mal ins Weiße Haus ein. Hat Berlin genug gelernt aus der ersten Amtszeit? Im Auswärtigen Amt hat man in den Abteilungen zusammentragen lassen, auf welchen Feldern eine Trump-Präsidentschaft Folgen haben könnte für Deutschland und Europa. Da kam einiges zusammen, von der Sicherheitspolitik über den Handel bis hin zur Klimapolitik.

Wo kann man sich einigen?

Dann hat man die Themen sortiert: Wo kann man eine Einigung finden? Wo drohen rote Linien überschritten zu werden? Die Fragen der Verteidigung und Sicherheit, von Zöllen und Handel, der Umgang mit China fallen unter die erste Kategorie. Die Verteidigung des Internationalen Strafgerichtshofs, des Pariser Klimaabkommens und der Unterstützung des UN-Systems in die zweite.

Lindner hat sich viel damit beschäftigt. Er hat nach der amerikanischen Wahl und vor allem nach dem Bruch der Ampelkoalition auch noch kommissarisch den Posten des Transatlantik-Koordinators vom FDP-Mann Michael Link übernommen. Der hatte in den Jahren zuvor schon versucht, Kontakte zu pflegen auch bei Republikanern und in Bundesstaaten weit weg von Washington.

Lindner hat nicht nur auf seinen Amerika-Reisen, sondern auch am Rande von Sicherheitskonferenzen auf der ganzen Welt immer wieder das Gespräch gesucht mit Repu­blikanern. Er hat versucht herauszufinden, was man erwarten muss. „Wir müssen viele Fäden ziehen und mit jenen sprechen, die den Präsidenten am Ende auch erreichen“, sagt er. Für Treffen mit amerikanischen Gesprächspartnern gibt es Fakten-Flyer mit vielen Zahlen: was Deutschland alles tut für die Ukraine, die Verteidigung, Investitionen.

„Trump war und ist weiterhin ein Stresstest“

Wenn er mit amerikanischen Gesprächspartnern rede, sagt Lindner, müsse er gerade viel erklären: „Was mit der Bundesregierung los ist und warum wir noch kurz vor der Bundestagswahl verlässliche Partner sind und diese auch nach der Wahl bleiben.“

Als Trump zum ersten Mal ins Präsidentenamt eingeführt wurde, war auch in Deutschland ein Wahljahr angebrochen. Der SPD-Abgeordnete Metin Hakverdi stimmte an jenem Freitag vor acht Jahren noch am Vormittag im Bundestag ab, dann fuhr er in seine Heimat nach Hamburg, verteilte Flyer und versuchte Bürger von der SPD zu überzeugen. „Trump war und ist weiterhin ein Stresstest“, sagt er.

Aber auch Hakverdi gibt sich zuversichtlich: „Trump erwartet von uns Europäern mehr sicherheitspolitische Selbständigkeit, und die können wir jetzt besser liefern.“ Das liege nicht nur am amerikanischen Präsidenten, sondern auch am Krieg in der Ukraine. Dass in Deutschland nicht mehr über die Lieferung von 5000 Helmen diskutiert werde, sondern es um den konkreten Aufbau einer Brigade in Litauen gehe – das habe auch mit Trump zu tun. Weiterhin gelte aber: Trump bleibe unberechenbar. Seine Aussagen zu Grönland und Kanada seien dafür die besten Beispiele.

Das wollte Scholz so nicht stehen lassen

Als Trump gerade sein Interesse an Grönland bekräftigte und fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung von seinen Partnern forderte, wollte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das so nicht stehen lassen. Er telefonierte mit europäischen Partnern, lud die Presse ins Kanzleramt ein und verwies auf die Unverletzlichkeit der Grenzen. Er führte auf, was Berlin schon für die Verteidigung tue. Wie das bei Trump und seinen Leuten angekommen ist, bleibt offen.

Als der außenpolitische Berater des Kanzlers Jens Plötner am Donnerstag nach F.A.Z.-Informationen bereits zum zweiten Mal persönlich mit dem Nationalen Sicherheitsberater von Trump, Michael Waltz, in Washington zusammengekommen ist, soll das Statement kein Thema gewesen sein. Stattdessen habe der Fokus auf gemeinsamem Handeln gelegen bei Themen wie Russland, dem Ukrainekrieg und auch Iran, heißt es aus der Bundesregierung.

Die beiden Treffen von Waltz und Plötner sind die bislang wichtigsten persönlichen Kontakte der Bundesregierung ins direkte Umfeld von Trump. Zweimal hatte Scholz mit dem neuen Präsidenten telefoniert, zuletzt am 19. Dezember. Danach zeigte man sich zuversichtlich, zusammen etwas hinzubekommen.

Ein Besuch Baerbocks in Washington könnte bevorstehen

Eine baldige Reise von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zu ihrem neuen Amtskollegen Marco Rubio wird erörtert. Zudem wird in Berlin gemutmaßt, dass die amerikanische Regierung noch vor der Bundestagswahl bei der Münchner Sicherheitskonferenz mit einer größeren Delegation anreist. Im vergangenen Jahr war der künftige Vizepräsident JD Vance zu Gast. Man wolle die NATO nicht verlassen und Europa nicht zurücklassen, sagte er. Aber Europa müsse viel mehr tun für seine Verteidigung.

Aber auch außerhalb der Regierung wird lange schon versucht, die Kontakte zu den Republikanern zu pflegen. Der Sozialdemokrat Hakverdi war vergangenes Jahr auf dem Parteitag in Milwaukee, regelmäßig treffe er auch in Berlin Republikaner. „Funktionierende Netzwerke über den Atlantik sind gerade wegen Donald Trumps unberechenbarer Art wichtig“, sagt er. Viele deutsche Unternehmen seien gerade in Bundesstaaten, in denen die Republikaner stark seien, sehr aktiv.

Die Kontakte seien also nicht das Problem. Aber: „Der Ton wird rauer.“ Wenn er jetzt mit Personen aus der ­„Make America Great Again“-Sphäre spreche, dann sei das ganz anders als noch vor wenigen Jahren mit traditionellen Republikanern. Und: Auch die meisten Republikaner könnten Trumps außenpolitischen Kurs nicht verlässlich vorhersagen. Trumps „aggressive Kommunikation setzt Gegner der USA, aber eben auch Verbündete unter Druck“, sagt Hakverdi. „Wir müssen lernen, nicht über jeden Stock zu springen, den Trump uns hinhält“, sagt Lindner.

Wie kommt Merz mit Trump zurecht?

Den Umfragen zufolge dürfte der Umgang mit all diesem Druck bald aber vor allem jemand anderes umtreiben: Entscheidend wird dann sein, wie man in der CDU mit Trump zurechtkommt, wenn der Kanzler Friedrich Merz heißen sollte. In der Union verweist man gerne auf dessen Vergangenheit an der Spitze der Atlantik-Brücke, seine Erfahrung in der Wirtschaft und fern der Politik, die helfen könnten im Umgang mit Trump.

Merz selbst gibt sich zurückhaltend, aber auch vorsichtig zuversichtlich. Auf der Klausurtagung des CDU-Vorstands am vorigen Wochenende sagte er, es gebe „sehr viel mehr gemeinsame Möglichkeiten als Konflikte“. Merz hat Trump bislang nur einmal die Hand gegeben. Das war vor einer kurzen Begegnung vor mehr als 20 Jahren. Sollte er Kanzler werden, wird es mehr Begegnungen geben. Aus der Unionsfraktion im Bundestag heißt es, zur Amtsübernahme am Montag werde Merz Trump in einer Form gratulieren, wie es üblich sei.

Vor allem Jens Spahn hält Kontakte für die Union ins Trump-Lager. „Als Donald Trump zum ersten Mal ins Weiße Haus einzog, war die damalige Bundesregierung schlecht vorbereitet“, sagt Spahn der F.A.Z. Der Glückwunsch von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Washington sei „von moralisch hoher Warte“ gekommen. „Das war kein guter Start.“ So sei es dann auch weitergegangen.

Spahn: Es wird „rumpelig“ mit der neuen Regierung

Spahn suchte damals schon den Kontakt zur neuen Führung in Washington. In Absprache mit Merkel und dem damaligen christdemokratischen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble reiste er nach Washington und führte Gespräche mit Leuten aus dem Trump-Lager. „Man muss mit den Leuten reden, damit man weiß, was die wollen“, sagt er.

Die jetzige Bundesregierung sieht er nicht gut auf eine zweite Amtszeit Trumps vorbereitet. Er erinnert daran, dass in der Ampel sogar für die Demokraten Joe Biden und Kamala Harris geworben worden sei. „Es hat den deutschen Interessen geschadet, sich auf eine Seite zu stellen“, sagt Spahn. „Besonders, wenn die dann verliert.“

Es werde „rumpelig“ werden mit der neuen amerikanischen Regierung, sagt Spahn voraus. „Aber vielleicht haben wir es uns auch zu lange zu bequem gemacht“, sagt Spahn. Wenn Deutschland bei der Verteidigung schon klar das Zweiprozentziel „auch mit einem Plus“ einhalte, werde schon manches leichter im Gespräch mit der Regierung Trump.

Wer wird als Stimme Europas künftig Gehör finden in Washington? Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat Trump gerade in Florida besucht, sie soll auch zur Amtseinführung fliegen. Dort soll auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán auf der Tribüne sitzen. Deutschland wird, wie üblich, offiziell mit seinem Botschafter in Washington vertreten sein. Für die Unionsfraktion reist deren außenpolitischer Sprecher Jürgen Hardt an. Für die AfD, die der Trump-Vertraute Elon Musk so schätzt, deren Vorsitzender Tino Chrupalla. „Diese Präsidentschaft wird die Welt nachhaltig verändern“, teilte er mit.